Mit Fragezeichen
Ob eine Antwort auf die Frage gefunden werden kann, was den Klassiker mit dem Avantgardisten verbindet, erscheint nach der Lektüre des vorliegenden Katalogs zwar spannend, aber bezogen auf den Erkenntnisgewinn zweitrangig. Im einleitenden Teil wird vielfach auf diese Kohärenz (für Mack ist es „Koinzidenz”) hingewiesen und in Teilen auch überstrapziert und völlig unnötig mit Belegen angefüttert. Die Hauptsache ist doch eher der hier vorgenommene, tiefe Blick auf das Denkbare und das Abbildbare in den Arbeiten zweier universell gebildeter Künstler, Forscher und intellektueller Köpfe jeweils das Zeitgenössische überschreitender Zirkel, Gruppen und Schüler.
Goethes Farbenlehre ist an manchen technischen Hochschulen Pflichtprogramm, denn längst ist unter Forschern anerkannt, dass der Dichterfürst nicht bloß nette Farbpaletten, komplementärer oder polarisiender oder sonstwie systematischer Art auf Bütten aquarellierte. Sondern, dass vielmehr sein phänomenologischer und schließlich mathematischer Ansatz für das Verständnis von Farben, Farbräumen und Farbwirkungen auch für heutige Forschungen und Planungen relevant und noch immer nicht in aller Anwendung ausgeschöpft ist.Die vorliegende, großformatige und in jeder Hinsicht schwergewichtige Publikation konzentiert sich also auf die Möglichkeitswelten, Farben und vor allem das Licht als Farbe aus der Sicht Goethes und dem Werk Heinz Macks zu interpretieren. Dabei werden haufenweise faksimilierte Bilder, Schriften und Fotografien von Apparaturen – auch solche von Goethe selbst entwickelt –, sowie Papier-, Foto- und skulpturale Arbeiten des Lichtkünstlers und ZERO-Mitbegründers Mack gezeigt, deren letztere einer Präsentationslogik folgen, die eingangs schon mit einem Fragezeichen versehen wurde. Ist Mack tatsächlich von der Gedanken- und Darstellungswelt Goethes durchdrungen? Und wenn ja: Ist das in diesem weiten Kontext des Farbweltenverstehens eine erhellende, eine gewinnbringende Kohärenz?
Abgesehen von dem Stereotyp „hier kommt Mack Goethe sehr nahe” oder „wie Goethes …” oder „ungefähr so groß wie Goethes” etc. ist der Blick auf beide Forschungen zu Farbe und Licht ein ausreichender Grund, Ausstellung und wunderbar gefüllten Katalog zu realisieren. Das ständige Gegeneinanderschneiden der beiden soll dem Künstler von heute den Ruhm ein weniger größer machen mit dem Namen eines Großen von Gestern; dessen universalistischer Ansatz – das wird hier klar – noch lange nicht zuende ausgeforscht ist. Ohne Literaturverzeichnis, dafür mit einem schönen Gespräch am Schluss zwischen Mack und dem Kunsthistoriker Loers. Be. K.
Taten des Lichts – Mack & Goethe. Hrsg. v. Barbara Steingießer. Dt./engl. Hatje Cantz, Berlin 2018, 304 S., 200 Farb- u. sw-Abb.
68 €, ISBN 978-3-7757-4407-2