Tragendes Konzept

Minto Shopping Center, Mönchengladbach

Markante vor- und zurückspringende Fassadenbänder kennzeichnen das Shoppingcenter. Um hier die großflächige Verglasung stützenfrei ausbilden zu können, sorgen Stahlfachwerkträger, die einige Meter von der Fassade zurückgesetzt sind, dafür, die Lasten von drei Geschossdecken aufzufangen.

Auf einem 14 000 m² großen innerstädtischen Grundstück zwischen Steinmetz- und Hindenburgstraße, das früher mit dem mittlerweile abgebrochenen Stadttheater, dem Iduna-Hochhaus sowie zwei kleineren Einkaufsgalerien bebaut war, wurde im März 2015 das Shopping Center „Minto“ eröffnet. Der nach einer Bauphase von zweieinhalb Jahren für eine Summe von insgesamt 210 Mio. € fertiggestellte Neubau beherbergt auf vier Ebenen mit einer Gesamtfläche von insgesamt 42 000 m² mehr als 100 Geschäfte sowie rund 20 Gastronomiebetriebe. Der Name des Shopping Centers wurde im Rahmen eines offenen Wettbewerbs gemeinsam mit der Bevölkerung entwickelt, er bedeutet im niederrheinischen Dialekt „meins“. Ausgehend von der besonderen Lage hatte die Stadt schon bei der 2009 erteilten Vergabe an die Unibail-Rodamco Germany GmbH (früher: Management für Immobilien AG) hohe Auflagen für die äußere Gestaltung des Gebäudes und seine Einbindung in die Innenstadt formuliert. Um diese Vorgaben umzusetzen und gleichzeitig auch den eigenen Anspruch im Hinblick auf Qualität, Service und Einkaufserlebnis auf den ersten Blick sichtbar werden zu lassen, hatte der Bauherr 2011 parallel zur sonstigen Ausschreibung auch einen eigenen Wettbewerb für die Fassadengestaltung durchgeführt, den schließ-lich das renommierte Aachener Büro kadawittfeldarchitektur für sich entscheiden konnte. Die Tragwerksplanung des viergeschossigen Stahlbetonbaus erfolgte durch die Kempen Krause Hartmann Ingenieurgesellschaft aus Düsseldorf, mit der Entwurfs- und Ausführungsplanung waren das Hamburger Architekturbüro Heine Planungsgesellschaft und später die PSP Planungsgruppe Schmitz+Partner aus Wuppertal betraut.

Farbiger Blickfang

In einem ersten Schritt hatte die Heine Planungsgesellschaft bereits die grobe Kubatur des Gebäudes entwickelt. Darauf aufbauend war das Büro kadawittfeldarchitektur mit der Fassadengestaltung ab Vorderkante Rohbau sowie mit der Planung des Mall-Verlaufes beauftragt. Als besondere Herausforderung erwies sich dabei die stark ansteigende Topographie des Grundstücks: „In enger Abstimmung mit dem Bauherrn und den ausführenden Architekten haben wir deshalb eine innere Organisation entwickelt, bei der drei der vier Geschosse ebenerdig erschlossen werden“, erklärt Projektarchitekt Michael Tremmel von kadawittfeldarchitektur. „Anders als andere Shopping Center hat das Minto damit kein schwer vermietbares Basement.“ Ebenfalls als Reflex auf die charakteristische Topographie entstand die Idee einer horizontal geschichteten Fassadengliederung mit geschossweise gestaffelten, dabei unterschiedlich stark mäandrierenden und organisch gegeneinander verschobenen Lamellenbändern, die ganz bewusst ein vertikales Gegengewicht zur horizontalen Fassadengliederung schaffen: „Die Bänder lenken in weichen Schwüngen die Aufmerksamkeit der Passanten auf die Eingänge des Hauses und lassen dabei überdeckte Terrassen wie den Sonnenplatz oberhalb des Haupteingangs entstehen“, erklärt Michael Tremmel.

Bei der Materialwahl der Lamellen haben sich die Architekten von der Architektur angrenzender Gebäude leiten lassen, die teilweise mit Feldbrandklinkern aus der Region errichtet wurden. Als moderne Interpretation dieses Bestandes kamen 1,35 m hohe Keramik-Lamellen in elf unterschiedlichen Terracotta-Farbtönen von Altweiß, Grau, Ocker, Rotbraun bis Braun zum Einsatz, die je Geschossband in zwei bzw. drei übereinander liegenden Reihen vor schwarzem Glattblech auf der Stahlbetonhülle montiert wurden: „Die Lamellen wurden aus dem gleichen Ton hergestellt wie die Feldbrandklinker und wurden gänzlich ohne Glasur allein durch unterschiedliche Brennstufen erzielt“, erklärt Michael Tremmel. Mit gezielten Farbverläufen ist es dabei gelungen, bestimmte Bereich der Fassade zu akzentuieren.

In enger Absprache mit dem Bauherrn haben die Architekten außerdem nach einer Möglichkeit gesucht, verschiedene Werbeflächen in die Fassade zu integrieren. „Im Verlauf der Planung sind daraus die 80 cm hohen, leicht zurückspringenden horizontalen Fugen oberhalb der einzelnen Geschossbänder entstanden, die als Werbebänder die Logos der im Minto vertretenen Shops zeigen“, berichtet Michael Tremmel. Bei Dunkelheit werden die zurückgesetzten Fugen illuminiert und prägen das nächtliche Erscheinungsbild des Shopping Centers.

Anforderungen an die Tragwerksplanung

Große Aufmerksamkeit legten die Planer auf die Gestaltung der Eingangsbereiche. Ein besonderes Element ist hier die konkave Einbuchtung der Fassade über dem Haupteingang, die wie ein riesiger Trichter wirkt, der die Besucher ins Gebäude leitet. Zusätzlich hervorgehoben wird die Front in diesem Bereich durch großflächige Verglasungen in Pfosten-Riegel-Bauweise, die gleichzeitig als Vitrinen und als Werbeflächen fungieren. Um den gesamten Bereich, wie auch vom Bauherrn gewünscht, stützenfrei ausbilden zu können, entwickelten die Tragwerksplaner der Kempen Krause Hartmann Ingenieurgesellschaft in enger Absprache mit den Architekten die Idee, die Lasten von drei Geschossdecken durch einen bis zu 7 m von der Fassade zurückversetzten Stahlfachwerkträger aus gewalzten Profilen aufzufangen: „Der Träger ist insgesamt 7 m hoch und darauf auslegt, 27 m stützenfrei zu überspannen“, erklärt Stephan Adelberg, Leiter Fachbereich Tragwerksplanung, die gemeinsam erarbeitete Lösung. Hohe Anforderungen an die Tragwerksplaner stellte auch die Ausbildung der beiden Parkebenen in den beiden oberen Geschossen des Gebäudes, die gemeinsam mit einem benachbarten Parkhaus insgesamt 900 Stellflächen bieten. Um eine statisch optimierte Lösung zu erreichen, wurde das Parkdeck als Stahlverbundkonstruktion in die Stahlbetonkonstruktion des Gebäudes eingestellt. „Schwierig war dabei insbesondere die Positionierung der Stützen unter Beachtung der maximal zulässigen Trägerspannweiten“, berichtet Stephan Adelberg von Kempen Krause Hartmann Ingenieure, „Denn neben der Grundrissgeometrie der Verkaufsebene und den Verläufen der Fahrspuren mussten wir hier auch die Aussteifungselemente der durch Dehnfugen in insgesamt sechs unregelmäßige Deckenfelder geteilten Parkfläche berücksichtigen“.

Vielschichtiges Einkaufserlebnis

So hochwertig wie die Außenansicht präsentiert sich auch das Innere des mittlerweile mit dem DGNB Zertifikat in Platin ausgezeichneten Einkaufszentrums mit seinen offenen Galerien und Lichthöfen: „Um die attraktive innerstädtische Lage optimal zu nutzen und unseren Kunden ein außergewöhnliches Einkaufserlebnis zu bieten, zeichnet sich das Minto durch ein einzigartiges Architektur- und Designkonzept aus, das wir ganz bewusst als eine Hommage an die Region verstehen“, erklärt Christian Zimmermann, Head of Shopping Center Management bei Unibail-Rodamco Germany.

Um das Einkaufszentrum auch innenarchitektonisch mit Leben zu füllen, entwickelte das Düsseldorfer Designstudio kplus konzept ein vielschichtiges Konzept mit fünf sogenannten „Highlight-Fassaden“, die den Kunden mit unterschiedlichen Materialien, Formen, Klängen und Düften ein „multisensorisches Einkaufserlebnis“ bieten sollen. Zusätzliche Qualität erhält der Innenraum durch großformatige Naturwerksteinbeläge für Fußböden, Wände, Treppen und Fensterbänke. Auf den Außenterrassen des Minto wurden außerdem großformatige keramische Fliesen in einer Holzoptik verlegt. Im Zusammenspiel ist ein angenehm wertiges Ambiente mit überraschenden Akzenten entstanden, das sich wohltuend von der Gestaltung der meisten anderen Einkaufszentren abhebt. Robert Uhde, Oldenburg

Baudaten

Objekt: Einkaufszentrum Minto

Standort: Am Minto 3, Mönchengladbach

Typologie: Retail

Bauherr: Unibail-Rodamco Germany GmbH, Düsseldorf, www.unibail-rodamco.de (vorher: mfi Grundstück GmbH & Co. Mönchengladbach Arcaden KG)

Entwurfs- und Ausführungsplanung: Heine Architek­ten Partnerschaft mbH, Hamburg, www.heine-architekten.de (vorher: Heine Planungsgesellschaft mbH, Hamburg)

Ausführungsplanung: PSP Planungsgruppe Schmitz + Partner, Wuppertal

Fassadenarchitekt: kadawittfeldarchitektur gmbh, Aachen, www.kwa.ac

Bauleitung: Borgmann Manke Architekten und Ingenieure GmbH, Aachen, www.bmai.de (vorher: Borgmann Architekten und Ingenieure, Aachen)

ARGE Rohbau: nesseler bauwerk gmbh, Aachen, www.nesseler.de; Derichs und Konertz GmbH & Co KG, Aachen, www.derichsukonertz.de; Hans Lamers GmbH & Co. KG, Jülich, www.lamers-bau.de

Bauzeit: Mai 2013 – März 2015

Fachplaner

Tragwerksplaner: Kempen Krause Hartmann Ingenieur­gesellschaft mbH, Düsseldorf, www.kempenkrause.de

TGA-Planer: SKIBA Ingenieurgesellschaft für Gebäudetechnik mbH, Herne

Kommunikationsdesign, Innenarchitektur, gestalterische Mieterkoordination: kplus konzept GmbH, Düsseldorf, www.kplus-konzept.de

Projektdaten

Fassadenfläche: 8 000 m²

Verkaufsfläche: 26 000 m²

Gesamtfläche: 42 000 m²

BGF: 85 626 m²

Hersteller

Fassade: NBK Keramik, www.nbkterracotta.com

Bauchemie zur Verlegung der Natursteinplatten: Sopro Bauchemie GmbH, www.sopro.com

Feuerschutztüren: Franzen Feuerschutztüren GmbH, www.franzen.nrw

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