HighTec – HighNature!
Haben wir als Architekten die richtigen Antworten auf die großen Zukunftsfragen? Unsere Welt ist im Wandel. Es ist der richtige Zeitpunkt, vieles in Frage zu stellen.
Das Missliche an der Zukunft ist die Ungewissheit. Die meisten Menschen mögen keine Ungewissheit. Besonders dann nicht, wenn das Heute schon recht angenehm ist und es gar keine Verbesserungen mehr braucht. In unserer Zeit des Wohlstands ist mit Zukunft daher viel eher Sorge als Hoffnung verbunden.
Als Architekten spüren wir diesen Zeitgeist der Veränderungsängste bei jeder Aufgabe. Bauherren erwarten zwar einen sprechenden Kühlschrank und Alexa gesteuerte Markisen. Bei der Wahl der Baumaterialien und des Gebäudedesigns kann es aber gar nicht konventionell genug sein. Nur keine Experimente!
Technikgadgets im Retrofachwerk. Ist das die Zukunft?
Nun tragen wir Architekten sicherlich eine Mitschuld an dieser Entwicklung. Zu lange haben wir Planer es uns in der Moderne gemütlich gemacht: Eine Architektur, die zwar Antworten auf die Probleme der Industrialisierung und die gesellschaftlichen Brüche des vergangenen Jahrhunderts geben konnte, nun aber, da Individualismus die neue Norm geworden ist, nicht mehr recht zu überzeugen weiß.
Das vereinfachende Diktat des „form follows function“ und die fast schon blinde Technikgläubigkeit des 20.Jh. hat den Wunsch des Einzelnen nach einem emotionalen Erlebnis in seiner gebauten Umgebung außer Acht gelassen. Der sorglose Umgang mit Energie hat uns den Blick auf das Wesen guter Architektur verschleiert. Wir haben vergessen, wie wichtig ein Fenster zum Öffnen und der Ausblick auf den Baum in der Sonne für jeden Einzelnen immer noch ist.
Zukunft braucht ein Fundament
Erst der Klimawandel und die Erkenntnis um die Endlichkeit unserer Ressourcen hat uns Architekten wieder die Augen geöffnet für den Wert von Orientierung, Materialeinsatz und Proportion in guter Architektur. Wir lernen erneut aus den präindustriellen Zeiten, in denen Energie nicht im Überfluss zur Verfügung stand und die Gebäude das Beste aus dem Mikroklima des jeweiligen Standorts machen mussten. Diese Erkenntnis kann allerdings nicht bedeuten, dass wir das Alte nur kopieren brauchen und schon sei alles wieder gut. Ohne Weiterentwicklunwg wäre die Kopie nicht nur ein kultureller Offenbarungseid, sondern auch ein unzureichender Ansatz für die baulichen Aufgaben eines Planeten mit 9 Mrd. Menschen. Wir sollten verstehen, was Menschen an Altstädten lieben, und dieses Verstehen als Ausgangslage für eine weiterentwickelte Architektur verwenden.
Der Blick zurück kann uns lediglich zeigen, auf welchem Fundament wir eine neue, bessere Architektur bauen können. Es gilt, Mensch, Raum und Umwelt wieder in Einklang zu bringen.
Zukunft ist Vielfalt und Veränderlichkeit
In unserem digitalen Zeitalter erleben wir, dass sich Wirtschaftszweige rasch wandeln und Arbeitsstätten sowie ganze Produktionsstrukturen schnell überflüssig werden. Es ist daher wenig zukunftsfähig, in einem Gebäude nur eine Funktion abzubilden, ohne andere mögliche Nachnutzungen in der Planung mit zu berücksichtigen. Was machen wir mit all den Kaufhäusern, die schon bald als Nutzungsruinen unsere Innenstädte belasten werden?
Es ist klüger, Systeme zu bauen, welche den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen an Tageslicht, Behaglichkeit und Raumproportion entsprechen und damit für jede Art von Nutzung geeignet sind.
Ob in einer Architektur gearbeitet oder gewohnt wird, ist unter diesen Aspekten fast schon nebensächlich. Auch unterscheidet der Lebensstil einer ubiquitär vernetzen Wissens- und Informationsgesellschaft kaum noch zwischen Beruf und Freizeit. Der Wunsch nach Lebensqualität, nach Ruhe und Aufmerksamkeit, nach einer selbstbestimmten Kommunikation und dem intensiven Austausch mit anderen bestimmt heute sowohl unser Arbeits- wie auch unser Freizeitleben. Die Ansprüche an unser Arbeitsumfeld unterscheiden sich nicht mehr wesentlich von den Ansprüchen an das Wohnen. Es braucht keine Bürogebäude mehr. Die Kodierung von Architektur hat sich in vielen Lebensfeldern überlebt. Unsere gebaute Umwelt sollte grundlegenden menschlichen Ansprüchen genügen, um dauerhaft genutzt zu werden. Neben der Berücksichtigung menschlicher Bedürfnisse an ein Raumgerüst liegt in der Entwicklung reagibler Systeme und Strukturen das größte Potential zukünftiger Architektur. Heutzutage bauen wir einen jahreszeitlichen Kompromiss. Im Winter Wärmeverluste zu vermeiden, mag richtig sein. Die Dämmung verhindert dann aber auch die Nutzung von solaren Wärmegewinnen in den Übergangsmonaten. Noch entwickeln wir unsere Gebäude zu sehr als autarke Maschinen, welche von den schwankenden Umgebungsbedingungen entkoppelt werden müssen, um kontrollierbar zu sein.
Ideal und viel effizienter wäre aber, wenn sich unsere Gebäude anpassen und selbstständig durch eine Art Stoffwechsel auf Tages- und Jahreszeiten reagieren, anstatt weiterhin der Idee einer kontextbefreiten Box zu folgen.
Zukunft braucht weniger Material
2018 war ein heißes Jahr. Aufgrund der Trockenheit war der Flusstransport nur eingeschränkt möglich und mancherorts sogar der Sprit knapp. Für die, die es bisher noch nicht wahrhaben wollten, eine bittere Erkenntnis: Ist vielleicht doch was dran am Klimawandel? – Ja, da ist was dran!
So wie wir gestrickt sind, wird die Gesellschaft bald nach Schuldigen suchen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der CO2-Verbrauch eines jeden Einzelnen Maßstab seiner gesellschaftlichen Eignung wird. Die Finanzindustrie hat bereits berechnet, was uns das Aufräumen nach Jahren der Party kosten wird. Demnach ist das Wirtschaftswachstum, welches in den vergangenen 35 Jahren erreicht wurde, durch die Folgekosten dieses Wachstums quasi wieder aufgebraucht. Dies zeugt ökonomisch und ökologisch betrachtet nicht von großer Intelligenz.
In diesem Szenario sind wir Architekten verantwortliche Ressourcenverwalter einer Gesellschaft, welche von uns wissen will, mit wieviel C02 wir einen Bauherrn durch unsere Gebäude belasten. Die erste Frage, die wir daher stellen müssen:
Lohnt sich der Ressourcen verbrauchende Aufwand überhaupt, dieses Haus zu errichten? Haben wir uns gut überlegt, von wo wir unser Baumate-rial beziehen und wie wir möglichst wenig Material verbrauchen? Bedenken wir die Nutzungsphase und den Rückbau des Gebäudes in dem Maß,
in dem diese Aspekte bedacht werden müssen?
Kommen zukünftige Generationen wieder gut und einfach an das Verbaute, wenn das Haus den Ansprüchen nicht mehr genügt? Besitzen wir hierfür überhaupt das erforderliche Wissen?
Zukunft hat neue Werkzeuge
Begriffe wie Big Data, Smart City oder Connected Mobility sind noch Sprechblasen und nur Andeutungen der Entwicklung hin zu einer digitalen, urban vernetzten Welt. Sicher ist, dass die immer schneller fortschreitende Durchdringung unserer Umwelt mit digitalen Medien und Prozessen zu einer Transformation unserer Städte führen wird, die auch Auswirkung auf die Nutzung und Wahrnehmung urbaner Räume haben wird. Public Realm ist schon heute über die Nutzungsfrequenz sozialer Netzwerke in Echtzeit messbar.
Ist ein städtischer Platz ohne Instagram Post überhaupt eine erfolgreiche städtebauliche Struktur? Wie stimulieren wir Menschen, unsere Städte weiterhin zu nutzen, wenn der Einkauf als soziale Interaktion in einer Welt des Onlinehandels fehlen wird?
Digitalisierung bedeutet, dass die politische, juristische und ökonomische Logik in unseren Planungsprozessen neu gedacht werden muss. In einer Smart City kann zwischen Gebäude und Freiraum, privatem und öffentlichem Eigen-
tum nicht mehr strikt getrennt werden. Eine digitale Infrastruktur vernetzt Quartier, Gebäude und Wohnungen. Die neuen Technologien werden helfen, Doppelungen zu vermeiden und Ressourcen effizient zu nutzen. Sie erfordern aber auch einen radikalen Wandel im Umgang mit Besitz und Eigentum.
Zukunft braucht ein Miteinander und neue Regeln
Wir dürfen nicht der Eitelkeit verfallen, dass wir alles wissen müssen oder wir alleine die Lösung zu den Fragen der Zukunft beantworten können. Wir sollten anerkennen, dass es viele gute Instrumente und Institutionen gibt, die uns dabei helfen, und dass es auch unsere Verantwortung sein sollte, daran gemeinsam zu arbeiten.
Die Zukunft des Bauens liegt in einem besseren Miteinander. Die Themen des Ressourcenschutzes sind komplex und nur im interdisziplinären Team beherrschbar.
Hierfür müssen wir die Prozesse der Planung, der Errichtung und der Nutzung von Gebäuden aus ihrem starren Korsett eines Planungsrechts befreien, welches größtenteils noch aus der Mitte des 20. Jahrhundert stammt, indem wir gemeinsam mit den Kammern, den Verbänden und unseren Kollegen auf eine Veränderung hinwirken.
Es genügt nicht, nur über das gestiegene Maß an Verordnungen, Normen und Planungsvorgaben zu jammern, ohne selbst aktiv an einer Verbesserung mitzuwirken. Wir müssen erkennen, dass wir diese Aufgaben nicht alleine bewältigen können. Wir müssen unser liebgewonnenes Bild des nur sich selbst und der jeweiligen Aufgabe verpflichtenden Künstlers überdenken.
Wir leben in einer Zeitenwende. Es liegt an uns, diese aktiv mitzugestalten.
Die Zukunft des Bauens liegt in der Erkenntnis, dass wir gegenüber zukünftigen Generationen heute schon verantwortlich sind.
Die Zukunft des Bauens liegt in der Erkenntnis, dass die Moderne Vergangenheit ist.
Die Zukunft des Bauens liegt in der Erkenntnis, dass die Zukunft des Bauens heute ist.