Interview mit Sebastian Jehle und Thomas Kramps

Interview mit Sebastian Jehle und Thomas Kramps
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„Das Gymnasium in Bochum war von unseren Projekten vielleicht das klarste und stringenteste vom Wettbewerb bis zur Fertigstellung. Es war ein absolutes Traumprojekt.“

DBZ: Man kann bei der neuen Schule in Bochum den Eindruck gewinnen, dass hier besonderen Wert auf die Akustik gelegt wurde. Stimmt das?

Thomas Kramps: Nicht wirklich. Wir hatten es aber mit vielen Zielkonflikten aufgrund divergierender Nutzungsanforderungen zu tun. Da hatten wir das Glück einen phantastischen Bauphysiker, einen Akustiker zu haben, der viel Erfahrung in das Projekt einbrachte und der nicht allein auf die Simulation und Messung der Schallwerte für diverse Nutzungen bestand, die erfüllt werden sollten. Ein Beispiel: Da wir in allen Schulzimmern verschiedene Radien haben und ihre Trennwände nicht parallel zueinander stehen, hätten wir folgerichtig für alle Zimmer eigene Simulationen benötigt. Dr. Brauns hat aufgrund seiner Erfahrung jedoch nur verschiedene Musterräume genauer untersucht. Am Ende hat sich herausgestellt, dass fast in allen Räumen das gemessene sogar besser als das simulierte Ergebnis ist. Dafür braucht man aber jemanden, der aufgrund seiner Erfahrung für eine gute Lösung mit den Architekten eintritt, auch gegenüber dem Bauherrn.
 
Gab es wirklich nie einen Konflikt zwischen Ihnen und dem Akustiker? Kramps: Am Anfang wollte er in allen Schulräumen die Decken komplett abhängen, was für uns ein Problem geworden wäre, da wir die unverkleidete Speichermasse der Betondecken für unser Energiekonzept brauchten. In einem durchaus langen, iterativen Prozess haben wir dann gemeinsam zu einer Lösung gefunden, dass wir nur 50 %
der Deckenfläche mit luftumspülten Akustiksegeln ausstatten mussten, womit er sich anfangs schon etwas schwer getan hat.
 
Und beim großen Atrium, das für verschiedene Nutzungen schaltbar ist, gab es dort auch keine größeren Konflikte mit den akustischen Anforderungen? Kramps: Nein, da wir kein Glasdach mit einer glatten, schallharten Fläche gewählt haben. Die großformatigen ETFE-Kissen haben die Schalldiffusität noch verstärkt, die schon durch die Geometrie des Raumes ziemlich gut war. Er hat uns aber sehr geholfen, dass der Raum akustisch nicht als Konzertsaal ausgelegt wurde, sondern nun mit Nachhallzeiten von 1 bis 1,5 s vor allem der Sprachverständigung dient. Auf seinen Wunsch mussten allein die Flächen unter den Galerien akustisch gedämpft werden.
Sebastian Jehle: Jeder Spezialist, ob nun Energietechniker, Bauphysiker oder Akustiker versucht immer seine Disziplin zum Optimum zu führen. Wenn wir das als Architekten zulassen, kommt unterm Strich oft nur Quatsch heraus. Wir müssen bestimmen, wo darf sich wer wie stark mit seinen Interessen durchsetzen. Der Architekt als Generalist hat schon einen schwierigen Job, auch diese Gesamtsicht gegenüber dem Bauherrn zu vermitteln. Wenn der Raum am Ende nur noch aus Pappmaché besteht, ist Architektur verloren. Ziel war es in Bochum Räume mit großen Freiheiten zu schaffen, wie dort gelehrt und gelernt werden kann.


Wie intensiv bzw. zeitaufwändig gestaltete sich konkret die Zusammenarbeit mit dem Akustiker, damit man in Bochum sonst durchaus übliche akustische Verpackungen von Wänden und Decken vermeiden konnte?
Kramps:
Es war schon langwierig und komplex. Der Ingenieur wollte oft mehr als wir ihm geben wollten. Es war schon ein echter Kuhhandel auf vielen Ebenen, thermisch wie akustisch. Im Wesentlichen war aufgrund der speziellen Geometrie der Schule nicht viel Zusätzliches notwendig. Die meisten Wände, auch die Trennwände konnten weitgehend unbehandelt bleiben. Wir haben nur Akustiksegel und Einbaumöbel für akustische Verbesserungen benötigt.
 
Herr Jehle, wie beurteilen Sie die Entwicklung des Bauens gerade auch hinsichtlich der akustischen Anforderungen seitens vieler Bauherren heute?
Jehle:
Man setzt immer höhere Benchmarks, ein Gebäude, ein Raum soll immer noch mehr Nutzungsanforderungen gerecht werden. Erst werden alle Nutzungen in immer größere Volumina gebündelt und die „Experten“ sagen das geht. Doch wie wir das dann hin bekommen, ist oft allein die Aufgabe der Architekten, die auch mal sagen müssen, das geht eben nicht, das kostet unnötig Geld und widerspricht der primären Nutzung des Raums und führt zu einer schlechteren Raumqualität. Die Menschen nehmen Raum erst einmal visuell wahr – zuerst das Licht und danach kommt erst die Akustik. Gerade die auf Wand und Decke geklebten Akustikmaßnahmen sind für mich ein Beispiel, dass oft nicht mehr das Ganze bedacht wurde.
 
Bei Ihren Gebäuden überwiegt oft der Eindruck, dass Sie bewusst offen legen wollen, wie Sie gefügt sind. Jehle: Für mich hat das etwas mit der Ehrlichkeit der Konstruktion, der Lesbarkeit und Verständlichkeit eines Gebäudes zu tun. Da gibt es Lasten, die abgetragen werden müssen, und Ausbauelemente, die andere Aufgaben zu erfüllen haben. Wir reden ja heute viel von Nach­haltigkeit. Da ist das absolute Gebot der Recyclebarkeit und Wiederverwendung von Elementen, was gerade bei manchen Akustikelemen­ten nicht immer der Fall ist. Durch Sandwichelemente, das Verkleben unterschiedlicher Materialien ist heute sicher Vieles möglich, doch den Vorteilen stehen stehen fast immer Nachteile gegenüber. Wenn man die ganze Verkleideritis einfach weg lässt und das Geld in den Raum und die Bewegungsflächen steckt, ist das Budget meist sinnvoller verwendet.  
Dies scheint ja in Bochum genau so erfolgt zu sein. Warum war dies dort so gut möglich? Kramps: Das Gymnasium in Bochum war von unseren Projekten vielleicht das klarste und stringenteste vom Wettbewerb bis zur Fertigstellung. Es war ein absolutes Traumprojekt. Alle, der Bauherr, der Leiter des Schulverwaltungsamts als auch der neue Schulleiter standen voll hinter unserer Arbeit. Das hat man nicht nur bei Schulprojekten selten, dass drei Parteien das Selbe wollen. Hier aber war es so Deshalb konnten wir die Schule in den Kosten und in einer Rekord-Planungs- und Bauzeit realisieren und dieses „Gemeinsam-an-einem-Strang“ spürt auch heute noch jeder im Haus.


Das Interview führte Claus Käpplinger für die DBZ

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