Optimale Transparenz
Werk II Hähl, Pforzheim

Mit dem Werk II Hähl in Pforzheim realisierten Peter W. Schmidt Architekten eine prozessoptimierte Betriebsstätte mit sehr guten Aufenthaltsbedingungen für die Mitarbeiter − nicht zuletzt durch einen hohen Anteil an Tageslicht.

„Ein wichtiger Aspekt des Projektes war für uns, den Mitarbeitern optimale Arbeitsbedingungen zu ermöglichen“, erklärt Bauherr Dr. Thomas Hähl. „Wir haben eine Chance darin gesehen, in dem Neubau durch eine transparente, durchdachte Architektur auch in einem produzierenden, spanenden Betrieb angenehme und attraktive Arbeitsplatzqualitäten zu schaffen.“ Diese Chance haben Bauherr, Architekt und Fachplaner in enger Zusammenarbeit erfolgreich genutzt.

Das 2013 fertig gestellte Gebäude wurde 2014 mit dem Hugo-Häring-Preis und 2015 mit dem Iconic Award ausgezeichnet. Die Architektur ist einfach und schlüssig. Transparenz und Klarheit bestimmen die Architektursprache, die das Büro für den Industriebau gewählt hat. Das Gebäude gilt als gestalterischer Maßstab für weitere Bauten im Gewerbegebiet.

Kubatur und Raumordnung

Die Kubatur des Werksgebäudes ist simpel: Ein länglicher Kubus, gut 80 m lang und 45 m breit, der als gemeinsame Hülle unter der sich sowohl die Produktionshalle als auch der Verwaltungstrakt verbirgt. Man betritt das Gebäude auf der Westseite und gelangt über den Haupteingang in die Administration. In dem dreigeschossigen Verwaltungsbau sind im Erdgeschoss neben dem Foyer die Lehrwerkstatt, verschiedene Büroräume, ein großer Technikraum sowie Umkleiden und Duschen untergebracht. Im ersten Obergeschoss befindet sich ein großzügiger Cafeteriabereich, der durch eine Dachterrasse ergänzt wird, die von außen als quadratischer Einschnitt in der Fassade erkennbar ist. Neben der Versorgung mit Tageslicht über eine Fensterfront nach Westen wurde auch in der Cafeteria dem Wunsch des Bauherrn nach Transparenz Rechnung getragen: Durch eine große Glasfront können die Mitarbeiter direkt in die Produktionshalle sehen. Das zweite Obergeschoss bietet noch freie Flächen zur weiteren Nutzung. Die ursprünglich geplante Ost-West-Ausrichtung des Gebäudes wurde relativ rasch in eine Nord-Süd-Ausrichtung gedreht. Das bot den großen Vorteil, dass die Halle nun über die gesamte nördliche Stirnseite verglast und mit Tageslicht versorgt werden konnte. „Unseren Mitarbeitern wird auf diese Weise von jedem Arbeitsplatz aus ein direkter Ausblick ins Freie geboten“, so der Bauherr. „In eine andere Himmelsrichtung hätte eine so großflächige Verglasung nicht funktioniert, da sich die Maschinen dann einseitig erwärmt und dadurch verzogen hätten. Auf eine aufwändige Verschattung konnten wir dadurch ebenfalls verzichten.“ Auch die Halle selbst heizt sich durch die Nordausrichtung im Sommer nicht zu stark auf. Die klimatischen Bedingungen sind sogar so günstig, dass auf eine separate Kühlung der Räume verzichtet werden konnte. Zusätzlich zu der Verglasung an der Nordfassade sind in der Dach­fläche opake Lichtkuppeln angebracht, die den Raum gleichmäßig ausleuchten.

Die Anfahrt der Halle erfolgt über große Tore an der Südseite. Die Ostfassade ist komplett geschlossen. Hier besteht die Option zur Hallenerweiterung. Die vorhandene Außenwand aus gedämmten, weiß lackierten Blechpaneelen könnte bei Bedarf relativ zügig ab- und wieder aufgebaut werden, um ein weiteres Hallenschiff an die vorhandene Stahlkonstruktion anzuschließen.

Besondere Anforderungen

Die Hähl Werke, die unter anderem Walzen für die Folienindustrie produzieren, stellen am Standort Pforzheim Komponenten für die Erdöl- und Erdgasbranche her. Das Anforderungsprofil für die Produktionshalle umfasste die Anordnung mehrerer großer Maschinen mit einem Eigengewicht von jeweils bis zu 28 t. In den Maschinen werden die angelieferten Halbzeuge schrittweise bearbeitet. Für den Prozessablauf werden die Werkstücke durch Stapler zu den Maschinen transportiert und mittels einer Krananlage in die jeweilige Bearbeitungsmaschine hinein gehoben. Notwendig war also der Platzbedarf für die Maschinen inklusive kleiner Lagerflächen und den Fahrbreiten für die Stapler-Fahrzeuge sowie einer größeren Lagerfläche mit Regalierung in der Nähe der Anliefertore. Außerdem musste eine Kranbahn integriert werden. Die Gebäudeabmessungen entstanden in enger Abstimmung mit dem Produktionsleiter des Werks unter Berücksichtigung einer optimierten Prozessstraße einerseits und den vorhandenen Grundstücksbedingungen andererseits.

Während der gesamten Planung fanden engmaschige Jour fixe-Termine mit Architekturbüro, Bauherr, Produk­tionsleiter und Gebäudetechnik statt. Denn gerade auch für die technische Ausstattung des Gebäudes gab es verschiedene Sondervorgaben: So sollten alle Maschinen technisch von oben angefahren, sämtliche Leitungen, Kabel und Kanäle also nicht im Boden, sondern überflur verlegt werden. „Das macht die Halle auch für die Zukunft flexibler. Es können problemlos Maschinen ergänzt oder ausgetauscht werden. Zudem muss der fugenlose Boden nicht wieder aufgerissen werden“, berichtet Bauherr Hähl. Eine sichtbare Verlegung sämtlicher Technikversorgungen bedeutet aber auch eine zusätzliche gestalterische Anforderung. Der Blick unter die Decke wurde dadurch zu einer weiteren Ansicht des Gebäudes. „Es war sowohl uns als auch dem Bauherrn sehr wichtig, dass die Leitungsführung ordentlich, logisch und aufgeräumt aussieht“, ergänzt Bauleiter Frank Spallinger vom Architekturbüro Peter W. Schmidt. „Neben den Laufkränen mussten Elektro-, Wasser-, Zu- und Abluft sowie Druckluftleitungen verlegt werden. Und da es sich um einen spanenden Betrieb handelt, mussten hohe Anforderungen an die Raumlüftung erfüllt werden. Einige Maschinen werden zusätzlich abgesaugt.“

Insgesamt befinden sich, in drei Reihen angeordnet, derzeit elf große sowie neun kleinere Maschinen in der Halle, zwischen denen zudem beladene Gabelstapler verkehren. Die eingebrachte Last wird über die Bodenplatte abgefangen. Sie ist so dimensioniert, dass sie an jeder Stelle die Last der schweren Maschinen aufnehmen kann, diese daher jederzeit umgestellt werden könnten. Die Dachkonstruktion, bestehend aus Stahlträgern, -pfetten sowie Trapezblech, wird in drei Achsen von in zwei Achsen eingespannten Stahlstützen getragen. Ganz bewusst fiel die Entscheidung von Architekt und Bauherr auf eine statisch unabhängige Hallenkonstruktion aus Stahl: „Eine Stahlkonstruktion ist filigraner und flexibler als eine Stahlbetonfertighalle. Sie bietet aufgrund ihrer Trägerstruktur mehr Möglichkeiten zur Leitungsführung der Haustechnik- und Maschineninstallation“, so Architekt Spallinger. „Und auch eine Erweiterung der Halle ist so ohne großen Aufwand realisierbar.“

Umzug und Baustellenlogistik

Eine große Herausforderung des Projektes war der Umzug aus der bestehenden alten Halle in den Neubau. „Für uns war wichtig, dass die Produktion auf möglichst hohem Niveau durchlaufen konnte“, betont Geschäftsführer Hähl. Und tatsächlich konnten in einem sukzessiven Prozess die Maschinen ohne größeren Produktionsstillstand umgelagert werden. Günstig für die enge Terminplanung war der Einsatz von Halbfertigteilen bei den Stahlbetonwänden des Verwaltungstraktes.

Die Produktion konnte mit dem Neubau deutlich optimiert werden. Aber auch die Steigerung der Aufenthaltsqualitäten für die Mitarbeiter wird dem Betrieb in Zeiten hohen Fachkräftemangels sicherlich positive Bewertungen bei der Arbeitsplatzwahl zukünftiger Mitarbeiter einbringen. Nina Greve, Lübeck

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