Grüne Bilanzen
Neue Deutsche Bank Türme, Frankfurt a. M.

„Ich stelle die Türme auf den Boden.“ Mario Bellini

„Es ist schon so eine Art „Once-in-a-lifetime“-Projekt, ein Haus so nachhaltig und ganzheitlich um­bauen zu können.“ Holger Hagge

Die Deutsche Bank steckt sich hohe Ziele, nicht nur im Finanzsektor. 2005 entwickelte das Unternehmen für sich selbst eine Klima­strategie, in der es sich verpflichtet, ab 2013 seine betrieblichen Abläufe klimaneutral zu gestalten, dazu gehört selbstverständlich auch der Gebäudebestand. Den ambitionierten Einstieg in dieses Thema wagte die Bank gleich mit ­ihrer Konzernzentrale, den Deutsche Bank Türmen in Frankfurt.

 

Vorgeschichte

Behördliche Auflagen an den Brandschutz gaben den Anstoß für die Sanierung der beiden Türme: Im Jahr 2004 bemängelte die Stadt Frankfurt in einer Brandschau zahlreiche Punkte im Gebäude, die nachgearbeitet werden müssten. Ein Teil der Vorgaben konnte relativ schnell umgesetzt werden, einige Auflagen erforderten jedoch größere Eingriffe in die Bausubstanz.

Eine Gebäudeanalyse offenbarte weitere Mängel, beispielsweise in der Infrastruktur, die nach 25 Jahren Betrieb zwangsläufig zutage treten. Ein lifecycle-bedingter Austausch der Technischen Gebäudeausstattung wurde beschlossen. Die Deutsche Bank als Bauherr stieg schnell sehr tief ein und entwickelte ein umfangreiches Sanierungskonzept einhergehend mit einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie, die dann im Projekt „Greentowers“ zusammengefasst wurden.

2006 lobte die Bank einen Architekturwettbewerb aus, den Mario Bellini, Architekt und Designer aus Mailand, für sich entscheiden konnte. Ausschlaggebend für den Sieg des Italieners waren vor allem zwei Gründe: Er setzte gegen die vorhandenen starken, geometrischen Strukturen der Hochhäuser dynamisch-organische Kontraste, die neue räumliche Spannungen erzeugten. Der zweite und vielleicht maßgebliche Grund war, dass er plante, die Türme „auf den Boden“ zu stellen.Architektonisch zeigt sich dies in der Lobby. Die Kontur der Türme wird als Innenfassade bis unten weiter geführt und verkleidet die Stützen, die zuvor frei im Raum standen. Geschossdecken wurden herausgeschnitten, das Dach verglast und so Tageslicht in den Eingangsbereich geholt und der Blick hinauf zu den Türmen ermöglicht. 1800 m² ehemalige Technikflächen fielen der Maßnahme zum Opfer, zwei Brücken verbinden nun die Türme oberhalb der Erdgeschossebene miteinander.

Offenheit und Transparenz prägen jetzt den Raum – Eigenschaften, die der Deutschen Bank als Bauherr wichtig waren. Dem Prinzip Offenheit folgend ist das gesamte Erdgeschoss im Breitfuß, dem viergeschossigen Sockel, zugänglich für die Öffentlichkeit. Im Brandspace – eine Treppe höher, aber dennoch öffentlich – kann der interessierte Besucher mehr über das Unternehmen erfahren und im Foyer alles über die Künstler und ihre Kunst, die die einzelnen Etagen der Türme bespielen. Zudem befinden sich im Fuß des Komplexes das Mitarbeiterrestaurant und – als hybrider Bereich – die Konferenzzone, die je nach Bedarf öffentlich über das Erdgeschoss oder andersrum, erst nach Passieren des Sicherheitschecks, über die Türme erschlossen werden, beziehungsweise in die jeweils andere Richtung, abgeschlossen werden kann. Hauptaugenmerk des Foyers ist die Sphäre, eine 33 t schwere Stahl­kugel mit über 16 m Durchmesser, die im Zentrum des Eingangsbereiches schwebt. Dieses dreidimensionale Puzzle aus 1 500 Teilen, bei dem keiner der Ringe geschnitten wurde – sie gehen alle durch, verschneiden sich oder verschwinden in der Wand – ist eine Symbiose aus Architektur, Kunst und statischen Möglichkeiten und Symbol des globalen Geschäftsmodells des Hausherren.

Gesamtkonzept Sanierung

Erbaut wurden die Deutsche Bank Türme von 1979 bis 1984, eröffnet wurden sie Anfang 1985. Der Entwurf entwickelt tatsächlich aus einem Quadrat und stammt von ABB Architekten, Walter Hanig, Heinz Scheid, Johannes Schmidt. Es handelt sich um eine massive Betonkon­struktion, die als Tube-in-Tube-Gebäude errichtet wurde. Die Tatsache, dass es sich um ein ther­misch wertvolles Gebäude handelt, kam der Sanierung zugute, die Speichermasse des Betons wurde Teil des Energiekonzepts.

Grundvoraussetzung für die Sanierung der Türme war, dass diese in ihrem formalen Ausdruck nicht verändert werden, da sie Teil der Corporate Identity der Deutschen Bank sind. Die Neuerungen – architektonischer und energetischer Art – durften das Erscheinungsbild allenfalls subtil verändern.

Recycling

Eine hohe Recyclingquote, das war das Ziel der Deutschen Bank, eine Quote von 98,4 % wurde realisiert. In Zahlen bedeutete dies ca. 30000t Material, das bereits in den Etagen getrennt dann über die bestehenden Aufzüge nach draußen transportiert wurde. Diese Einschränkung begünstigte jedoch die lückenlose Dokumentation des Wiederverwertungsprozesses, in der der Weg des Materials in Chargen zu ca. 100 kg nachvollziehbar ist.

Einiges wurde auch direkt im Haus wieder eingebaut, über 20 % der Doppelbodenplatten sind die alten von früher. Anderes, Drehtrommeltüren, Trennwände, Glastüren, wurde weitergegeben, meist an Baustellen mit so­zialem Hintergrund.

Fassade

Neben der Gebäudeform der Türme an sich ist die Fassade der städtebaulich dominierende Faktor. Vollständig verglast spiegelte sie schon immer die Umgebung und sorgte dafür, dass das Gebäude im Stadtbild zwar präsent ist, architektonisch jedoch nicht in den Vordergrund tritt.

Obwohl die Fassade nach der Sanierung genauso aussieht wie zuvor – auch das ursprüngliche Blau wurde wieder erreicht – konnte der solare Wärmeeintrag um ein Drittel, der Wärmeverlust sogar um zwei Drittel reduziert werden. Neu sind die 2 080 elektrisch betriebenen Parallelausstellfenster, die den Nutzern eine individuelle Frischluftzufuhr ermöglichen und gleichzeitig eine lebendige, wechselnde Außenwirkung entstehen lassen.

Wasser

Das am Gebäude anfallende Regenwasser wird gesammelt und für die Verwendung in Urinalen und Toiletten genutzt. Auch die Grünanlagen werden mit Regenwasser versorgt. An den Handwaschbecken verzichtete man auf die Energie verschwendende Vorhaltung von warmem Wasser und bietet nur Fliessendkaltwasser.

Das daraus entstehende Abwasser wird hausintern aufbereitet und als Grauwasser zum Beispiel in den Toiletten einer weiteren Nutzung zugeführt. Überall dort, wo Trinkwasser verwendet wird, installierte man konsequent Wasser sparende Technologien. Das Ergebnis: eine Ersparnis von 44 Mio. Litern pro Jahr. An sonnigen Tagen übernimmt die solarthermische Anlage im Bereich des Gebäudesockels nahezu die komplette Warmwasserbereitung für den Küchen- und Kantinenbereich.

Strom

In erster Linie achtete man darauf, den Strombedarf zu reduzieren. Hierbei wurden vor allem die Bereiche Licht, Aufzüge und IT optimiert. Die Planer setzten beim Thema Beleuchtung nicht auf das Schlagwort LED, sondern entwickelten ein intelligentes Lichtmanagement.

In den Büroräumen sorgen Schwertleuchten mit direktem und indirektem Anteil für die optimale Beleuchtung. Sensoren in der Decke messen die Helligkeit auf dem Tisch und bestimmen den Anteil des Kunstlichts, um zusammen mit dem Tageslichtanteil 300 Lux zu erreichen. Werden die von der Arbeitsstättenrichtlinie vorgesehenen 500 Lux gewünscht, können diese individuell über zuschaltbare Einzelleuchten erreicht werden.

Mit Hilfe von Präsenzmeldern wird die Notwendig­keit von Beleuchtung in einzelnen Zonen innerhalb der Open Space-Flächen der Büroetagen gesteuert. Dieses Lichtmanagement senkte den Energieverbrauch für Licht von über 38 auf 10,7 W/m².

Auch die Aufzüge wurden mit Intelligenz versehen: Die Maschinerie an sich blieb die alte, aufgesattelt wurde smarte Technologie, per Zielruf­steuerung (siehe auch DBZ Ausgabe 07/11) wählt man direkt das gewünschte Stockwerk und bekommt die energetisch sinnvollste Kabine zugewiesen. Unnötige Auf- und Abfahrten werden minimiert, umso mehr noch als die Deutsche Bank das System mit ihren Smartcards verknüpfte.

Der Besitzer einer solchen Berechtigungskarte kann bereits beim Gang durch die Sicherheitsschleuse sein Zielstockwerk angeben – oder es ist auf der Karte gespeichert – und der Fußweg bis zu den Fahrstühlen zählt schon zur Wartezeit, komfortabel für die Nutzer und energiesparend zugleich.

Die Aufzugsmotoren wurden zu Generatoren. Die im Normalfall als Wärme abgegebene überschüssige Energie der Antriebe wird direkt in das hauseigene Stromnetz eingespeist – und beispielsweise für die zehn hauseigenen Elektrotankstellen genutzt. Zusätzlichen elektrischen Strom generieren Photovoltaik-Paneele auf den 45°-geneigten Glasdächern des Breitfußes.

Arbeiten in der Nachbarschaft

Im Jahr 2007 begann die Deutsche Bank mit einer Analyse von ca. 8 000 Arbeits­plätzen an 18 Standorten hinsichtlich der Nutzungsprofile mit Befragung der Mitarbeiter (Time Utilization Study). Festgestellt wurde eine recht stabile Quote von zwei Drittel zu einem Drittel Nutzungsauslastung, das heißt, ca. 60-65 % der Arbeits­plätze sind besetzt, der Rest ist ungenutzt. Auf dieser Basis entwickelte man ein flexibles, non territoriales Arbeitsplatzkonzept. Dabei werden den Abteilungen, in denen eine gewisse Mobilität der Mitar­beiter besteht, weniger Plätze zugewiesen

als es Personen gibt, so dass der Leerstand minimiert wird. Um sinnvolle Arbeitsabläufe, Syner­gien und persönliche Kontakte zu er­halten, wurden die Arbeitsplätze in so genannte Nachbarschaften zusammengefasst, innerhalb derer jeder seinen Platz frei wählen kann. Möglich macht dies die Clean Desk Policy („aufgeräumter Arbeitsplatz“): Jeder Mitarbeiter besitzt einen Rollcontainer und seine persönliche Smartcard, mit der er seinen Arbeitsplatz in Betrieb nehmen kann. Statt am üblichen Personal Computer loggt sich der Mitarbeiter über seine Tastatur und eine kleine schwarze Box (thin client) unter dem Tisch im Rechenzentrum ein und greift dort auf seine Anwendungen zu – neudeutsch heißt das DOD – Desktop on Demand. Im Gebäude selbst befinden sich keine Server, das spart wiederum Energie und Raum. Durch den Einsatz moderner Video-Kon­fe­renztechnik in den Besprechungs­räumen sollen die Ge schäftsreisen minimiert werden, um auch so dem Ziel einer weitgehenden„Null-CO2-Emission” näher zu kommen.

Regelgeschoss

Die Büroetagen haben einen Regelgrundriss. Nahe der Erschließung befindet sich eine Businesslounge mit Küche, daneben folgen Meetingräume, dann Einzelbüros, deren Anzahl, jedoch nicht deren Lage, je nach Bedarf der Abteilung variieren kann. Bei Abwesenheit des Nutzers stehen diese Räume – verglast und ohne Türschloss – der gesamten Nachbarschaft zur Verfügung.

Der Open Space als offene Arbeits­fläche integriert zwei Think Tanks als Rückzugsfläche und Möglichkeit zum vertraulichen Austausch. Daneben gibt es pro Open Space einen zentralen Service Point mit Druckern, Postverteilung und Entsorgung.

Neben den Grundrissen ist auch die Mö­b lierung standardisiert. Es gibt zwei Tisch typen unterschiedlicher Breite, höhenverstellbar, und je weils ausgestattet mit Bildschirm und inte­ grier­ter Arbeitsplatzleuchte.

Das Einrich­tungs­system entwick­elte die Bank entsprechend den eigenen Bedürfnissen gemeinsam mit den Herstellern. Vorgaben waren dabei, es müsse intuitiv verständlich und Kabelsalat nicht zu sehen sein.

Energiekonzept

Obwohl es von außen nicht den Anschein hat, besitzen die Türme eine Loch fassade mit einem Öffnungsanteil von ca. 35 %. Thermisch ist dies ein günstiger Umstand. In den geschlossenen Bereichen wurde die Wärmedämmung optimiert, in die Fenster Dreifach-Isolierverglasung eingesetzt. Die elektrischen Ausstellfenster in jeder zweiten Fensteröffnung lassen sich ca. 12 cm weit parallel aus der Fassade herausfahren – zentral gesteuert oder individuell regelbar. Diese natürliche Belüftung ist ein wichtiger Teil des Energiekonzepts, dadurch konnte die Luftwechselrate der mechanischen Lüftungsanlage (von 6-fach auf 1,5-fach) gesenkt und somit die Betriebszeit und dementsprechend der Energieaufwand in diesem Bereich verringert werden. Obendrein steigert die Möglichkeit zur natürlichen Belüftung den Wohlfühlfaktor der Nutzer. Wichtige Neuerung im Energiekonzept ist die Umstellung von Luft- auf Körperheizung. Die Betonkonstruktion dient dabei als Speichermasse .

 In den Büroräumen wird Wärme bzw. Kälte über Aluminium-Deckensegel, die sich direkt unterhalb der Decke befinden, an den darüberliegenden Beton abgegeben. Die Decke gibt die Temperatur anschließend an den Raum ab. Für dieses Prinzip wichen die vorherigen Installationen unterhalb der Betondecke und die lichte Raumhöhe konnte von 2,65 m auf 3 m steigen. Die Temperierung des in diesem Kreislauf zirkulierenden Wassers wird mit Hilfe einer Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung vorgenommen. Für die Erzeugung der Kühle reicht die Energie im Gebäude, zudem gibt es in beiden Türmen Eisspeicher sowie eine freie Kühlung mit Hybridkühler auf dem Dach, für die kälteren Jahreszeiten nutzt man Wärmerückgewinnung. Reicht diese nicht, deckt Fernwärme den Heizbedarf. Rechnerisch erreichen die Doppeltürme mit diesen Neuerungen eine gute Bilanz: 67 % weniger Heiz- und Kühlenergie pro Jahr versprechen die getroffenen Maßnahmen.

Grüne Beweise

Die Deutsche Bank hat für sich selbst eine global verbindliche Nachhaltigkeitsleitlinie erstellt. Für das Headquarter in Frankfurt setzte man sich selbstverständlich die Messlatte auf das Maximum und erreichte dieses auch:

Die „Greentowers“ erhielten die Leadership in Energy and Environmental Design (LEED) Platinum Zertifizierung und außerdem Gold von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Diese Zielsetzung strebt die Bank nun auch für alle ihre anderen Immobilien an, dabei gilt für die Anmietung neuer Büros LEED Gold und für alle anderen LEED Silber.

Rechenexempel

Selten geht eine Nachhaltigkeitsplanung so tief wie bei der Sanierung der Deutschen Bank Türme: sogar das Restaurant, sprich, die verarbeiteten Lebensmittel, werden in die Bilanzierung miteinbezogen, die Lieferung der Milch für die Kaffeemaschinen in den Lounges der Etagen wurde „intelligent“, also mit möglichst geringem logistischem Aufwand, gelöst und schließlich die Entwicklungsarbeit, die man bei der Sanierung der Doppeltürme geleistet hat, bis ins Kleinste detailliert, so dass dieses Konzept nun weltweit auf alle Standorte übertragen wird. Noch nicht mit hinein gerechnet sind da die „bewussten“  Mitarbeiter, denen mit einem eigenen Zugang zur S-Bahn-Station sowie Stellplätzen für Fahrräder und einer verbesserten städtebaulichen Anbindung an das Frankfurter Westend der Anreiz zu einem umweltfreundlichem Arbeitsweg geschaffen wurde.

Die Maßnahmen sind vielfältig und fast unüberschaubar, überraschend ist vielleicht, dass man allein durch den Einsatz zeitgemäßer Gebäudetechnik im Bestand solch ein Ergebnis erzielen kann. Wie komplex, wie vielschichtig und vor allem wie mühsam der Rechenweg dahinter war, sieht man nicht. Und das ist auch gut so, um keine Nachahmer abzuschrecken. Entscheidend ist natürlich, dass sich das Ergebnis im Betrieb als richtig erweist. Was noch zu beweisen ist. SG

DBZ-Interview mit Holger Hagge, Global Head of Building & Workplace Development der Deutschen Bank AG

DBZ: Herr Hagge, erzählen Sie uns bitte etwas über das Sanierungskonzept für die Deutschen Bank Türme.

In der Deutschen Bank war absolut klar, dass wir das Haus in seinem formalen Ausdruck und mit seiner Bedeutung auch für die Corporate Identity der Bank erhalten wollen. Die Deutsche Bank Türme sind ein Markenzeichen unseres Hauses, sie sind ein markantes Gebäude in der Frankfurter Skyline und werden in den Medien gern als Bild für den Finanzmarkt gezeigt. Deshalb sollten die Deutsche Bank Türme auch nach der Sanierung im Wesent lichen so aussehen, wie sie vorher waren – mit gewissen Änderun­gen, die darauf hinweisen, dass man was getan hat – aber subtil. Ein Beispiel: Wenn Sie jetzt daran vorbeifahren, sehen Sie öffenbare Fenster. Daran erkennt man, dass das Haus natürlich belüftet wird, als Teil des ganzheitlichen Klimatisierungskonzepts. Zweites Beispiel, der Eingang: Mit einem komplett neuen, frei zugänglichen, offenen Foyer und einer Vitrine, wie der Architekt den Eingang nennt, haben wir eine größere Innen-Außen-Beziehung her gestellt und damit architektonisch gezeigt, dass unsere Bank sich mehr als früher öffnet, deutlich transparenter geworden ist.

DBZ: Mussten Sie Kompromisse eingehen dadurch, dass Sie die Corporate Identity behalten wollten oder war alles umsetzbar?

Das einzige, was wir vielleicht noch zusätzlich bei einem Neubau getan hätten – wobei das mittlerweile mit einem Fragezeichen zu versehen ist – wäre Geothermie gewesen. Aber das war hier aufgrund der Bauweise aus den 1970er Jahren nicht möglich. Damals wurden Fundamente noch als Plattengründungen ausgeführt. Durch 4 m dicken Beton zu bohren hätte keinen Sinn gemacht und wäre energetisch nicht effizient gewesen, wir haben davon Abstand genommen. Aber alles, was man in der Balance zwischen formalem Ausdruck und dem, was energetisch möglich ist, machen konnte, haben wir umgesetzt.

DBZ: Wie sah die Projektstruktur aus?

Uns war klar, dass wir nicht die Werkplanung, die Montageplanung und die Detaillierung, Bauantrag etc. mit dem Büro Bellini in Mailand machen können. Also brauchten wir ein Partnerbüro. Deshalb hatten wir den Principal Architect, Bellini, der die Gestaltung vorgab, und wir hatten einen sogenannten unterstützenden Architekten, den Technical Architect, der sozusagen die gesamte Vor-Ort-Arbeit macht: Bauanträge, Werkplanung, Ausführungsplanung, die Verzahnung mit den Fachingenieuren etc. Das haben gmp, die Architekten von Gerkan, Marg und Partner, übernommen. Die Bauleitung haben wir als separates Element ausgeschrieben und aus verschiedenen Gründen auch an gmp vergeben. Beides hat sehr gut funktioniert. Daneben hat uns das Büro Drees & Sommer in der Projektsteuerung unterstützt und die Koordination mit den Planern und Fachingenieuren zu den Bauunternehmen hergestellt.

DBZ: Ist dieses Vorgehen zu empfehlen?

Unsere Erfahrungen sind sehr positiv. Wir haben das ein partnerschaftliches Modell genannt. Was wir nicht wollten war, dass man sämtliche Risiken des Bauens einpreist und uns dann ein Rundum-Sorglos-Paket anbietet, das aber wirtschaftlich überhaupt nicht darstellbar ist.

Stattdessen haben wir gesagt: Lasst uns die Risiken und Bedenken gemeinsam durchgehen, wo können wir euch die abnehmen, wo können wir diese gemeinsam im Falle eines Falles tragen? So wurden Unwägbarkeiten wie Streik, Rohstoffpreise, Witterung herausgenommen. Wir wollten zunächst einen klaren Überblick darüber be­kommen, wie viel für was kalkuliert wird. Anschließend haben wir vereinbart, die Risiken gemeinsam zu tragen und Probleme dann zu lösen, wenn sie tatsächlich eintreten. Das Risiko der Bauausführung, der Qualität, das liegt natürlich beim Bauunternehmen. Aber Risiken, die außerhalb der Ausführung sind, die man üblicherweise hoch ansetzt, um auf der sicheren Seite zu sein, die wollten wir nicht in der Grundkalkulation eingepreist haben.

DBZ: Was nehmen Sie mit in die nächsten Projekte? War das der optimale Weg, geht es in dieser Richtung für Sie weiter?

Ja. So ein Projekt hat man nicht jedes Jahr auf dem Tisch, auch nicht alle drei Jahre. Es ist schon eine Art „Once-in-a-lifetime“-Projekt, ein Haus so nachhaltig und ganzheitlich umbauen zu können. Natürlich kann man das hier Umgesetzte nicht überall genauso anwenden, aber in seinen Kernelementen, in seinen Kernaussagen, in seinen Erfahrungen, den gewonnenen Eindrücken auf jeden Fall.

Daraus entstanden sind Richtlinien und Standards in der Bank, die bereits in weiteren Gebäuden Eingang finden. Zugegeben: Es war schon sehr ambitioniert, mit dem Headquarter anzufangen, aber es ist ja wunderbar gelaufen. Und wahrscheinlich war es genau richtig, diesen zukunftweisenden Umbau an der Konzernzentrale durchzuführen, weil man hier die meiste Aufmerksamkeit und mehr Unterstützung bekam.

DBZ: Inwiefern wird im Gebrauch jetzt noch etwas optimiert?

 Ein Gebäude braucht ein Jahr Vollnutzung, bis klar ist, wie alles reagiert und bis alles eingestellt ist. Das ist aber nicht mehr unsere Aufgabe von Seiten Building & Workplace Development, das ist Sache des Betriebs. Aber natürlich übergeben wir das Gebäude nach einem intensiven Prozess, der jetzt in Kürze abgeschlossen sein wird, an den Betrieb. Und dann hat der Betreiber die Motivation und Aufgabe, weiter zu optimieren. Jedes System lässt sich durchaus weiter optimieren. Man muss sehen, wie sich das realisieren lässt.

DBZ: Gibt es da Vorgaben bezüglich Dokumentation an den Betreiber?

Natürlich. Ganz früh haben wir den Faden „Betreiberaspekt“ mit einfließen lassen. In meinem Team war von Anfang an jemand, der immer alles auch aus Sicht des Betreibers mitgedacht hat, die Planung, die Konzeption, alles. Und auch der Prozess der Übergabe ist schon vor und während des Beginns der Baumaßnahmen überlegt worden. Wie könnte übergeben werden? Wenn wir warten, bis der Bauunternehmer nach den Vorschriften seine Dokumentation übergibt, dann ist es zu spät.

Insofern haben wir gesagt, wir machen eine sogenannte vorläufige Übergabedokumentation, auch wenn die noch nicht in allen Varianten den Paragra­phen und Vorschriften entsprechen kann, weil der Bauunternehmer dafür noch eine gewisse Zeit nach der Abnahme hatte.

Koordiniert wurde dieser Prozess von der Projektsteuerung, damit es da eine ausgleichende Instanz gibt. Inbetriebnahme, Mängelabarbeitung, Dokumentation, Training usw. – das ist ein ganzheitlicher Prozess.

DBZ: Es gibt immer Schwachstellen bei der Übergabe vom Bau zum Betrieb, da fühlen sich viele nicht verantwortlich. Wie kann dieser Punkt besser laufen?

Wir haben dies die „Phase 5“ genannt und eigens dafür einen Führungsstab, eine Kommandozentrale, eingerichtet, in der alle – Betreiber-, Bau-, Sicherheits- und sonstige Aspekte – einfließen. Mit zu Beginn täglichen, später wöchentlichen Meetings, um die Übergabe vom Bau in den Betrieb fließend zu gestalten.

Wir wollten nicht nur vermeiden, dass der Betreiber nicht richtig betreiben kann, sondern auch verhindern, dass die Dinge, die man sich vorgenommen hat – planerisch, konzeptionell, energetisch – am Ende durch mangelnden Wissenstransfer, mangelnde Akzeptanz oder mangelnde Bereitschaft doch nicht umgesetzt werden. Die Bereitschaft dazu, diese Akzeptanz, kann nur durch „andauernde Massage“ und einen fließenden Übergang erreicht werden.

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