Friends Wohnhoch-häuser, München
An den zwei Türmen von Allmann Sattler Wappner schätze ich neben der architektonischen Qualität die von den Bewohnern gemeinsam genutzten Dachterrassen, Fitness-Studios und Wohnküchen.
⇥DBZ Heftpate Eike Becker
Die Zukunft ist urban! Dieser Prophezeiung der Zukunftsforscher ist man in München bislang nur zögerlich gefolgt. Experimente sind nicht gefragt, besonders nicht, was das Wachsen in die Höhe angeht. Doch in Zeiten knappen Baulands und von Wohnungsnot traut man sich, nun neue Wege zu gehen. Ein gelungenes Beispiel, das Schule machen könnte, ist hierbei das Projekt Friends von Allmann Sattler Wappner Architekten.
Das Gebiet
Fleißig drehen sich die Baukräne an der Friedenheimer Brücke. Unter dem Motto „Wohnen und Arbeiten entlang der Bahnachse Hauptbahnhof – Laim – Pasing“ wird Münchens größte innerstädtische Umstrukturierungsfläche seit 2003 entwickelt. Ca. 8 200 Wohnungen sowie rund 21 000 Arbeitsplätze entstehen hier bis 2020, ideal an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Mit 60 ha Fläche ist das Areal „Am Hirschgarten“ das größte Entwicklungsgebiet, weshalb man an dieser Stelle gemäß dem Ansatz „Kompakt, Grün und Urban“ ein Hochhausensemble am Brückenkopf als charakteristisches Tor zur Stadt anvisiert hat. Politisch und in der Öffentlichkeit durchsetzbar war diese Idee nur bedingt, von den fünf geplanten Türmen mit Höhen von bis zu ca. 100 m verblieben immerhin vier Bausteine zwischen 60 bis 80 m Höhe. Und trotzdem ist es nach Fertigstellung auf einmal da, dieses Gefühl von Urbanität, an einer Stelle, die vor ein paar Jahren noch ein verächtliches Naserümpfen hervorgerufen hätte.
Planung
Unter einem guten Stern stand das Projekt nicht von Anbeginn an. Wenn ein neues Stadtquartier aus dem Boden gestampft wird, benötigt es Zeit und das passende Angebot an Nahversorgung und Infrastruktur, um ein Stück lebenswerte Stadt zu schaffen. Besonders die höhere Dichte durch die angedachten Wohnhochhäuser – im ersten Planungsstadium noch für eine reine Büronutzung geplant – wurde in Frage gestellt. Das im nördlichen Baufeld liegende, ebenfalls von Allmann Sattler Wappner Architekten gebaute, „Forum am Hirschgarten“ dient als Büro- und Geschäftsimmobilie mit Mietflächen für Einzelhandel und Gewerbe als wichtiger zentraler Quartierspunkt für
das gesamte Stadtentwicklungsgebiet. Bereits hier wurde im zusammenhängenden Wettbewerb 2008 für beide Areale ein strukturelles Ordnungsprinzip als Grid für alle Fassadengestaltungen konzipiert, das auf die stets wechselnden Parameter einer urbanen Struktur flexibel reagieren sollte.
Als Folge der Finanzkrise lag das südliche Baufeld zunächst brach, die Vermarktung für eine Büroimmobilie an diesem Standort erschien damals ebenso abwegig wie eine angedachte Wohnnutzung, nicht zuletzt aufgrund der lagebedingten Lärm- und Emissionsauflagen. Die anziehende Konjunktur brachte Bewegung in das Projekt: Eine Option auf 30 % Wohnnutzung im Mischkerngebiet war im Bebauungsplan vorgesehen und festgeschrieben, weshalb die LBBW Immobilien Capital GmbH als Projektentwickler eine standortspezifische Marktanalyse für Modelle zukünftigen Wohnens in Auftrag gab.
Architekten, Planer, Projektentwickler und auch Planungsbehörden wurden mit der Fragestellung konfrontiert, wie man zukunftsweisenden Wohnraum schaffen kann, an einem Ort, der zunächst dafür überhaupt nicht vorgesehen war. Und als noch wichtiger wurde die Frage danach angesehen, was ein gutes Wohngebäude wirklich ausmacht. Daraus resultierte dann auch die Anforderung, effiziente Grundrisse zu planen, die mit dem entsprechenden Gestaltungskonzept einerseits eine hohe Wohnqualität auf kleinem Raum und zugleich eine avisierte Rendite ermöglichen. Denn hätte sich das Projekt nicht gerechnet, wäre die gesamte Konzeption als netter Zeitvertreib wahrscheinlich in der Schublade gelandet.
So begann für alle Planungsbeteiligten ein zielorientiertes Ringen um die beste Lösung, zugunsten eines tragfähigen und zugleich flexiblen Zukunftsmodells für das Wohnen. Hinter dem Namen „Friends“ verbirgt sich das an die Sharing Economy angelehnte Prinzip, flächeneffiziente private Wohneinheiten mit einem sinnvollen Angebot von großzügigen Gemeinschaftsflächen und Dienstleistungen zu kombinieren. „Diese effiziente Überlagerung von privaten und gemeinschaftlichen Räumen zum Zweck eines zeitgemäßen Wohnens basiert auf dem Grundgedanken einer modernen und zukunftsweisenden Stadthaustypologie“, erklärt Prof. Ludwig Wappner das gewählte Konzept. „Gerade diese Spielräume, die aus den äußeren Erkenntnissen und Einflüssen entstanden sind, machen das Projekt zu einem gewissen Prototyp, geben den notwendigen Anstoß, mit den Konventionen zu brechen und Mut für Neues aufzubringen.“ Die 1- bis 4-Zimmerwohnungen mit Größen von 45 bis 145 m², die bei Bedarf auch zusammenschaltbar sind, gruppieren sich jeweils um einen mittig liegenden Haupterschließungskern mit notwendigen Techniksträngen. Innerhalb der Wohneinheiten ordnen sich die Wohnbereiche um ein zentrales Modul, auch Cube genannt. Zugunsten der räumlichen Freiheit sind hier die dienenden Bereiche platzsparend zusammengefasst: Bad, WC, Küchenzeile, Stauraum und Ankleide. Auf diese Weise werden Verkehrsflächen obsolet und können durch den fließenden Übergang der Bereiche als vollwertige Wohnfläche genutzt werden. Ergänzt wird das Angebot durch zwei von den Bewohnern nutzbare ca. 200 m² große Dachterrassen, eine voll ausgestattete Kitchen Lounge für größere Feierlichkeiten im Erdgeschoss des Nordturms sowie einen Concierge-Service von der Paketannahme bis zur Erledigung kleinerer Aufträge. Auch wenn die Umplanung von einem Bürogebäude in ein Wohnhochhaus viele Herausforderungen mit sich bringt, einen Vorteil hatte die bereits fortgeschrittene Bürohausplanung, die maßgeblich den Raumeindruck beeinflusst, dann doch. „Die Geschossigkeit und damit die lichte Raumhöhe von 2,80 m war gegeben und konnte nicht mehr in Frage gestellt werden“, schmunzelt Ludwig Wappner, „was bedeutet, dass auch die kleinste Wohneinheit von dieser besonderen Höhe und Offenheit profitiert. Im Sockelgeschoss waren es sogar 4,50 m lichte Höhe, so dass Galerien eingezogen wurden und zur regulären Wohnfläche ein unschätzbarer Mehrwert hinzugekommen ist. Normalerweise sind die Wohnungen in den oberen Geschossen zuerst verkauft, hier waren es die Erdgeschosse.“
Gebäudehülle und Wohneinheiten
Ebenfalls ungewöhnlich für ein Wohnhochhaus ist die Transparenz in der Gebäudehülle. Was in den unteren Bereichen als homogene, auf einem strengen Raster basierende Metall-Glasfassade wahrgenommen wird, ist in den oberen Ebenen durch unregelmäßig gesetzte dreieckige Erker in der Fassade aufgebrochen. Wie eine gezackte Krone rahmen die versetzt zueinander angeordneten Raumerweiterungen die oberen Geschosse und dienen zugleich als Abschluss des Bauwerks. Dieses für die Fassadengestaltung entwickelte Motiv ist identitätsstiftend und bindet die flankierenden Gebäudeteile mit einer Büro- und Hotelnutzung in das Ensemble gestalterisch ein. Beide Hochhäuser entwickeln sich aus einer gemischt genutzten Blockstruktur heraus. So entstehen auch gleichwertige Zugänge und Adressen für alle Hauseinheiten. Die Fassade ist aber auch das Ergebnis eines kreativen Umgangs mit den Festsetzungen im Bebauungsplan. Baurechtlich war es möglich, eine gewisse Anzahl untergeordneter Bauteile als Erker mit einer maximalen Tiefe von 1,50 m über der Fassade zu verteilen. Durch die diagonale Teilung der erlaubten rechteckigen Fläche, die Faltung und Umverteilung über die gesamten Gebäudehöhen entsteht ein einzigartiger Mehrwert für die Innenräume. „Diese zusätzlich gewonnene Wohnfläche schafft durch den entstehenden 180°-Blickwinkel für jede Wohneinheit eine besondere Raumqualität, ohne die Privatsphäre der anderen Bewohner zu tangieren“, erklärt Ludwig Wappner den geschickten Schachzug.
„Nur durch eine Sprinklerung der Häuser konnten wir die raumhohen Öffnungen umsetzen, die extrem wichtig für die erlebbare Raumatmosphäre sind. Die gesamte Stadt wird zur Kulisse der Wohnungen.“ In direkter Nachbarschaft zur Bahnanlage des Hauptbahnhofs, zu einer verkehrsreichen Straße und dem naheliegenden Postzentrum mit Nachtauslieferung spielt der Schallschutz in der Planung eine große Rolle. Viele Gespräche waren notwendig, um die gesetzlich festgelegten Werte und die
Realität in einem machbaren Konzept zu vereinen. In die Elementfassade integrierte Schallfallen sorgen für die
natürliche Frischluftzufuhr, zusätzlich zu einem Festverglasungselement und einem raumhohen Öffnungsflügel mit Absturzsicherung.
Was als Experiment begann, ist dank einer Portion Mut und einer gezielten Marktanalyse geglückt. Die prognostizierten Zielgruppen beleben wirklich das Haus, fast 60 % der Käufer kommen aus München bzw. dem Umland und bewohnen als Eigennutzer ihren urbanen Wohntraum. Eine Entwicklung, die auch Roderick Rauert, während
der Bauphase als Geschäftsführer der LBBW Immobilien Capital GmbH verantwortlich, heute sehr interessiert. Inzwischen in neuer Funktion bei einem Münchner Immo-bilienentwickler aktiv, perfektioniert er zusammen mit dem Büro Allmann Sattler Wappner Architekten die gemachten Erfahrungen in einem neuen Wohnbauprojekt, bei dem die weniger werdenden Bauflächen mit heutigen Bedürfnissen der Wohnungssuchenden in Einklang gebracht werden sollen. Wir dürfen neugierig bleiben. Eva Maria Herrmann, München
Baudaten
Objekt: Friends Wohnhochhäuser
Standort: 80639 München
Typologie: Wohnbau
Bauherr: LBBW Immobilien Capital GmbH
Architekt: Allmann Sattler Wappner Architekten GmbH, München, www.allmannsattlerwappner.de
Mitarbeiter (Team): Michael Frank, Robert Liedgens, Kai Homm, Veronika Stetter
Bauleitung: a + p Architekten, München,
www.ap-architekten.de
Bauzeit: Februar 2014 – Januar 2017
Fachplaner
Tragwerksplaner: bwp Burggraf + Reiminger Beratende Ingenieure GmbH, München,
www.bwpgmbh.de
TGA-Planer: T.P.I. Trippe + Partner Ingenieurgesellschaft mbH, Leinfelden-Echterdingen,
www.tpi-online.de
Fassadentechniker: Feldhaus Fenster+Fassaden GmbH & Co.KG, Emsdetten, www.feldhaus.de/ Heidersberger Fassadenbau GmbH, Greven, www.heidersberger-fassadenbau.de Landschaftsarchitekt: realgrün Landschaftsarchitekten, München, www.realgruenlandschaftsarchitekten.de
Brandschutzplaner: a + p Architekten, München, www.ap-architekten.de
Projektsteuerung: Drees & Sommer München GmbH, München, www.dreso.com
Bauphysik: PMI GmbH, Unterhaching,
Projektdaten
Grundflächenzahl: 0,92
Geschossflächenzahl: 4,75
Brutto-Grundfläche: 29 469 m²
Brutto-Rauminhalt: 104 626 m³
Baukosten (nach DIN 276)
Gesamt brutto: 53,8 Mio. €
Hersteller
Fensterrahmen: Schüco International KG,
www.schueco.com
Beschläge: FSB Franz Schneider Brakel GmbH + Co KG, www.fsb.de
Sonnenschutz: WAREMA Renkhoff SE,
www.warema.de
Türen: Schüco International KG, www.schueco.com
Holztüren: Lindner Group KG,
www.lindner-group.com
Trockenbau: Siniat, www.siniat.de