Festlich schönes Wiedersehen
Wer kennt das Paar Christo und Jeanne-Claude nicht, die gerne „Verpackungskünstler“ genannten und damit weit unterschätzten Arbeiter an der Wirklichkeit, die sie wie kaum andere Künstler präsent haben werden lassen in der Natur, in den Städten und deren Gärten oder Parks?
Angefangen haben beide mit Packages, irgendwie unheilvoll, jedenfalls geheimnisvoll gemachten Verpackungen von Irgendetwas in ölig schimmenden Folien, fest und rutschsicher gehalten von Paketbändern, die eine innere (Un-)Form markiert haben. Jeanne-Claude, die 2009 bereits verstarb, hatte bei ihrem ersten Treffen mit Christo eine Gänsehaut, als dieser ihr seine dunkle Wohnung in New York öffnet, in der all diese verschnürten Gegenstände lagerten und so aussahen, als wollte sie wirklich niemand auspacken. Oder doch?
Verhüllen, um zu entschleiern, das war damals kein neues künstlerisches Konzept, aber wohl niemand hat es derart perfektioniert wie das Künstlerpaar, das nicht nur den Tag der Geburt gemeinsam hatte, sondern offensichtlich auch die Sicht auf die Welt, wie sie auch sein könnte. Verpackt. Eingepackt. Umhüllt. Neugeformt, verfremdet, charakterisiert, wesentlich gemacht. Jedes ihrer Projekte – manche davon haben Jahrzehnte gebraucht, bis sie realisiert werden konnten - sei „wie ein Stück unseres Lebens“ gewesen, so Christo in der Rückschau, für manchen von uns kann das möglicherweise ebenso sein. Der verhüllte Reichstag in Berlin beispielsweise oder die goldgelben Stege im Lago Iseo in Oberitalien, die 2016 Hunderttausende anzogen. Oder die verpackte Pont Neuf in Paris, die Gates im Central Park New Yorks und das unglaublich poetische Projekt der Verhüllten Bäume in Riehen/Basel.
Für viele wird mit dieser bilderreichen Publikation eine Art Wiedersehen möglich, Erinnerungen an die großartigen Begegnungen mit diesem ausgewöhnlich authentischen Werk, das auf den großformatigen Seiten lebendig wird. Der hier ebenfalls ausführlich zelebrierte Blick auf die frühen Arbeiten baut dem Christo-Jeanne-Claude-Einsteiger eine schöne Brücke ins tiefere Verständnis dieser immer öffentlichen Arbeiten, die sich einer Musealisierung und durchgehenden Vermarktung durch ihre Größe und das Temporäre widersetzen. Und die so sehr wie kaum ein anderes Werk die Architekten, die Architektur, die ganze Welt ins Spiel gebracht haben und das noch machen, denn Christo ist lebendig wie nie!
Neben der umfassenden fotografischen Dokumentation durch Wolfgang Volz, die auch unscharfe sw-Fotos der beiden Künstler beinhaltet, deren ganzer Gestus jedoch den Bildfehler mehr als nur verzeihlich macht, enthält das Buchschwergewicht neben der aktualisierten Einleitung von Paul Goldberger auch ein längeres, teils sehr bewegendes Gespräch zwischen dem Künstlerpaar und dem Autor kurz vor Jeanne-Claudes Tod Ende 2009. Es gibt ein Werkverzeichnis, Literatur und eine unverständlich entpersönlichte, vor allem auf das Werk zielende Biografie.⇥Be. K.