Der neue Frankfurter Stil
Bürogebäude Forty­seven, Frankfurt a. M.

Im Herzen des Frankfurter Bankenviertels entstand eine von Deutschlands größten, freitragenden Natursteinfassade. Der achtgeschossige Büroneubau besticht durch seine Schmuckfassade aus Kalkstein, die ein komplexes Spiel mit geometrischen Formen, Mustern und Schattenlinien erzeugt.

Bis zur fast vollständigen Zerstörung im 2. Weltkrieg zog Frankfurt, neben Heidelberg, eine große Zahl von Touristen an. Viel von dem Charme des Stadtbilds wurde beim Wiederaufbau noch weiter zerstört. Dem Bauplatz Mainzer Landstraße 47 blieb dieses Schicksal ebenfalls nicht erspart. Der Neubau, der dort in den 1960er-Jahren entstand, setzte sich mit seiner Vorhangfassade und den horizontal verlaufenden Fensterbändern durch nichts von dem ihn umgebenden baulichen Mittelmaß ab. Dass dieser regionale Aufguss des Internationalen Stils nicht mehr die heutigen funktionalen wie ästhetischen Anforderungen erfüllt, erkannte der Käufer der Immobilie 2012. Er beauftragte Manfred Wenzel von TEK TO NIK Architekten mit einer Studie über die Möglichkeiten einer Revitalisierung. Um den Anforderungen des Frankfurter Büromarkts in dieser Bestlage zu entsprechen, mussten kleine Flächeneinheiten von 150–400 m² geschaffen werden. Eine Umfeld-analyse im Bankenviertel ergab, dass die Mindestgröße zur damaligen Zeit bei 600 m² lag. Diese geforderte Flexibilität und ein erneuter Eigentümerwechsel machten einen Neubau unumgänglich.

Der Weg zur selbsttragenden Natursteinfassade

Die neue Eigentümergemeinschaft setzt sich aus dem Frankfurter Projektentwickler Max Baum und Competo Capital Partners GmbH aus München zusammen. Beide waren zu dem Entschluss gekommen, das Projekt als eine Arge aufzulegen. Die architektonische Planung sollte von TEK TO NIK erbracht werden, die Fassade dagegen von einem speziell damit beauftragten Büro. Da das Ergebnis der Fassadenstudie nicht die gesetzten Anforderungen erfüllte, lobte der Entwickler 2013 einen geladenen Fassadenwettbewerb aus, denn ein wesentlicher Teil des zukünftigen Projekterfolgs wurde einer ansprechenden Fassade zugeschrieben. Auch diesmal überzeugten die Architekten von TEK TO NIK mit der von ihnen entworfenen Fassadenvariante. Allerdings erkannte der Bauherr erst nach dem Zuschlag an das Büro, dass es sich um eine Natursteinfassade und nicht, wie angenommen, um eine aus Betonelementen handelte, wie Manfred Wenzel erläutert: „Obwohl wir in der Ausschreibung mehrfach darauf hingewiesen hatten, dass es sich um eine Natursteinfassade handelt, glaubte man uns dies nicht so ohne weiteres. Umso erfreuter war man dann, als sich die Fassade, so wie wir sie entworfen hatten, als machbar, also als finanzierbar und baubar erwies. Denn auch für den Projektentwickler stellte eine Natursteinfassade eine weitaus höhere Wertigkeit als eine Fassade aus manch anderem Material dar.“

Der Weg zur Natursteinfassade kann jedoch im Rückblick als durchaus zielgerichtet und gradlinig beschrieben werden, da zu allen Zeiten der Projektentwickler und die mit der Ausführung der Fassade beauftragte Firma Hofmann Naturstein hinter den Architekten und dem Projekt standen.

Fassadenaufbau

Aus der direkten Zusammenarbeit der Architekten mit dem Projektentwickler Max Baum, Anton Gerstner von Hofmann Naturstein und den Ingenieuren von Bollinger + Grohmann ging die Entwicklung und Planung der Natursteinfassade in portugiesischem Kalkstein hervor. Um absolute Sicherheit zu haben, dass eine 625 m² große, freitragende Fassade nicht kostengünstiger mit Betonelementen realisierbar sei, wurde ein Betonwerk anfragt. Dessen Antwort war eindeutig: Die sch­­malen Profile, die als Raster die 64 quadratischen Fensteröffnungen mit dem Maß 3 x 3 m umgeben, hätten nicht ausreichend Bewehrung in den Knotenpunkten aufnehmen können. Weiterhin versicherte Hofmann Naturstein dem Bauherrn, dass die Fassade im Kostenrahmen läge und somit finanzierbar und montierbar sei.

Die CAD-Planung der Architekten wurde direkt an die Natursteinexperten von Hofmann Naturstein übermittelt und die Tragwerksingenieure legten das Stahlbetonskelett – an dem jedes Fassadenteil mit Hilfe von zwei Edelstahldornen fixiert wurde – mit der entsprechenden Präzision aus. Auf Grund der guten Koordination aller Prozessbeteiligten ergab sich auch kein Verschnitt. Die 50 verschiedenen Einzelteile der Fassade, viele bis zu 3 m lang und 800 kg schwer, ergeben an Ort und Stelle ein riesiges, nahezu fugenloses Natursteinpuzzle, wodurch die Homogenität der Fassade unterstrichen wird.

Die Logik der Fassadenkomposition beruht auf dem besagten Raster bzw. den 64 Feldern eines Schachbretts, welches von einem 1 m breiten Band aus gratiniertem, beigem Kalkstein umrahmt wird. Das Raster selbst ergibt sich aus dreidimensional vor- und zurückspringenden Lisenen. Die Lisenen von vier Fenstern bilden jeweils einen 6 m positiv aus der Fassade hervortretenden Stern. Die Kreuzpunkte sind gleichzeitig Knotenpunkte. Dieses Fensterkreuz mit vier Fens-tern über zwei Geschosse ist das Grundthema der Gestaltung. In dessen Variation liegt die Struktur und die Rhythmik der Fassade. Daraus leitet sich auch ihre ausgesprochene Lebendigkeit ab. Denn aus unterschiedlichen Perspektiven ergeben sich immer neue Fassadenbilder. Nicht unähnlich der britischen Op-Art entstehen in den Augen des Betrachters ständig wechselnde Muster: ein facettenreiches Spiel mit Naturstein.

Fertigung und Montage

Manfred Wenzel besuchte das Hofmann Natursteinwerk in der Nähe von Würzburg persönlich, um herauszufinden, ob Naturstein ein geeignetes Material für die Fassade der Mainzer Landstraße 47 sei. Der sich anschließende Dialog zwischen Architekt und Natursteinexperten ergab eine vorteilhafte Symbiose bei der Planung, der Fertigung und dem Verbau von 60 m³ Naturmassivstein mit einem Gewicht von insgesamt 116 t. Spezielle 5-AchsFertigungstechnik frästen die Lisenen kubisch. Sie sind vertikal und horizontal diagonal dreidimensional angeschnitten, was ihnen zu einem prägnanten Schattenwurf verhilft. Da es sich um eine Nordfassade handelt, ist der Effekt genau kalkuliert und verleiht der Fassade eine zusätzliche Tiefe und Anschaulichkeit.

Die engen Bedingungen auf der Baustelle verhinderten eine Lagerung und so mussten die Steine per LKW just-in-time geliefert und sofort mit Hilfe eines Hebewerkzeugs punktgenau an Ort und Stelle montiert werden. Für die Montagemannschaft, die das Verkleben von Natursteinplatten an Fassaden gewohnt war, stellte die solide Naturstein-fassade in der Form einer hochwärmegedämm-

ten Vorhangfassade eine komplett neue Erfahrung dar. Sobald aber die Monteure den Dreh raushatten, ging der Fassa­denaufbau problemlos und mit höchster Präzision vonstatten.

Ästhetik und Funktionalität

TEK TO NIK Architekten kombinierten geschickt plastisches Volumen mit formaler Eleganz bzw. Understatement. Die Fassade der Mainzer Landstraße 47 besticht durch ihre klare Gliederung, eine ungewöhnliche Tiefe wie auch Detaillierung. Die Lesbarkeit wird zudem nicht durch störende Elemente beeinträchtigt, wie z. B. Regenrinnen und sonstige Entwässerungsvorrichtungen oder Sonnen- und Brandschutz. Bedingt u. a. durch das kompromisslose Fassadenkonzept entstehen Assoziationen, die Fassade sei von einem leicht schwingenden Gewebe oder Netz zusammengehalten.

Das mit LEED Gold ausgezeichnete Bauwerk ist in jeder Hinsicht ein absoluter Prototyp: gestalterisch, bautechnisch und materiell verleiht es in seiner Dreidimensionalität der sonst uninspiriert wirkenden Mainzer Landstraße etwas von der Noblesse eines Stadtraums, den wir heutzutage meist nur noch in Altstadtquartieren antreffen. Vielleicht ein Grund mehr, dass die Frankfurter Bürger und die Fachwelt die Fassade der Mainzer Landstraße 47 in ihrer
Einzigartigkeit mit großem Zuspruch aufnehmen.
Christian Brensing, London / Berlin

Baudaten

Objekt: Büro- und Geschäftshaus Fortyseven
Standort: Mainzer Landstraße 47, Frankfurt a. M.
Bauherr: Projektgesellschaft Mainzer Landstraße 47, Max Baum Immobilien und Competo Capital Partners GmbH, München
Nutzer: GLS Bank, verschiedene Unternehmen
Architekten: TEK TO NIK Architekten,Manfred Wenzel, www.tektonik.net; Generalplaner GmbH, Frankfurt a. M.
Mitarbeiter: Andrea Aretz, Nil Eroglu, Ilnur Arslanov, Stephan Kessler, Arne Steuck, Jan Dreher
Bauleitung: Dobberstein Architekten, Frankfurt a. M., www.dobberstein-architekten.de
Generalunternehmer: Adam Hörnig Baugesellschaft mbH & Co. KG, Aschaffenburg, www.hoernig.de
Bauzeit: Februar 2014 – Februar 2015

Fachplaner

Natursteinarbeiten/Fassadentechniker: Hofmann Naturstein GmbH & Co. KG, Werbach-Gamburg,
www.hofmann-naturstein.com
Tragwerkplaner: B+G Ingenieure, Frankfurt a. M., www.bollinger-grohmann.com/de
Akustikplaner: Ingenieurbüro Goritzka Akustik,
Leipzig, www.goritzka-akustik.de
TGA-Planer: Pahnke + Partner Ingenieurgesellschaft MBH, Karben, www.pahnke-partner.de
Energieplaner: Golisch Bauphysik GmbH, Lorsch, www.golisch-bauphysik.de
Brandschutz-Planer: BBS – Kerstin Görhs GmbH, Lorsch, www.goerhs.de

Projektdaten

Grundstücksgröße: ca. 990 m²
Gebäudehöhe: ca. 30 m
Nutzfläche gesamt: 4 872 m²
Hauptnutzfläche: 3 910 m²
Nebennutzfläche: 441 m²
Technische Funktionsfläche: 102 m²
Verkehrsfläche: 435 m²
Brutto-Grundfläche: 5 226 m²
Brutto-Rauminhalt: 14 638 m³

Baukosten

KG 600: 6 Mio. €

Energiebedarf

Primärenergiebedarf: 94 kWh/m²a
Endenergiebedarf: 67,8 kWh/m²a

Hersteller

Dach: Agglotech Spa, www.agglotech.com
Fenster (Structural Glazing Fassade):
Schüco International KG, www.schueco.com
Außenliegender Sonnenschutz:
Roma, www.roma.de
Wand: Knauf Gips KG, www.knauf.de
Türen/Tore: Schörghuber Spezialtüren KG,
www.schörghuber.de;
Puro Line Innentüren, www.innentueren.de;
Resopal GmbH, www.resopal.de;
Hörmann KG Verkaufsgesellschaft, www.hoermann.de
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