Dichte Dächer
Langlebige Dächer mit feuchtevariablen Dampfbremsen

Geneigte Dächer zählen seit Jahrhunderten zu unserer Baukultur, weil sie ästhetisch die ansprechendste Variante des oberen Gebäudeabschlusses sind. An sie stellte man jedoch nur mäßige Wärmeschutzforderungen, die mit heutigen Maßstäben nicht vergleichbar sind.

Selbst die Anforderungen der ersten Wärmeschutzverordnung aus dem Jahre 1977, die ja die Absichten des ersten Energieeinspargesetzes umsetzte, ließen sich noch mit Dämmdicken zwischen 8 und 10 cm zwischen den Sparren bewerkstelligen. Da die Sparrenhöhen aus statischen Gründen meist 12 cm und mehr betrugen, hatte man automatisch belüftete Dächer. Die Anforderungen an den Wärmeschutz nahmen in der Folge mit steigenden Energiepreisen weiter zu und bald kamen die dazu notwendigen Dämmdicken in Konflikt mit den vorhandenen Sparrenhöhen, insbesondere stand bald kein Belüftungshohlraum mehr automatisch zur Verfügung. Vorübergehend vermehrt auftretende Feuchteschäden wurden zunächst dieser fehlenden Belüftung in die Schuhe geschoben, bis eine intensive Beschäftigung mit der Physik des Steildachs die erforderliche Aufklärung brachte und allgemein anerkannte Fachregeln zum schadens­freien Aufbau von Sparrendächern führten.

Aus anderen Bereichen am Bau wusste man bereits, dass gedämmte Außenbauteile auch ohne Belüftung schadensfrei funktionieren, zum Beispiel Flachdächer und Wärmedämmverbundsysteme. Die fehlende Belüftung konnte deshalb nicht die Ursache für die Feuchteprobleme sein. Die intensive Beschäftigung mit der Bauphysik des geneigten Daches führte zu folgenden Erkenntnissen: Geneigte Dächer funktionieren mit und ohne Belüftung. Dabei stellte sich sogar heraus, dass das oberseitige Belüften der Dämmschicht unter dem Gesichtspunkt der Holzfeuchte schädlicher ist als das Fehlen eines solchen Kontaktes zur Außenluft. Denn im Winter kann durch Luftströmung durchaus von außen Feuchte in ein solches belüftetes Bauwerk eingetragen werden.

Rangfolge der Gefahr durch Feuchte bei geneigten Dächern

Der größte Feuchteangriff auf die Konstruktion durch Eindringen von Wasserdampf aus dem Rauminnern erfolgt nicht über Diffusionsvorgänge durch die geschlossenen raumseitigen Bekleidungen und eingebauten Dampfbremsen, sondern über deren Undichtigkeiten an Stößen, Überlappungen und Anschlüssen an die angrenzenden Bauteile. Über eine einzige solche Undichtigkeit kann im Laufe eines Winters das Hundert- bis Mehrtausendfache an Wasserdampf in die Konstruktion eindringen als über Diffusionswanderung. Bedauerlicherweise verteilt sich der so einströmende Wasserdampf in der gesamten Konstruktion, findet jedoch bei Änderung der Feuchtesituation im Sommer nicht mehr den Weg über das Leck zurück. Gestützt auf diese Erkenntnisse wurden dann die Vorschriften zur luftundurch­lässigen Ausführung von Außenbauteilen zunehmend ernst genommen und fan­den Eingang in die geltenden Bauvorschriften.

Praxisprobleme und individuelle Lösungen

Bei der energiesparenden Bauweise von geneigten Dächern begegnen uns in der Praxis drei verschiedene Aufgaben:

die energetisch optimierte Konstruktion von Neubauten nach der EnEV oder gar nach höheren Ansprüchen, wie z. B. als Passivhaus,

die Sanierung bestehender Dachkonstruktionen beim Um- oder Ausbau von der Raumseite her,

die Sanierung bereits bewohnter Dachgeschosse von der Dachseite her im Zuge von Umdeckungsmaßnahmen.

Bei allen dreien gibt es unterschiedliche Risiken, was den Feuchteschutz der Dachkonstruktion anbelangt und somit unterschiedliche Prioritäten, die bei der Planung und Ausführung zu beachten sind:


Neubau - Planung und Anwendung

Die Sparrengefache werden voll mit Dämmstoff gefüllt, überwiegend mit Mineralwolle wegen der leichten, wärmebrückenfreien Anpassbarkeit an die unregelmäßig verlaufen­den Sparrenseiten. An der Unterseite verlegt man eine Dampfbremse, die mittels Klebe- und Dichtmaterialien zur luftundurchlässigen Schicht ausgebildet wird.

Dabei ist darauf zu achten, dass deren Diffusionswiderstand deutlich größer ist als derjenige der Unterdeckbahn oder des Unterdaches, die den Austritt des Wasserdampfes behindern. Damit soll gewährleistet sein, dass an der Oberseite immer mehr Wasserdampf aus der Dachkonstruktion austreten kann, als raumseitig in sie eindringt.

Diese Ausführungen funktionieren nur unter zwei wesentlichen Bedingungen: Die Holzfeuchte liegt beim Einbau bzw. vor dem innenseitigen Abschluss der Konstruktion in dem von der Norm erlaubten unschädlichen Bereich und die Dampfbremse wird dauerhaft luftdicht an der Innenseite ausgeführt. Ist eine der beiden Bedingungen verletzt, kann es unter Umständen doch zu Feuchteschäden, Schimmelbildung, Fäulnis, etc. kommen. Neuartige, so genannte feuchtevariable Dampfbremsfolien schaffen selbst bei zu hoher Holzfeuchte ein beachtliches Maß an zusätzlicher Sicherheit. Sie passen ihr Verhalten der jeweils gebotenen Feuchtesituation an, d. h. im Winter sind sie relativ dampfdicht und lassen wenig Wasserdampf aus dem Innenraum in die Konstruktion, im Sommer sind sie diffusionsoffen und unterstützen das Austrocknen der ggf. feuchten Holzbauteile, indem sie die Diffusion auch zum Innenraum hin ermöglichen. Damit funktionieren sogar Dächer mit einer stark diffusionshemmenden Deckung, wie z. B. Blech.

Steildachsanierung von der Innenseite

In vielen Fällen werden heute Dachgeschosse nachträglich ausgebaut oder bereits ausgebaute Dachgeschosse werden renoviert und bei dieser Gelegenheit von der Raumseite her neu nach energiesparenden Maßstäben gedämmt. Dabei nutzt man gern den vollen zur Verfügung stehenden Sparrenhohlraum aus und dämmt die Sparrengefache voll aus. Bei dieser Anwendung entfällt das Risiko des evtl. zu feuchten Holzes wie im Neubau, jedoch erhöht sich das Risiko der nicht perfekten Luftundurchlässigkeit: In bestehende Konstruktionen lassen sich funktionstüchtige Dichtmaßnahmen ungleich schwieriger einbauen als in gut geplante Neubauten.

Als weiterer Unsicherheitsfaktor bei Sanierungen von der Raumseite her kommt oftmals die Unkenntnis über die Diffusionseigenschaften der Altkonstruktion an der Dachoberseite hinzu, also auch hier zwei Risiken, die das Leben schwer machen können. Feuchtevariable Dampfbremsen bieten für beide Risiken einen deutlich erhöhten Schutz gegenüber herkömmlichen Dampfbremsen mit starrem Dampfbremswert.

Dampfbremsfolien bei energetischen Steildach-Sanierungen von der Dachseite

Weitaus wichtiger als bei neu gedämmten Dächern und bei Sanierungen von der Raumseite her sind diese feuchtevariablen Dampfbremsen jedoch bei der nachträglichen energetischen Sanierung von unzureichend gedämmten Altbauten von der Dachseite her.

Sehr elegant lässt sich nämlich eine solche energetische Sanierung von der Dachseite her bewerkstelligen, z. B. im Zuge der Erneuerung der Dacheindeckung. Damit solche Sanierungen keine Feuchteschäden nach sich ziehen, muss sicherheitshalber von oben her eine Dampfbremse dicht verlegt werden, bevor man die neue Dämmung einbringt; man kennt in den meisten Fällen den Zustand des alten Aufbaus an der Innenseite hinsichtlich Luftdichte und Diffusionsverhalten ja leider nicht im Detail. Deshalb ist eine vollflächige luftdichte neue Dampfbremse, von oben verlegt, eine für alle Eventualitäten sichere Maßnahme. Am einfachsten gelingt dies, wenn man die Dampfbremse in einem Zug in die Gefache und über die Sparren verlegt.

Bei herkömmlichen Dampfbremsen mit einem konstanten Diffusionswiderstand hat man dann natürlich ein Dilemma: im Gefachbereich unter dem neu einzubringenden Dämmstoff sollte der Widerstand gegen das Eindringen von Wasserdampf möglichst hoch sein. An der Oberseite der Sparren sollte er dagegen möglichst niedrig sein, damit sich im Sparren kein Wasser ansammelt und Schimmel bzw. Fäulnis unterstützt. Da ein einziger Wert nicht gleichzeitig hoch und niedrig sein kann, hat man quasi die Wahl zwischen Pest oder Cholera – in jedem Fall keine optimale Lösung.

Problemlöser Dampfbremse

Diese bieten dagegen die bereits erwähnten feuchtevariablen Dampfbremsen. Sie besitzen einen Diffusions­widerstand, dessen Wert sich nach der relativen Luftfeuchte, d. h. dem relativen Wasserdampfgehalt, in ihrer Umgebung einstellt: niedrige relative Feuchte bewirkt hohen Widerstand, hohe relative Feuchte niedrigen ­Widerstand.

Erfreulicherweise ist dieses Verhalten gerade dasjenige, was uns bei der Lösung des Problems hilft: Im Winter, wenn die warme Raumluft absolut mehr Wasserdampf enthält als die kalte Außenluft und dieser deshalb von innen nach außen wandern möchte, ist die relative Feuchte im Innenraum gering. Deshalb beklagen wir uns ja auch über zu trockene Luft in beheizten Räumen und versuchen mit Befeuchtungsgeräten ein für uns angenehmeres Raumklima zu erzeugen. Der Mensch reagiert auf die relative Feuchte der Luft wie die feuchtevariablen Dampfbremsen oder Klimamembranen, wie sie auch genannt werden.

In der kritischen Zeit im Winter hat die feuchtevariable Dampfbremse deshalb einen hohen Widerstandswert und bremst das Eindringen von Wasserdampf in die Konstruktion. An der Oberseite des Sparrens dagegen, wo möglicherweise angesammelte Feuchtigkeit nach außen dringen will, verringert sich aufgrund der sich dort ergebenden hohen relativen Feuchte der Dampfdichtheits-Wert der Dampfbremse (sd-Wert) und diese kann dem Austrocknen kaum einen Widerstand entgegensetzen. Die Konstruktion wird dadurch sicherer.

Mittlerweile liegt eine Vielzahl von vergleichenden Untersuchungen über das Verhalten von Dampfbremsen in geneigten Dächern vor, die alle wissenschaftlich belastbar beweisen, dass feuchtevariable Dampfbremsen die Sicherheit der Konstruktion in Bezug auf trockenes Sparrenholz maßgeblich unterstützen. Beispielhaft seien Ergebnisse aus dem Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP) angeführt, die jedoch in ähnlicher Weise an anderen Orten wiederholt wurden. Alle Untersuchungen unterstreichen die Überlegenheit feuchtevariabler Folien gegenüber solchen mit konstantem Dampfbremswert. Auch kürzlich durchgeführte rechnerische Untersuchungen an Dachkonstruktionen zeigen erneut die Überlegenheit der feuchtevariablen Dampfbremse im Vergleich zu handelsüblichen Folien konstanten Diffusionswiderstandes.

Vorsicht vor Etikettenschwindel

Neuerdings tauchen nun Anbieter von Dampfbremsen mit konstantem Wert auf, die ihre Umwelt glauben machen wollen, dass ihre Folien den feuchtevariablen gleichwertig seien.

Schaut man sich die ausgewählten Beispiele und die Beweisführung genauer an, so merkt man die Absicht und ist verstimmt. Als Beispiel für die „Gleichwertigkeit“ bei der Dämmung von Dächern im Neubau wählt man einen völlig unkritischen Fall mit Randbedingungen, wie sie die Norm erlaubt: Diffusionswiderstand bei der Dampfbremse höher als derjenige der Unterdeckbahn, Holzfeuchte im zulässigen Bereich. In solchen Fällen funktionieren alle am Markt gängigen Aufbauten, wenn nur für die luftundurchlässige Verlegung auf der Raumseite gesorgt ist. Für solche unkritischen Fälle wurden feuchtevariable Folien ja gerade nicht entwickelt, sondern für ungewollt feuchtere Hölzer und/oder verbliebene Undichtigkeiten, die zur Abweichung vom Normverhalten führen. Besieht man sich den zweiten Gleichwertigkeitsnachweis, nämlich den für eine Dachsanierung, von oben näher, so gelingt dieser „Beweis“ nur dadurch, dass man die Entwicklungen des Mittelwertes der Holzfeuchte des gesamten Sparrens bei Einbau konstanter oder variabler Folie miteinander vergleicht.

Mittelwertbetrachtungen können in manchen Fällen in Sicherheit wiegen, wenngleich die tatsächliche Gefahr von einzelnen kritischen Stellen abhängt: Was hilft einem 1,75 m großen Nichtschwimmer die Auskunft, dass ein See im Mittel 1,50 m tief ist, bei der Entscheidung, ob er ihn durchwaten soll? Wenn er an einzelnen kritischen Stellen auf Tiefen von 2 oder 3 m treffen kann, hätte er bei alleinigem Vertrauen auf den Mittelwert mit seiner Entscheidung zum Loswaten sicherlich ein höchst riskantes Unternehmen gestartet. Ähnlich gefährlich kann es einem in der Baupraxis ergehen, wenn man statt der kritischen Stellen den Mittelwert betrachtet. Betrachten wir die Innentemperatur einer Außenwand, so ergeben sich deutliche Unterschiede zwischen dem Mittelwert der Wandflächen, einer Gebäudeecke oder gar dem Wandbereich hinter einem Kleiderschrank. Auch in diesem Beispiel ist es ratsam, die Wärmeschutzaufwendungen nach der kritischsten Stelle zu bemessen, wenn man keine bösen Überraschungen erleben will. Genau so ist bei der Sparrenfeuchte der Mittelwert überhaupt nicht die Frage, die interessiert. Für die Schadensfreiheit ist vielmehr entscheidend, ob die besonders kritischen Bereiche an den Sparrenoberflächen über längere Zeit die Gefährdungsgrenze der Holzfeuchte überschreiten und so den Nährboden für Schimmel und Fäulnis bieten können. Zieht man jedoch diese kritischen Bereiche zum Vergleich heran, so ergeben sich durchaus deutliche Unterschiede zwischen feuchtevariablen Dampfbremsen und solchen mit konstantem Wert. Die Sparren mit feuchtevariablen Folien trocknen rasch aus und die mit Folien mit konstanten Werten (von sd = 2 m oder gar sd = 5 m) bleiben über zwei oder mehr Winter eine Quelle der Gefährdung.

Fazit

Feuchtevariable Dampfbremsen sind in kritischen Situationen am Bau, wie sie im handwerklichen Alltag nicht gänzlich zu vermeiden sind, die zusätzliche Versicherung gegen unerwünschte Feuchteschäden und bieten deutlich höheren Schutz und die Gewähr für langlebige trockene Dachaufbauten. So wie man bei optimalen Umweltbedingungen und sorgfältiger Fahrweise auch heute noch mit historischen Fahrzeugen – ohne Airbag, ABS oder ESP - sicher an das gewünschte Ziel gelangt, wenn auch in möglicherweise längerer Zeit, bevorzugen die meisten Menschen doch verständlicherweise die Gürtel und Hosenträger, die uns die Automobilindustrie für unsere liebsten Fortbewegungsmittel anbietet. Warum sollten wir bei der Sicherheit für unsere Häuser geringere Maßstäbe anlegen?

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