Buchbinderisch fragwürdig

Sagen Bilder wirklich mehr als 1 000 Worte? Und wenn man die Bilder mit Worten anreichert: Wird das am Ende mehr oder eher weniger? Oskar Leo Kaufmann hat nun etwas gemacht, das nicht häufig von Architekten gemacht wird, aber tatsächlich eigentlich ihr Ding ist: Er nimmt sämtliches Bildmaterial – also Pläne, Visuals, Grafiken und Fotos – und druckt diese unbearbeitet ab. 69 Projekte und Arbeiten aus den Jahren 1996–2012, hier im Buch in absteigender Zeitfolge abgedruckt auf suggestivem Großformat.

Keine Einleitung, kein Vorsatz oder Impressum und auch nicht all die sonst so gern gemachten Präliminarien, die sich traditionell in dicken Büchern finden, direkt nach dem Aufklappen geht es los: „Pädagogische Hochschule Tirol, Offener Wettbewerb, 1. Preis“. Kein Hinweis auf Projektbeteiligte, keiner darauf, ob und wann das Projekt realisiert wurde. Und Halt: So schnell wie beschrieben, gelangt man gar nicht In medias res. Die Projektedokumentation besteht buchbinderisch aus zwei an ihren jeweiligen Längsseiten verbundenen Teilen, die erst zueinander geklappt werden müssen. Dann erst, parallel oberes und unteres Buch Seite für Seite geblättert, ergibt sich eine schönes Überformat, auf dem die Zeichnungen, vor allem aber die Fotos der eleganten Holzbauprojekte beeindruckend detailliert und selten so schön präsent vor Augen stehen.

Dass dabei manchmal die Schnittlinie zwischen den Bänden irritiert und man auch mal falsche Seitenteile (zu etwas ganz Neuem?) zusammenbaut, wirft Fragen auf. Auch die, ob es wirklich eine gute Idee ist, 60 g/m²-Papier zu wählen, gerade wenn der Leser mit ständigem Blättern beschäftigt ist und die Gefahr des Reißens durchaus besteht und beim Lesen immer nur knapp vermieden werden konnte.

Warum also dieses buchbinderisch komplizierte Konzept? Ein passables Regalformat könnte der Grund sein, obwohl es längst Bücherkollegen gibt, die darauf pfeifen und dennoch Platz gefunden haben. Dass der Architekt in seinen Entwürfen mit der Strategie der Aufteilung des Ganzen in sinnfällige Einzelteile arbeitet, erscheint als Grund nicht ausreichend, das, mittels der buchbinderischer Zerschneidung eines Ganzen, in einem tatsächlich wunderbar direkten und selten so handgreiflich umgesetzten Akt nachzuvollziehen. Be. K.

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