Art oder Invest? Bucerius Forum, Hamburg, neu eröffnet

„Art-Invest“ nennt sich der Investor und man darf sich fragen, welchem Ziel die Immobilien Projektentwicklungs- und Investmentgesellschaft mit Hauptsitz in Köln verfolgt: Kunst oder Invest? Kunst oder Geschäft? Dass beides geht und sich nicht unbedingt beißen muss, haben in der Vergangenheit ein paar städtebauliche Großprojekte nachweisen können, aber dennoch ist die Kunst ja immer noch frei und der Investor verpflichtet: dem gelungenen Geschäft.

Nun hatte Art-Invest 2012 eine kleine Perlenkette von Immobilien direkt am Hamburger Rathaus gekauft, Projektname „Alter Wall“. Die fünf Häuser hinter neobarocker Fassade wurden sämtlich abgerissen, lediglich die Fassaden durften stehen bleiben. Dahinter wurde und wird immer noch neu gebaut nach Plänen von gmp, Hamburg (Wettbewerb 2013 – 1. Preis). Büros natürlich und – an dieser Stelle der Stadt unverzichtbar – Läden. Die erweitern und ergänzen dann die schon vorhandenen Einkaufsflächen ringsum: Einzelhandel / Gastronomie: 12 000 m², Büro 18 000 m². Ach ja, „Art-Invest“: Ein Museum gibt es dort auch. Eher eine Ausweichfläche für das in dieser Häuserreihe seit 2002 bestehende Bucerius Kunst Forum im Kopfbau der Reihe, der zum Rathausplatz über eine unscheinbar praktische Kolonade geöffnet ist. Erste Lage also, mitten im Kommerz. Das Haus, das der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius zugehörig ist, hatte in dieser sehr prominenten Lage überdruchschnittlich viele BesucherInnen im Jahr zu verzeichnen, selbst als schwierig geltende Ausstellungen zeitgenössischer Kunst hatten den Erfolg, den sich andere KuratorInnen und MuseumsdirektorInnen wünschen. Ein Erfolg, der – so die offiziellen Mitteilungen – dem schon Kunstinstitution seienden Haus zum Verhängnis wurde: zu klein, zu voll, zu laut. Also: Umzug! Um die Ecke herum, rund 50 m den Alten Wall runter. Dort dann, knapp hinter einer Passage, die demnächst den Weg über das rückseitig liegende Fleet zu weiteren Shoppinggelegenheiten abkürzt, der Eingang. Beinahe so unscheinbar, wie zuvor am Platz, jetzt vielleicht noch mehr diese irgendwie typische Fassadenfront der Touristeninformationen, die eine Stadt in alte Bausubstanz packt, Plakate und Flyer im Schaufenster und drinnen …

Drinnen ist natürlich alles anders

Drinnen ist es bei Bucerius natürlich anders. Links geht gleich eine Treppe himmelwärts (Himmels-treppen sind der Trend), geradeaus zum Empfang, dazwischen der Weg zum Shop und hinab zu Garderoben und WC. Die Treppenlandschaft ist mit dunklem Holz belegt, die Handläufe in gleichfarbenem Holz. Im 1. OG dann die große (vergrößerte) Ausstellungshalle, die komplett oder kleingeteilt bespielt werden kann. Da nun auch Videokunst gezeigt wird, gibt es geschlossene Boxen.

Geht man weiter hinauf kommt man zum Veranstaltungsraum, der hinter seinen Glaswänden und unter der relativ niedrigen Decke eher Volkshochschulstimmung ausströmt als Fest- und Feierstimmung. Möglicherweise soll er das auch gar nicht, denn ein paar Meter weiter kann man in den langgestrecken, von sechs Geschossen umfangenen und von einem Glasdach geschlossenen Innenhof treten. Hier kommt gmp mit viel Glas und schlankem Stahl dann ganz zu sich, feiert die Eleganz, die in ihrer Selbstverständlichkeit nur wenige Büros hinbekommen. Die geschosshohen Fensterkästen sind leicht aus der Fassadenebene verdreht, ein die hier liegenden Büros erschließender Fahrstuhl fährt hinter Glas.

Im Boden ebenfalls Glas, das die Himmelstreppe mit Tageslicht versorgt und weitere, nicht betretbare Gläser, die Tageslicht in die unteren Geschossen lenken. In diesem von den gläsernen Fahrstuhlschächten geteilten Raum können Lesungen, Musik, Tanz, Vorträge etc. stattfinden. Die Technik dafür ist jedenfalls vorhanden.

Rückseite eigenartig hilflos

Die Rückseite der nun hinter den denkmalgeschützten Fassaden wiederaufgebauten fünf Häuser am Alten Wall 2-32 gibt sich überraschend nichthanseatisch: Statt des erwarteten Backsteinrots schmücken kräftig sandfarbene Natursteinplatten das Ensemble. Die Gliederung der großen Fassadenflächen mittels Risalit und Lisenen wirkt wie ein hilfloser Versuch, zwischen der überbordend ornamentisierten Schaufassade und dem Zeitgenössischen insgesamt irgendwie zu vermitteln. Die Vermeidung von Fenstersprossen allerdings reicht da nicht, im Gegenteil wirken die Fens-ter monoton, zu großflächig geraten.

Dass man unter dem historischen ertüchtigten Riegel vier Geschosse fürs Parken im Zentrum ausgehoben hat – direkt am Fleet dürfte das nicht günstig geworden sein – erstaunt, trotz Planungsjahr 2013. Auch in der Hanse und Freien Stadt Hamburg sollte sich herumgesprochen haben, dass das Auto seine Zeit in der Stadt gehabt hat. Aber die Innenstädter Hamburgs hängen am Statusmodell vergangener Jahrzehnte und Art-Invest hat für diesen Invest sicher auch das richtige Argument. Bei den Architekten kann man zum Projekt noch lesen: „Das bisherige Bucerius Kunst Forum, der Kopfbau mit der neoklassizistischen Fassade zum Rathausmarkt wird komplett erhalten und im zweiten Bauabschnitt aufwendig saniert. Auf der ehemaligen Fläche des Kunstmuseums entsteht über vier Ebenen ein Ladengeschäft.“ Art? Doch eher Invest. Die Stadt Hamburg hat Aufklärungsbedarf, das ist am Alten Wall deutlich geworden. Be. K.

www.gmp-architekten.de www.art-invest.de
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