Zur Sonne, zur Freiheit

Zum Tod von Günter Behnisch (1922-2010)

„Wenn es jemand nach Gemütlichkeit verlangt, soll er sich eine Katze anschaffen." Günter Behnisch

Überraschend dann doch verstarb am vergangenen Montag nach langer Krankheit Günter Behnisch in seiner Wahlheimatstadt Stuttgart. In den letzten Jahren hatte sich der Mann, der exakt einen Monat zuvor noch seinen 88sten Geburtstag feiern konnte, sehr rar gemacht. Nichtsdestoweniger war der Name Behnisch auch in dieser Zeit präsent, dem Büro und seinen Erfolgen sei Dank. Es wird bleiben – neben dem gebauten Werk –die Erinnerung an Behnischs Teilhabe an der Architekturdiskussion, seine Einmischungen und nicht selten harschen Kommentare zu Arbeiten auch von befreundeten Kollegen, sein Beharrungsvermögen, welches seiner Architektursprache eine Signifikanz verliehen hat, um welche sich heute kaum noch einer für seine eigenen Arbeiten schert.

Am 12. Juni 1922 in Lockwitz (bei Dresden) geboren, wuchs er zunächst in Dresden auf, 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, 1947 kehrte er von England nach Deutschland aus der Gefangenschaft zurück, wo er von 1947 bis 1951 an der TH Stuttgart Architektur studierte. Bevor er 1952, als gerade mal Dreißigjähriger sein eigenes Büro in Stuttgart gründete, arbeitete er im Architekturbüro vom Bonatz-Schüler Rolf Gutbrod.

Seit 1966 nannte sich das Büro Behnisch dann Behnisch & Partner (mit Fritz Auer, Winfried Büxel, Erhard Tränkner und Carlo Weber, später dann Winfried Büxel, Manfred Sabatke und Erhard Tränkner), das bis 2008 bestand. Die letzten Jahre arbeitete er gemeinsam mit seinem Partner Manfred Sabatke in dem Sillenbucher Büro.Von 1967 bis 1987 war Behnisch ordentlicher Professor für Entwerfen, Industriebau und Baugestaltung an der Technischen Universität Darmstadt sowie gleichzeitig Direktor des dortigen Instituts für Normgebung.

1982 wurde Behnisch Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und 1984 zum Ehrendoktor der Universität Stuttgart ernannt. 1996 wurde er zum Gründungsmitglied der Sächsischen Akademie der Künste berufen, deren Klasse Baukunst er bis 2000 leitete.

Einer anderen Akademie der Künste schenk­te er 2005 ihren Neubau: der Akademie der Künste Berlin, am sakralisierten Pariser Platz, ein in vielerlei Hinsicht umstrittenes und mancher Hinsicht auch misslungenes Ge­bäude. Behnisch, der es wagte, sich der sentimentalen Retrostimmung, die sich in der frisch geeinten Republik breit gemacht hatte, zu widersetzen, konterte polternd:. „Ich bin gar nicht erst auf die Idee gekommen, da eine Steinfassade zu machen. Wir wollten schon gar keine Assoziationen an die Großkotzigkeit der Hitler-Architektur und der wilhelminischen Architektur wecken.“

Tatsächlich stand der Sachse, der immer schon Ressentiments gegenüber den Preußen pflegte („Wir [Sachsen] haben immer zusammen gegen die Preußen gekämpft – und haben immer verloren.“) in dem Ruf, „demokratisch“ zu bauen; was immer das damals bedeutete, heute denken wir anders darüber. Damals, exakt in dem Jahr, in dem der Entwurf des Olympiastadions in München (zusammen mit dem Ingenieur Frei Otto und dem Landschaftsarchitekten Günther Grzimek) seine Leichtigkeit und Transparenz über Sportler und Zuschauer ausbreitete, 1972, in welchem die Stadionbauten die Stimmung erzeugten, die von heute aus gesehen Raum boten für die „heiteren Spiele“ (trotz der Geiselnahme und Ermordung israelitischer Sportler), seither werden alle Behnisch-Arbeiten immer unter dem Blickwinkel ihres „demokratischen“ Gewichtes angeschaut.

Und so war es nicht verwunderlich, wenn sich für den Neubau des Deutschen Bundestags in Bonn der transparente Behnisch-Entwurf durchsetzte, der dann am Ende, von ­der Geschichte überholt, nur kurze Zeit seine Aufgaben erfüllen durfte. Berlin wurde bald darauf die neue Hauptstadt; schon wieder Preußen.

Dass die Fernsehnachrichten der Primetime seinen Tod meldeten, muss man als ein Zeichen dafür sehen, dass ein größeres Publikum mit dem Namen Behnisch immer noch etwas verbindet. Und nicht zuletzt ist es ein Zeichen dafür, dass Günter Behnischs Werk Teil der deutsche Architektur- und Zeitgeschichte geworden ist. Was kommt nach ihm? Vielleicht ein Schlossneubau in der Mitte der Preußenstadt beispielsweise, eine Geschichtsklitterung, die die akute konservative und gefühlsduselige Sehnsucht nach Tabula rasa in Deutschland bedient, virulenter Geist einer entpolitisierten Zeit. Behnisch hatte auch in der Schloss-Debatte immer wieder mehr Mut eingefordert, Standpunkte wollte er bezogen sehen, eigene, staatsbürgerliche Meinung. Nein, „demokratische“ Architektur, so Behnisch, sei nicht über Fassadentypologien zu erreichen. Er selbst wollte immer bloß, dass es hell sei, tageslichthell in seinen Gebäuden. Dazu sei ihm – ausgerechnet – immer das Arbeiterlied „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“ durch den Sinn gegangen; ich möchte glauben, er summe die Melodie dazu nun mit einem stillen Lachen. Be. K.

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