Vor keinen Karren spannen lassen!

Die Verleihung des Deutschen Architekturpreises in Dresden stimmte auch nachdenklich

Bekannt gegeben war das Ergebnis ja schon länger, bereits Ende Juni konnten die Auslober das Ergebnis des Deutschen Architekturpreises 2011 nicht mehr geheim halten; wenn man bedenkt, dass er erst am 13. Oktober, also am vergangenen Donnerstag in Dresden verliehen wurde.

Wir waren also auf vieles eingestimmt; auf das Gewinnerprojekt (Neues Museum, Berlin) und seinen Architekten (David Chipperfield mit Julian Harrap), auf den Ort der Verleihung (Lichthof des Albertinums in Dresden, Anerkennung Deutscher Architekturpreis, Staab Architekten, Berlin), und nicht zuletzt auf die Anwesenheit eines Ministers, der sich aus seinem ministeriellen Titel zur Zeit eher den Verkehr und weniger das (Hoch)Bauen zum Kerngeschäft erkoren hat.

60.000 Euro werden – neben allem Renommee – über die Gewinner ausgeschüttet, dabei kommt die Hälfte dem Sieger zu. Neben Chipperfields unter Auszeichnungen bereits keuchenden Museumsneualtbau wurden fünf Auszeichnungen und fünf Anerkennungen verliehen (siehe Kasten).

Doch vor Händedruck und Überreichung der Urkunden sprachen der Minister Ramsauer und der Präsident der Bundesarchitektenkammer, Sigurd Trommer sowie die Jury-Vorsitzende Dörte Gatermann, die sich darüber wunderte, wie einerseits es sein kann, dass von den 226 Einreichungen so viele so unverständlich viel Mut zur Einreichung gehabt hätten (aber absolut chancenlos gewesen wären), und andererseits viele derjenigen, die man irgendwie im Auge gehabt hätte, dem Preis ferne geblieben waren.

Letzteres mag verschiedene Gründe gehabt haben, einer war sicherlich der, dass der Preis erstmals vom Bundesministerium gleichsam geentert worden ist für sein Werbeprogramm, energetisch Vorbildliches in noch ansprechender Verpackung zu präsentieren: „Unser Ziel ist es, die enormen Einsparpotentiale im Gebäudebestand bestmöglich auszuschöpfen und neue Gebäude mit möglichst geringem Energiebedarf zu erstellen. Dieses Ziel muss mit einer Steigerung der Bauqualität einhergehen.“ Dass sich der Minister beim Karl-Krämer Verlag bedankte, der den Preis essentiell mitbegründete, mit diesem Preis und bei allen weiteren allerdings nicht mehr mit an Bord ist, machte nachdenklich und verlieh der ganzen Veranstaltung einen schalen Beigeschmack.

Und sicher muss man das Interesse des Mitsponsoren, der VHV-Versicherung respektieren, deren Anliegen es ist, über Baukultur – und zwar „gute Baukultur“ – Rechtsstreitigkeiten über ein Projekt und damit entstehenden Geldabfluss zu vermeiden. Dass sich der Hauptsponsor, die E.ON Ruhrgas AG, in eigenartigen Worthülsen ergeht, die daran zweifeln lassen, ob zumindest das Marketing verstanden hat, was Architektur und Erdgas zusammenbringen könnte, könnte ebenfalls den einen oder anderen Architektenkollegen bewogen haben, der Veranstaltung ferne zu bleiben (Zitate Sebastian Jochem, Leiter Marketing Services, aus der offiziellen Preisdokumentation: „Das Urbild für Architektur ist das Haus“, oder „Bei dem zentralen gesellschaftlichen Anliegen ökologischer Nachhaltigkeit liegen Energieversorgung und Baugestaltung näher beieinander als das weiten Kreisen der Gesellschaft bewusst ist.“ Oder, besonders tiefgründig: „Architektur ist Kunst und Kultur, aber sie ist auch Ökologie“. Alles klar?).

Am darauf folgenden Tag tagten 520 ArchitektInnen im nur wenige hundert Meter entfernt liegenden Hygienemuseum am Tag der Architektur. Hier gab es Beschlüsse, hier gab es Architektenschelte, hier wurde konkret deutlich, wo die Mängel liegen in der Baukultur dieses Landes, das ein Bundesbauminister mit Autobahnmaut-Diskussionen belastet und der die Chipperfield-Arbeit schlicht als „Perle in der Krone der Museumsinsel“ qualifiziert.

2013 gibt es den nächsten Deutschen Architekturpreis, wieder mit dem Unternehmen, dass „Bio-Erdgas“ produziert (also Bio-Gas wäre, wenn überhaupt, richtiger), wieder mit dem Bauspezialversicherer und wieder mit der Bundesarchitektenkammer. Die ist nun gefordert, den Preis wieder dorthin zurück zu führen, wo er einmal war. Und ihn davor zu schützen, dass er noch stärker vor den Karren der Bundesverkehrsministerprogrammatik gespannt. Der „offizielle Architekturpreis der Bundesregierung“ hat hier mehr verdient! Be. K.

(fünf Auszeichnung zu je 5.000 Euro):

- Staab Architekten, Berlin, für das Projekt: Albertinum, Dresden,

- Florian Nagler Architekten, München, für das Besucherzentrum KZ-Gedenkstätte Dachau,

- becker architekten, Kempten, für das Iller – Wasserkraftwerk Allgäuer Überlandwerk, Kempten,

- Wandel Hoefer Lorch, Saarbrücken, für die Synagoge in München, und

- zanderroth architekten, Berlin, für einen Wohnungsbau in Berlin.

Fünf Anerkennungen (mit je 1.000 Euro dotiert) gehen an:

- KARO architekten, Leipzig, für das Lesezeichen Salbke, Magdeburg,

- Fink + Jocher, Architekten und Stadtplaner, für die Schule auf Zeit, München

- Rapp Architekten, Ulm, für ihr „Stadtregal“ in Ulm,

- Peter Haimerl.Architektur, München, für das vielveröffentlichte Wohnhaus „Cilli“ in Eben, und das ebenfalls vielbesprochene

- Wohn– und Geschäftshaus in der Brunnenstraße in Berlin von Brandlhuber + ERA, Emde, Schneider, Berlin.

Thematisch passende Artikel:

11/2011

Verleihung des Deutschen Architekturpreises 2011 www.bmvbs.de

Weil sein Ausgang ja schon länger, bereits Ende Juni bekannt gegeben worden war, waren wir am 13. Oktober auf das Meiste eingestimmt; auf das Gewinnerprojekt (Neues Museum, Berlin) und seinen...

mehr

Deutscher Architekturpreises 2013 ausgelobt

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und die Bundesarchitektenkammer e.V. (BAK) loben gemeinsam den Deutschen Architekturpreis 2013 aus

Mit dem Deutschen Architekturpreis sollen für die Entwicklung des Bauens in unserer Zeit beispielhafte Bauwerke ausgezeichnet werden. Sie sollen eine besondere baukulturelle Qualität aufweisen bzw....

mehr

Bundesbauminister lobt Deutschen Architekturpreis 2019 aus

Bundesbauminister Horst Seehofer: „Mit dem Staatspreis für Architektur zeichnen wir Architekturleistungen von besonders herausragender Qualität aus. Mit diesem Preis wollen wir zugleich das...

mehr
07/2013

Deutscher Architekturpreis 2013 www.deutscherarchitekturpreis.de, www.bmvbs.de

Noch haben er und sein Team es nicht geschafft, doch ihr Erfolg bei den beiden Deutschen Architekturpreisen 2011 und 2013 lassen Spekulationen aufkommen für den kommenden Preis 2015: Staab...

mehr
03/2013

Qualität kann man nicht erkaufen Ein Gespräch mit Peter Ramsauer und Sigurd Trommer www.deutscher-architekturpreis.de

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und die Bundesarchitektenkammer e.V. (BAK) loben gemeinsam den Deutschen Architekturpreis 2013 aus. Grund genug, zu diesem Ereignis...

mehr