New Tate Modern

The New Tate Modern eröffnet

Herzog & de Meuron erweitern ihr Hauptwerk um eine allerdings gemäßigte Bauskulptur

Die Zeiten ändern sich und manchmal ändern sie es. Zum Beispiel das Gesicht eines Gebäudes, seine Haut, seine Form. Das ist ja nun nichts seltenes, viele Beispiele in der Welt haben gezeigt und werden es immer wieder zeigen, dass sich Konzepte veändern, Ansprüche seitens der Bauherren oder dass schlicht Fehler gemacht wurden. Manchmal kommt es auch vor, dass ein Budget nicht ausreichtet, die möglicherweise ambitionierte Entwurfsfassung bis zur Realisierung zu bringen.

In London, in direkter Nachbarschaft zur Tate Modern, wird heute am 16. Juni 2016 ein Erweiterungsbau eröffnet, der, aus welchen Gründen auch immer, ein wenig anders erscheint, als er im Wettbewerbsjahr 2005 noch aussah. Der Entwurf von Herzog & de Meuron, Basel – die Schweizer hatten schon die Tate Modern realisiert – überzeugte damals durch die Stapelung der Ausstellungs- und Nebenräume unter einem teiltransparenten, pyramidal zulaufenden Fassadenkleid. Diese Entwurfsidee verbreitete sich international und auch Herzog & de Meuron setzten sie sehr konsequent beim Vitra-Haus um und planten mit ihr mitten in Paris (der Wohnturm „Triangle Tower“ wurde bisher nicht genehmigt).

Die Erweiterung heute hat das Bild des Stapels unter einer sich drehenden, aber ansich homogenen Fassade gebändigt. Die mit wenigen Fensterbändern geöffnete Haut besteht wie das Hauptgebäude aus Ziegeln. Hier allerdings sind sie von tragenden Aufgaben befreit und wirken mit ihrem Lochverbund eher wie eine textile Membran denn wie ein lastender Vorhang. Wichtig war den Architekten der Erhalt der beiden großen unterirdischen Öltanks, aus welchen das ehemalige Kraftwerk den Treibstoff bezog. Hier haben sich Räume angeboten, die dem Anspruch der Basler, das Raue und Brüchige, die Patina und Geschichte der Bauten in die Gegenwart zu transportieren und zu nutzen, genügen.

Die Ausstellungsräume sind funktional und erinnern, wie schon das Thema das Tanks, an die Küppersmühle in Duisburg. Dass der Zubau den mächtigen Riegelbau auf der River Thames-Kante um viele Meter überragt und von St. Pauls aus gesehen wie die Brücke eines Raumschiffs wirkt, ist weniger eine große Geste, entspringt vielmehr dem Platzbedarf und ist, mit Blick auf die jungen, höheren Neubauten direkt im Anschluss an die Tate städtebaulich auch nötig. Denn mit den Bauten des Luxus-Wohnprojekts "Neo Bank Side" (Architekten: Rogers Stirk Harbour + Partners) könnte mit dem High-end-Kulturtempel New Tate ein Kontrapunkt gesetzt werden, der dem Standort an der ehemalig heruntergekommenen, lost space seienden Bankside den nötigen Respekt erweist. Und nötig ist der Neubau schlicht auch deshalb, weil er die Tate Modern mit über 5,5 Mio. Besuchern jährlich entlasten soll (das Centre Pompidou Paris hat weniger als die Hälfte Besucher).

328 Mio. € wird der Neubau gekostet haben, das liegt in etwa in dem Bereich, der für über zehn Jahren für den Neubau gehandelt wurde. Der elfgeschossige Erweiterungsbau wird den Bestand um etwa 23000m² erweitern, das sich etwa 60 Prozent mehr als bisher. Allerdings sind von dieser Fläche nur rund 6000 m² Ausstellungfläche, der Rest ist für Büros, Einrichtungen der Museumspädagogik sowie Cafés und Läden vorgesehen. Der Bau sollte schon 2012 eröffnet werden, dann, wenn in London die Olympischen Spiele eröffnet werden. Das hat nicht geklappt, aber wie auch in Hamburg werden solche Dinge am Ende unwesentlich angesichts dessen, was man anschauen, hören oder sogar auch erleben kann. Be. K.

Tate Modern, London

Herzog & de Meuron, Basel

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