Dritter Bauabschnitt: Sprengel Museum, Hannover

Tanzende Säle, Loggien mit Aussicht und ein Altbau, den es wieder zu entdecken gilt

Der von Meili, Peter Architekten, Zürich, entworfenen Neubau erweitert das Sprengelmuseum nicht bloß um Quadratmeterfläche

Jetzt, also am vergangenen Wochenende 19./20. September, ist der Bau für alle offen mit seinen „Zehn Räumen, drei Loggien und einem Saal“ wie die Ausstellungsmacher ihren ersten Auftritt formulieren. Oder besser: Sie konzentrieren das Meiste des Neubaus in dieser Schlagwortreihe, die in weißen Buchstaben auf roten Segeln vor dem Alt-/Neubau schweben.

Markus Peter, Projektarchitekt und Partner des Züricher Architekturbüros Meili, Peter Architekten, gab sich im Gespräch befreit. Die Arbeit an dem  schwarzen Monolithen am Maschsee war auf nervenaufreibend und teils unerfreulich. Denn die Hannoveraner wurden mit dem Entwurf der Schweizer nicht recht warm, die „opportunistische Presse“ (Peter) druckte über Monate Leserbriefe und kleinere Artikel ab, in welchen der Entwurf teils scharf und unfair angegriffen wurde.

Dabei war das „Bricket am See“ noch die harmlosere Bezeichnung dessen, was die Architekten als einen in Werkstein („in der Schweiz sagen wir „Kunststein“)  gegossenen, modellierten Quader bezeichnen, den Monolithen eben, der es mit einem nicht einfachen Volumen aufzunehmen hatte, das sich aus zwei Bauabschnitten (70er, 90er-Jahre) auseinandersetzen, zusammenfügen musste.

Diese Suche, die Höhenversprünge, Material- wie Wegeübergänge, Nutzungsanforderungen und natürlich gestalterische Probleme zu lösen hatte, kulminierte schließlich in der Spirale, die in dem (Calder)Saal unterschiedliche Niveaus, unterschiedliche Bauzeiten und unterschiedliche Räume verbinden musste; und zugleich den Raum , den sie bespielt, nicht vereinnahmen durfte.

Die Lösung, eine unregelmäßig kurvige Rampe mit  270 Grad Drehung und abschließender, freitragender Treppe, lässt genügend Raum für die große Calder-Arbeit, für Vorträge und kleinere Konzerte. Sie wirkt als eigenständige Skulptur, arbeitet in der Museumsnutzung allerdings nicht konsequent als Ganze: Der oben liegenden Zugang zum Neubau, von welchem die Spirale ihre Abwärtsbewegung startet, ist eigentlich ein Sonderzugang, der beispielsweise den großen, dem Calder-Raum anliegenden Vortragsraum im Altbau bedient. Oder den Calder-Saal selbst, wenn dieser für Veranstaltungen außerhalb der Ausstellungsarbeit genutzt wird.

Wer also aus der Schlucht der in dieser Weise ausgeführten einmaligen Museumsstraße in den Neubau gelangt, muss über die elegant geschnittene Treppe in die Höhe steigen, biegt dann rechts ab in einen gerichteten Vorraum, von dem sich die zehn (tanzenden) Säle erschließen. Die Zürcher ordneten, mit explizitem Bezug auf Remy Zauggs grundsätzliche Überlegungen zum perfekten Museum, zehn ganz unterschiedlich dimensionierte Räume mit natürlichem Oberlicht so zueinander an, dass sie einmal leicht verdreht zur Gebäudehülle stehen, und ebenso verfahren sie mit den Durchgängen von Raum zu Raum, die in Diagonalen und Gegendiagonalen Weitblicke möglich machen und zugleich einschränken. Die Verdrehung der Räume ist kaum spürbar und sicherlich abhängig von den Exponaten, die hier demnächst Aufmerksamkeit fesseln und das Gehen im Raum steuern. Erkennbar ist sie auf jeden Fall im Gegenüber der Deckenraster, die zueinander von der erwarteten Parallelität abweichen.

Lieblingsraum des Architekten, so im Gespräch, das unser Monatsinterview in der DBZ wird, sei die Loggia, die frontal auf den Maschsee schaue. Hier könne man – vorausgesetzt man sei allein – in einen Zustand kontemplativer Entrückheit geraten (der Autor merkt dazu an, dass das sicherlich am Besten gelinge, wenn der Kunstgenuss in den anliegenden Räumen eine solche Stimmung vorbereitet hat).

Mit der Erweiterung erhält das Sprengelmuseum 1400 m² neue Ausstellungsfläche und –  was noch wichtiger ist –  3900 m² für Depots, Werkstätten und Sonderräume, die dem Museum in der Vergangenheit fehlten und deren Nichtvorhandensein Verwaltung und kuratorisches Arbeiten schwer gemacht hatten. Mit dem 72 m langen und 12 m hohen Monolithen, dessen Fassade tatsächlich ein einem Stück gegossen wurde und lediglich eine einzige Dehnfuge mögliche Spannungen zu kompensieren hat, mit diesem schwarzen Quader auf dem spiegelnden Sockel hat die Sprengelsammlung eine Erweiterung erfahren, die dem Gesamtkunstwerk Museum den nötigen Impuls verleihen konnte, wieder als Spitzenmuseum wahrgenommen zu werden. Der Neubau wird hoffentlich auch dazu beitragen, dass Besucher den Altbau (Arch.: Ursula und Peter Trint, Dieter Quast) wieder schätzen lernen. Dessen überdurchschnittliche Raumqualitäten, seine aufregende Binnenstruktur wieder zu entdecken wird Zeit. Auch dafür Dank an die Züricher! Be. K.

www.meilipeter.ch, www.sprengel-museum.de

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