Tacheles

Rückzug aus Vernunftgründen: Die Realisierung des Schlosswiederaufbaus in Berlin erscheint immer unwahrscheinlicher

Als vor einigen Jahren die Mehrheit des bundesrepublikanischen Parlaments für den Wiederaufbau eines Schlosses votierte und damit die Heilung von in der Vergangenheit geschlagener Wunden wiedergutmachen wollte (es war Wahlkampf oder ein Wahlkampf stand bevor), da türmte sich der Schuldenberg der öffentlichen Kassen bereits dramatisch hoch, doch irgendwie glaubte man noch an das Wunder der dann wenigstens im Westen blühenden Landschaften.

Alles vorbei, die halbe Milliardeplus ist dem Wähler nicht vermittelbar für ein Bauwerk, das nicht mehr zeitgemäß erscheint und dessen Inhalt dummerweise auch noch einen kulturellen Hintergrund hat ... die Kulturetats der öffentlichen Hand verdampfen gerade leise und still, weil Kultur keine Massenbewegung in Deutschland ist. Und so sei, so munkeln zunehmend die Berliner Presse und die, die sonst wenig wichtige Interna zu berichten haben, dass in den schwarz-gelben Koalitionsgesprächen auch eine Verschiebung des ab 2010 geplanten und wegen des ausstehenden Rechtsstreites (Bund vs. Architekten des Wiederaufbaus) ohnehin unsicheren Baubeginns des Schlosses/Humboldt-Forums möglich sei. Hier verwies man insbesondere auf CDU-Kreise, die vorschlugen, die Realisieurng des auf 552 Mio. Euro gedeckelten Projektes um vier Jahre, also in die kommende Legislaturperiode zu verschieben.

Der Wiederaufbau des Schlosses gehörte bislang zu den Projekten, die der Bundestag in mehreren Beschlüssen mit großer Mehrheit unterstützt hat. In den veranschlagten 552 Mio. Euro sind Baukosten von 480 Mio. Euro enthalten. Davon entfallen 80 Millionen Euro auf die Rekonstruktion der Barock-Fassaden. Diesen Betrag will der Förderverein Berliner Schloss aus Spenden aufbringen und steht noch recht unbeweglich in den Startlöchern. 72 Mio. Euro sind für die Erstausstattung eingeplant. Das Land Berlin soll 32 Mio. Euro zu den Baukosten beisteuern, wer dem Kämmerer sagt, woher die nehmen, dürfte die Ehrenbürgerschaft der Stadt zugesprochen bekommen.

Also alles auf Anfang. Also alles wie es zu erwarten war. Dass die Verschiebung des Baues für alle die ein Negativzeichen ist, die sich mit der Geschichte des DDR-Regimes ausgesöhnt sehen wollten, dürfte klar sein. Dass die Verschiebung zudem ein paar Millionen extra kosten auch. Aber offensichtlich sind wir ja längst in den Milliarden-Räumen zuhause, da kommt es auf solche Portokosten kaum an. Schloss? Schluss! Be. K.

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