Quartier am Klosterwall vs. City Hof, Hamburg

„Saugut“: Jörn Walter lobt Wettbewerbsergebnis „Quartier am Klosterwall“ in Hamburg

Mit dem Siegerentwurf des Hamburger Büros KPW Papay Warncke und Partner stellen sich wieder einmal viele Fragen. Auch die nach der Daseinsberechtigung einer Denkmalbehörde

Jetzt wird’s spannend: Verweigert die Kulturbehörde – Denkmalschutzamt Hamburg den Abriss oder stimmt sie zu? Lange schon streiten ExpertInnen, Bürgerinitiativen, ArchitektInnen und Denkmalschutz um Erhalt oder Abriss des „City Hof“ genannten Hochhausensemble nahe dem Hauptbahnhof, nahe dem Chilehaus mit dem Kontorhausviertel Hamburgs. Die vier Hochhausscheiben aus den 1950er-Jahren von Rudolf Klophaus waren damals als eine Art Befreiungsschlag gegen die immer noch stark am Wirken und Werken seienden restaurativen Kräfte Postnazideutschlands verstanden worden. Ihre hell weiße Fassade aus Leca-Platten verliehen dem in der Seitenansicht luftigen Kamm eine gewissen Eleganz, erlaubten vor allem aber auch Durchblicke auf das in den drei ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelte Kontorhausviertel. Dort steht auch das Bartholomayhaus aus den Jahren 1937/38, das mit seinen sich anbiedernden Barockgiebeln vom gleichen Architekten stammt, wie die Hochhäuser direkt gegenüber, die 20 Jahre später eine neue Zeit einläuten sollten.

1972 wurden die hölzernen Schwingfenster gegen Dreh-/Kippfenster aus Kunststoff getauscht. Noch gravierender veränderte 1977 die Sanierung der Fassaden den „City Hof“, graue Eternit-Platten dämpfen seitdem Eleganz und Neuheit und das vielleicht noch vorhandene Renommee begann kontinuierlich zu sinken.

Warum genau die Diskussion um den Abriss vor einigen Jahren ernsthaft in Gang gesetzt wurde, kann man sich vorstellen angesichts des dringend anstehenden Sanierungsbedarfs des Ensembles. Ganz konkret aber startete in der Stadt das Nachdenken nach dem so genannten „Heimfall“ der Immobilie, die in Erbpacht realisiert worden war. Hier initiierte die Stadt ein privatrechtliches Bieterverfahren, das 2015 bereits deutlich machte, worum es der Stadt ging: Abriss! Angeboten wurden die vier Bürotürme für rund 20 Mio. €, verlangt war ein Neubau, der verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen hatte. 16 Interessenten gaben ein Gebot an, zwei schieden aus. Acht Angebote folgten der Abrissempfehlung des Auslobers, sechs schlugen eine Bestandssanierung vor. Darunter auch ein Entwurf Volkwin Marg (mit Hochtief), der nach Punktzahl die Ausschreibung im September 2015 gewonnen hatte. Aus Verfahrensgründen wurde das Angebot aber abgelehnt.

Zudem klagten Mitarbeiter des im City Hof noch untergebrachten Bezirksamts schon länger über „unzumutbare“ Arbeitsplatzbedingungen. Das Amt sah sich aktiv nach Alternativen um, bereits im Juni 2018 wird der Bezirk Mitte sein neues Domizil an der Caffamacherreihe beziehen. Womit die Zeit drängte, Leerstand hätte Kosten verursacht, eine Sanierung war nicht gewünscht. Es gab 2016 einen zweiphasigen städtebaulich-hochbaulichen Wettbewerb „Quartier am Klosterwall“, ausgelobt durch die „AUG. PRIEN“ Immobilien Gesellschaft für Projektentwicklung mbH, Hamburg, im – wie es so schön heisst – „Einvernehmen mit der Freien und Hansestadt Hamburg“. Und dieser Wettbewerb wurde nun abschließend entschieden.

Gewonnen hat ihn das Hamburger Büro KPW Papay Warncke und Partner, das sich in der zweiten Phase gegen 28 Wettbewerber durchsetzen konnte. Auf den zweiten Platz kamen – gleichberechtigt – E2A Piet Eckert und Wim Eckert Architekten, Zürich, sowie Rafael Moneo arquitecto, Madrid. In dieser letzten Runde der Sieben wurden FABRIK B Architekten, Berlin, Henning Larsen Architects, München, LA`KET Architekten, Hamburg, und Störmer Murphy and Partners, ebenfalls Hamburg, nicht ausgezeichnet.

Der Gewinnerentwurf ist – wie schon die Bauten des Kontorviertels auch – ein verklinkerter Stahlbetonbau. Optisch in in drei Teile gegliedert ist der 190 m lange und 40 m breite und bis zu neun Geschosse hohe Riegel ein wenig länger in Richtung Süden als der Bestandsbau. Das schafft ein – so die Jury – deutlicheres Entrée zum historischen Büroviertel und schließt den Burchardplatz gegen die Straßenschneisen Steintorwall/Klosterwall. Im Norden des Riegels soll es ein Hotel mit über 200 Zimmern geben, im Süden 15.000 m² Bürofläche und in der Mitte 194 Wohnungen; Mietwohnungen. Die sind vom Grundriss her zu den privaten Innenhöfen hin orientiert. Die auf dem Entwurf sichtbaren Balkone werden – auch aus optischen Gründen – nicht realisiert. Im Sockelgeschoss sind – wie schon beim Bestand - Flächen für Einzelhandel, Gewerbe und Kultur vorgesehen. Der Investor, die Hamburger „Aug. Prien“ Projektentwicklung, rechnet mit einem Investitionsvolumen von 250 Mio. bis 300 Mio. €.

Dass keiner der drei Finalisten dem Entwurfsansatz von Rudolf Klophaus folgte, den Riegel durchlässig zu gestalten, überrascht mit Blick auf die geforderte Nutzfläche von 47.000 m² nicht. Schon der Siegerentwurf muss – so die Jury – in der Höhe reduzieren. Überraschend ist vielmehr, wie schnell am Ende eine Jury (s. Kasten unten) Entwürfe durchgewunken hat, die, anders als der scheidende Oberbaudirektor und stimmberechtigtes Jurymitglied, Jörn Walter, es formulierte, eben nicht „saugut“ sind sondern eher schlicht. Dass Fritz Schumacher – nicht der, der das Kontorhausviertel vor bald hundert Jahren mitkonzipierte – Vorsitzender der Jury, die städtebauliche Komplexität der Entwurfsaufgabe hervorhob und forderte, dass „der Entwurf […] Kompatibilität zum Weltkulturerbe Kontorhausviertel beweisen und trotzdem wirtschaftlich tragfähig sein [muss] zeigt schon, dass hier ein langweiliger Kompromiss entstehen musste, der dem städtebaulichen Erbe der „Freien und Abrissstadt Hamburg“ (Alfred Lichtwark) nicht gut tut.

Der Abriss soll im kommenden Jahr sein, die Fertigstellung des „Quartier am Klosterwall“ wird für 2021 angestrebt. Aber: Sollte sich die Denkmalbehörde gegen den Abriss und für den Erhalt des City-Hofs entscheiden, kommt der optionale Kaufvertrag mit „Aug. Prien“ zum Vollzug: Der Investor kann vom Kauf (35,2 Mio. € für das städtische Areal) zurücktreten.

Jetzt, liebes Denkmalamt, zeig einmal Rückgrat. 2013 hast du dem City Hof Denkmalstatus eingeräumt. Wenn du jetzt dem Markt nachgibts, muss ich mich tatsächlich fragen, welche Daseinsberechtigung du überhaupt noch hast! Be. K.

Fachpreisrichterinnen und Fachpreisrichter:

Prof. Jörn Walter Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Oberbaudirektor
Bodo Hafke Bezirksamt Hamburg-Mitte, Baudezernent
Michael Biwer Architekt, BIWERMAU Architekten BDA, Hamburg
Prof. Donatella Fioretti Architektin, Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin
Prof. Marcel Meili Architekt, Meili, Peter Architekten AG, Zürich (CH)
Prof. Manfred Ortner Architekt, Ortner & Ortner Baukunst, Berlin
Fritz Schumacher Architekt und Stadtplaner, Kantonsbaumeister Basel a.D., Basel (CH) (Vorsitz)
Prof. Enrique Sobejano Architekt, Nieto Sobejano Arquitectos GmbH, Berlin
Prof. Gesine Weinmiller Architektin, Weinmiller Architekten, Berlin


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