Ort und Ortsbezug

Vorträge in der Karlstraße München, im WS 2008/2009

Der erste Zyklus der Vorträge in der Karlstrasse beschäftigt sich mit einem der Basics der Architektur. Sind es nach Vitruv lediglich drei (firmitas, utilitas, venustas), so soll der Ort und folglich der Ortsbezug zu den grundsätzlichen Einflussgrößen der Architektur hinzugefügt werden, ist doch jede Architektur im realem Raum mit einem Ort verwickelt. Sind die Vitruvschen „Fundamentalien“ letztlich alle normativ beschreibbar oder typologisch zu fassen, so kann der Ort als das jeweils Besondere, Partikuläre und Individuelle nur über einen Dialog, nur durch entsprechende Bezugnahme für die Architektur erschlossen werden. Führt der Bau mit dem Ort kein Zwiegespräch, geht er mit ihm keine (wie auch immer geartete) Beziehung ein, bleibt der Ort stumm und die Architektur autistisch.
 
Diese Rede vom Ortsbezug der Architektur folgt freilich dem anthropomorphen Denkschema. Die Architektur steht hier stellvertretend für den handelnden, sich beziehenden Menschen und auch der Ort bekommt Attribute eines wirkenden Wesens, eines „genius loci“, um der Vorstellung einer gegenseitigen Beziehung zu genügen. Bei der Rede vom Ortsbezug der Architektur werden wir also zunächst die Raum- und Ortsbezogenheit, das In-der-Welt-sein des Menschen und seine psychische Verfasstheit bedenken müssen.  
Ist ein so verstandener Ortsbezug der Architektur überhaupt rational beschreibbar? Lässt er sich als Qualität an sich bewerten? Wie kann man sich auf einen problematischen Ort, gar einen „Unort“ beziehen? Welche Rolle spielen virtuelle, imaginäre Orte für unsere Raumbezogenheit? Die Vermutung liegt nahe, dass sich der Ortsbezug nur individuell, an konkreten Beispielen erfassen lässt. Eine „Lehre des Ortsbezugs“ ist nur schwer, eine Thematisierung der Bezüge schon eher vorstellbar.    
Das Bedenken des Ortes, des Ortsbezugs der Architektur gehört selten zu den aktuellen oder modischen Themen des Architekturdiskurses, eher schon zu den Basics der Profession, ohne die keine reflektive Architekturproduktion denkbar ist. Mit der Vortragsreihe zum Ort und Ortsbezug soll diese fundamentale Dimension der Architektur anhand historischer und zeitgenössischer Positionen konkret und durchaus kontrovers beleuchtet werden.

Veranstaltung: Vorträge in der Karlstrasse „Ort und Ortsbezug in der Architektur“
Ort: Audimax, Karlstrasse 6, 80333 München
Zeit: Mi um 19.00
Termine: 12.11.08 Tomáš Valena (München), Prof. Dr., Architekt und Stadtplaner
There are Places I Remember. Von der Ortsbezogenheit des Menschen zum Ortsbezug der Architektur. 19.11.08 Omar Akbar (Dessau), Prof. Dr., Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, Geschäftsführer der IBA Stadtumbau 2010, Was heißt schon Ortsbezug in Shrinking Cities? 26.11.08 Helmut Riemann (Lübeck), Dipl. Ing., freischaffender Architekt, BDA
Weiterbauen in Norden
3.12.08 Jan Pieper (Aachen), Prof. Dr., Bauforscher. Topographie und Geschichte des Ortes als Thema der Architektur. Am Beispiel von Monte Imperiale, einer Villa der italienischen Renaissance. 10.12.08 Juhani Pallasmaa (Helsinki), Prof., Architekt und Architekturtheoretiker. Landscapes of the Mind. The reality of place in architecture and cinema.
Telefon: 089/12 65 2625
Email: carchitektur@hm.edu
Internet: www.lrz-muenchen.de

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