Ordensburg Vogelsang. Eine Baustelle in Text und Bildern

Wir trafen uns mit dem Architekten Henner Winkelmüller vor Ort. Das Gespräch können Sie in der Oktober-Ausgabe der DBZ nachlesen

Die Eifel ist ein wildes Land, ihre Landschaft mal weit, dann windzerzaust, mal eng, dann gerne düster und nebelverhangen. Damit ist dieses Fleckchen Erde ganz im Westen der Republik, das teils Nationalpark ist, tatsächlich ein beliebtes Ausflugsziel stadtmüder Großstädter. Und idealer Schauplatz für zahlreiche Krimis, Ort von Legenden und Geschichte. Und weil solchem Landschafttypus – wie dem der Berge oder der See – etwas heroisch Mystisches anhaftet, war es nur logisch, dass die die nebelwabernde Düsternis liebenden deutschen Faschisten hier eine ihrer insgesamt drei so genannten Ordensburgen planten und in großen Teilen realisierten.

Die Ordensburg Vogelsang, 1934 nach Plänen von Clemens Klotz (u. a. auch Prora-Architekt) errichtet, diente bis zum Kriegsende 1945 der NSDAP zur Indoktrinierung so genannter „Ordensjunker“ mittels „Rassischer Philosophie der neuen Ordnung“. In verschiedene Funktionsfelder unterteilt, orientierte sich die Anlage wie auch die beiden anderen (Sonthofen und Krössinsee in Polen) an mittelalterlichen Deutschordensburgen, typologisch krude Mischungen aus Kaserne, Burg und Kloster. Neben der Abgeschlossenheit der Anlage, die über eine Torzufahrt geöffnet wurde, spielt hier vor allem deren landschaftliche Einbindung eine zentrale Rolle: Das Pathos des Erhabenseins sollte sich spiegeln im Großartigen der Landschaft gegenüber.

Zentrale Elemente des Ensembles sind die Gesellschaftsräume, Schulung, Sport und Mannschafts- beziehungsweise Offiziersunterkünfte. Hinzu kommen solche von den Nazis so bezeichnete Kulträume, die der klösterlichen Kasernentypologie die notwendige pseudospirituelle Überhöhung garantieren sollten.

Die Anlage war wenige Jahre nach ihrer Räumung 1950 von belgischen Einheiten übernommen worden, die hier bis 2005 stationiert waren und das umliegende Eifelland als Truppenübungsplatz nutzten. Die auch „Belgische Epoche“ genannte Zeit brachte viele bauliche Veränderungen auf dem Gelände, zum Teil auch komplette Neuschöpfungen, die sich im Stil allerdings sehr an den Bestand anlehnen und heute – jedenfalls nicht von Laien – als Hinzufügungen erkannt werden.

Der Leerstand des riesigen Areals verlangte nach Weiternutzung, Umnutzung. Es gab auch Pläne, die Anlage erst einmal sich selbst zu überlassen. Schließlich wurde ein beschränkter Realisierungswettbewerb (2. phasig) ausgelobt, den 2008 sinai Landschaftsarchitekten mit Mola+Winkelmüller Architekten, beide Berlin, gewannen. Ihr Vorschlag lässt sich auf „Inlays und Interventionen“ kondensieren: Erhalt bei Umorganisation, wenige Zubauten, neue Erschließung, Barrierefreiheit. Unter "Inlays" verstehen die Planer vielgestaltige, möglicherweise einfarbig markierte Leichtbaukörper (Ausstellung), die in den Bestand eingefügt werden. Dabei sollen die Strukturen des Vorgefundenen nicht wesentlich verändert werden, lediglich über die Setzung der neuen Volumen soll auch von Außen das Neue sichtbar werden.

Hauptarbeitsfeld der Maßnahme aber ist die Arbeit mit dem Bestand, der teilweise Rückbau von Bauelementen aus der „Belgischen Epoche“. Ein Besucherzentrum im zentralen Adlerhof eröffnet den Rundgang zu NS-Dokumentation, Regionalgeschichte und Nationalparkzentrum. Es wird neben dem Neubau Besucherzentrum einen Konferenzsaal geben, eine Art kleines Kongresszentrum mit Gastronomie und Terrasse und grandiosem Blick auf die Eifel.

Die Bauarbeiten zur Zeit zeigen die enormen Schwierigkeiten im Umgang mit einer Bausubstanz, die das Versprechen 1000-jähriger Dauer im so genannten Reich nicht einmal ansatzweise hätte einlösen können. Das Vortäuschen massiven Natursteinmauerwerks wird der Lächerlichkeit preisgegeben angesichts der fast schon industriell anmutenden Stahlbetonkonstruktion dahinter. Und die ist von derartig schlechter Ausführung, dass man von Glück sprechen muss, dass Wände oder Decken nicht längst ihren Dienst verweigert haben.

Wir haben uns mit dem Architekten, Henner Winkelmüller, auf der Baustelle getroffen. Und ihn gefragt, wo genau die Schwierigkeiten einer solchen Bauaufgabe liegen. Ob das überhaupt geht, dunkle deutsche Geschichte mit Ausflugsathmosphäre aufzuladen. Welche Rolle Barrierefreiheit auch im übertragenen Sinne bei einem solcherart kontaminierten Gebäudekomplex spielt etc. Das Gespräch, das wir im Anschluss an die hochinteressante Führung auf dem Gelände mit ihm führten, finden Sie in der kommenden DBZ-Ausgabe (Oktober 2013). Be. K.

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