Nicht mehr exklusiv sondern intradisziplinär

Der Deutsche Architektentag 2011 war auch eine Götterdämmerung in Dresden und sonstwo

Das Motto des Deutschen Architektentages, der nach zehn Jahren Pause (Zwangspause?) am 14. Oktober in Dresden stattfand, hatte es in sich: „Verantwortung gestalten“ stellte die Bundesarchitektenkammer, Dachverband der 16 Länderkammern, über die eintägige Veranstaltung. Das klingt zunächst einmal ganz nett und rund, bedeutet aber auch, den Berufsstand in seiner derzeitigen Verfassung wenn nicht gleich in Frage, so doch zumindest unter vorsichtige Anklage zu stellen; vielleicht die Zeiten der Zeit verschlafen zu haben und den dünner werdenden Ast, auf dem es sich bisher noch ganz gut wippen ließ, statisch nicht mehr im Griff zu haben.

Nicht von den Einladern kam die Schelte selbstredend, eher vom Keynotespeaker Dominik Wichmann. Der seit Mitte dieses Jahres stellvertretende Chefredakteurs des „stern“ machte zwar auch die Medien als Schuldige aus, die in der Vermittlung von wesentlichen Inhalten bezogen auf Architektur und Gesellschaft meist nur den Hochglanz auf ihren Seiten zeigten, doch nahm er das umstrittene Projekt Stuttgart 21 zum Anlass, der Architektenzunft „beredtes Schweigen“ anzulasten. „Ein modernes Deutschland braucht aber Architektinnen und Architekten, die sich nicht nur zu den Fassaden äußern, sondern zu den Fundamenten unserer Gesellschaft.“ Und er forderte die versammelten über 520 ArchitektInnen auf, den immer schon geübten interdisziplinären Diskurs endlich zu verlassen (er hätte auch den Elfenbeinturm anrufen können) und zu einem, wie er es nannte, „extradisziplinären Dialog“ zu gelangen; zukünftige Bauherrengenerationen erwarten solches ganz sicher!

Doch noch einmal zurück zum Motto: Verantwortung gestalten, das klingt auf den ersten Wortlaut wie „schön nachhaltig“ bauen. Am Ende des Kongresstages aber war nicht nur beim Kammerpräsidenten Sigurd Trommer die Erkenntnis durchgesickert, dass nur der Verantwortung übernehmen kann, der sich endgültig aus dem Elfenbeinturm hinaus bewegt habe. Oder wie es der Kammerpräsident resumierte: „Unser Ziel muss es sein, die Architektinnen und Architekten mit ihren Anliegen und Themen stärker in der Gesellschaft zu verankern und in die öffentliche Diskussion zu rücken.“

Dieser Satz kam Stunden nach der Rede von Bundesbauminister Peter Ramsauer, der in seinem Text die Anwesenden aufgefordert hatte, sich einen „prominenten“ und damit eben auch wieder elitären Platz in der Gesellschaft zu suchen. Und natürlich sieht der Vertreter einer Bundesregierung, die Klimaschutzversprechen mit Wachstumsperspektiven zu verbinden hat (hat sie?), die energetische Sanierung des Gebäudebestandes im Zentrum ihres gebetsmühlenartig vorgetragenen nachhaltigen Bundesbaupolitik. Immerhin: Es hat sich offenbar mittlerweile auch in Berlin herumgesprochen, dass es hierzu nicht ausreiche, „alle alten Gebäude in Styropor einzupacken.“ Dass der Bund, der aktuell die Städtebauförderprogramme und die Mittel der hauseigenen KfW-Bank drastisch kürzte ein wie er sagte „verlässlicher Partner“ bleiben wolle, kam bei den Anwesenden ob der offensichtlichen Widersprüche nicht sonderlich gut an.

Der Architektenschaft geht es langsam aber sicher an den Kragen, die Jahre arbeitsreichen wie zugleich geruhsamen Standesdaseins sind längst vorbei. Von daher sind Fragen nach der Zukunft des Berufsstandes absolut notwendig, und wer sich hier gescholten fühlte, der hat zumindest die Chance, vielleicht endlich auch einmal aufzuwachen. „Auf nach Dresden!“ bedeutete in diesem Jahr „Auf bald!“ in jeder Straße und an jeder Ecke dieser Republik. Die Arbeit wartet, aber nicht mehr exklusiv nur auf die Architekten! Be. K.

Ein Mitschnitt der Reden zum Deutschen Architektentag ist in Kürze auf www.bak.de zu finden.

Im Anschluss an den Deutschen Architektentag 2011 hat sich die Bundeskammerversammlung, das höchste Beschlussorgan der deutschen Architektenschaft, am 15. Oktober in Dresden versammelt. Auf dem jährlichen Treffen der Präsidenten und Delegierten aus den Architektenkammern aller Bundesländer wurde als Ergebnis die „Dresdner Erklärung“ verabschiedet.
 
Darin bekennen sich die deutschen Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner ausdrücklich zu ihrer Verantwortung für die ganzheitliche und nachhaltige Gestaltung der gebauten Umwelt. Gleichzeitig richten sie drei zentrale Forderungen an die Politik. Lesen Sie im Anhang den Wortlaut der „Dresdner Erklärung“.

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