Malen mit Licht

Der Photograph Wim Wender zu Gast bei Mathias Ungers in Düsseldorf

Es gab viele Gemeinsamkeiten: großer Presserummel, Pressekonferenz vor großem Querformat auf gleicher Wand, Einzelporträts der Stars vor ihren Arbeiten, Einzelinterviews nach der Pressekonferenz. Marktgerecht große Hoch- und Querformate auf weißer Wand über blassgraublauem Boden, Fotografien eben, Fotografien (oder Photographien) aus allen Ecken der bekannten Weltenflecken; auch aus Deutschland. So wie ihre Fotografen.

Und doch ist da noch etwas anderes, das deutlich hinwegreicht über die Ähnlichkeiten der Fotoarbeiten und der retrospektiven, angemessen großzügigen Präsentation ihres Werkes, dass die beiden Protagonisten Andreas Gursky und Wim Wenders im Museum Kunstpalast 2012-13 (Gursky) zeigten beziehungsweise aktuell zeigen (Wenders). Es ist das Haus. Natürlich. Der im Gesamtwerk OMU merkwürdig am Rand stehende Ungers-Entwurf, der 2001 das bestehende Museum um eine neue Raumrasterlandschaft erweiterte, ist der gebaute Beweis dafür, dass Goldener Schnitt und Rekurs auf Geschichte einen perfekten Behälter für Zeitgenössisches wie auch für Kunst aus vergangenen Epochen erzeugen kann. Für Skulpturen, für Malerei, für Miniaturen ebenso wie Großformate, mit denen der Fotograf Gursky und der Filmemacher und Photograph Wenders ihr Publikum in den Bann ziehen.

Doch wieso dieser Zusammenklang Gursky-Wenders? Ersterer, ein extrem erfolgreicher Fotograf, dessen Arbeiten auf dem Markt Millionen erzielen. Auf der anderen Seite ein ebenso erfolgreicher wie zumindest auch international wichtiger Regisseur, zurzeit vielleicht das (lebende) Aushängeschild bundesdeutscher jüngerer Filmgeschichte. Der eine manipuliert in obsessiver Weise seine Bilder bis ins Detail, malt in den in durch Pixel vermessenen Abbildern von Gegenwart seine Ideen vom Perfekten, vom Einmaligen aus. Der andere verzichtet auf den Computer, setzt auf analoge Technik und photographiert nur ausnahmsweise vom Stativ. Der eine, obwohl 10 Jahre jünger, scheint längst angekommen zu sein, der andere erfindet sich vielleicht gerade neu.

Also Wim Wenders, nun nur noch er. „4 REAL & TRUE 2“ hat er selbst seine Retrospektive genannt, im Untertitel „Wim Wenders. Landschaften. Photographien“; Fotografie ausdrücklich mit Ph. Die andere Fotografie, die mit F, so Wenders auf der Pressekonferenz, gibt es auch. Was er von ihr hält lässt er offen, wir denken uns unseren Teil. Das Malen mit Licht – also doch Gursky?! – wolle er damit betonen. Und das abbilden, was wirklich war. Damals, vor der Kamera.

Über die Wirklichkeit vor der Kamera kann man endlos diskutieren, ganze philosophische Denkgebäude sind hier schon errichtet worden und werden noch. Doch für den Regisseur, der unter dem mässigen wirtschafllichen Erfolg seiner Filme auch leidet - manchmal - ist das Foto, pardon, die Photographie, das Ursprüngliche in der längeren Geschichte des Abbildens von Gegenwärtigem. Die Photos zeigen Landschaften, Weite. Zeigen die bekannten Zutaten aus dem amerikanischen Westen. Zeigen wenig Menschen. Sie vagabundieren immer hart am Rande des sehr Schönen, das immer in Gefahr steht zu Kitsch zu werden. Wie seine Filme das auch machen, neuerdings leider mit technischen Mitteln, die der analoge Wenders in seiner Photographie niemals dulden wollte. Aber, so der Düsseldorfer, der mit seiner Aussstellung auch seinen 70sten Geburtstag feiert, Photographieren und Filmen sind zwei ganz andere Sachen. Das stimmt.

Wim Wenders hat vor ein paar Jahren ein Filmprojekt über die "Kathedralen der Kultur" initiiert und selbst mit einem filmische Porträt der Scharounschen Philharmonie einen Teil dazu beigesteuert. Der Augenschmaus in Düsseldorf, dem die Ausstellungsräume von Oswalt Mathias Ungers Halt und Größe verleihen wie sonst kaum irgendwo, scheint wie eine allerdings ungewollte Fortsetzung dieser Auseinandersetzung mit Architektur zu sein. (Auch wenn ein Autor diesen letzten Satz nicht schreiben sollte, hier kommt er:) Muss man sehen! Be. K.

"4 REAL & TRUE 2"

Wim Wenders. Landschaften. Photographien.
18.4.2015-16.8.2015

Öffnungszeiten: 
Di-So 11–18 Uhr, Do 11-21 Uhr

Ort:
Museum Kunstpalast, Kulturzentrum Ehrenhof, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf
T +49 (0)211-566 42 100 (Mo–Fr 8-18 Uhr)

Katalog (s. auch unter "Bücher" auf DBZ.de):

Wim Wenders. 4 Real & True 2. Landschaften. Photographien. Schirmer Mosel, München 2015, 29,80 €

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