Leben unter der Käseglocke

Wohnmedizinisches Symposium der Hochschule OWL

„Wenn wir Niedrigenergiehäuser haben wollen, müssen wir noch mehr auf Schadstoffe achten.“ Das sagte der Baubiologe Ralph Baden vom Gesundheitsamt Luxemburg auf dem ersten Wohnmedizinischen Symposium der Hochschule OWL, das am 12. November 2012 in Detmold stattfand.

Zu wenige Bauherren interessierten sich bislang dafür. Das Problem dabei: Auf ein Unbedenklichkeitssiegel kann sich der Verbraucher nicht verlassen. „Ich habe noch keins gefunden, dass alle Schadstoffe abdeckt“, kritisiert Baden. Für Autos und  Kaffeemaschinen bekomme man Nutzungshinweise, nicht aber für die Wohnung. Dabei halten wir uns ca. 90 % der Lebenszeit in Innenräumen auf, sagte der Wohnmediziner Prof. Klaus Fiedler (Universität Jena). Dies gilt in verstärktem Maße für Kinder und ältere Menschen. Während es für die sichere Ausgestaltung unseres Arbeitsplatzes umfängliche Rechtsvorschriften gebe, gelte dies nicht für unsere Wohnung selbst. Die Folge: 10 bis 50 % aller Gebäude hätten ein Problem mit Schimmelpilzen, schätzt Fiedler. Er kritisiert: „Der zunehmende Zwang zum Energiesparen und die entsprechende Gesetzgebung sind hier kontraproduktiv.“ Inzwischen seien Fenster und Fassaden so gut abgedichtet, dass für ein gesundes Raumklima alle zwei bis drei Stunden gelüftet werden müsste. Werde nachts im Schlafzimmer nicht gelüftet, habe man allein aufgrund des ausgeatmeten Kohlendioxids nach kürzester Zeit „hygienisch inakzeptable Zustände“.

„Es ist tragisch, dass die individuelle Belastung nicht wahrgenommen wird – vor allem nicht von der Politik“, meinte Umweltmediziner Dr. Peter Ohnsorge. Dabei hätten die an Umwelteinflüssen erkrankten Menschen zusammen durchaus eine Lobby: mit 4 bis 9 % der Gesamtbevölkerung sei diese Größe vergleichbar mit der Zahl der an Diabetes erkrankten Menschen. Wie aber bauen und wohnen wir gesund? Je weniger Materialien, umso besser. Und: Je weniger problematisch die Materialien, umso besser. Nicht die Dosis und die Art des Giftes allein definieren die Wirkung – vielmehr sei die Mehrfachbelastung ausschlaggebend. Aufklären über ein gesundes Raumklima müssten neben Vertreterinnen und Vertretern der Architektur und Medizin auch Sozialdienste und Hebammen. Vor allem Arbeitslose und Alleinerziehende seien belastet durch feuchte Wohnungen. „Es ist ein Dilemma, dass wir immer noch kein Präventionsgesetz haben“, stimmte die Umweltmedizinerin Prof. Claudia Hornberg von der Universität Bielefeld zu.

„Bauherren interessieren sich erschreckend wenig für die Schadstoffbelastung von Materialien“, hat Architekt Andrew Kiel von Sauerbruch und Hutton, Berlin beobachtet. Er plädierte dafür, die gesundheitlichen Kosten von schlechtem Bauen bei den Baukosten zu bedenken. Dabei muss baubiologisches Bauen nicht wesentlich teurer sein. Auf gerade einmal 324 € bezifferte der Baubiologe Ralph Baden vom Gesundheitsministerium Luxemburg die Mehrkosten bei einem Einfamilienhaus.

 

Dass auch die richtige Farbwahl einen großen, unbewussten Einfluss auf ein gesundes

Raumklima hat, darauf wies die Farbdesignerin Margit Vollmert (Caparol) hin. Einig waren sich die rund 80 anwesenden Vertreterinnen und Vertretern aus Medizin, Baubiologie und Architektur, dass für Erfolge interdisziplinär zusammen gearbeitet werden müsse. Denn, so Symposiumsorganisator Dr. Manfred Pilgramm (Hochschule OWL): „Die Medizin kann heilen, die Innenarchitektur und Architektur Krankheiten verhindern.“

 

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