Immer noch Welterbe oder schon nicht mehr?

Unesco-Welterbezentrum empfiehlt Streichung des Dresdner Elbtals von der Welterbeliste. Heinrich Lee empfiehlt das Gleiche

Im spanischen Sevilla wird es spannend und beinahe wirkt das Ganze so, wie die dramatische Inszenierung eines Krimis, in welchem zwar alle Täter bekannt sind, doch die Frage, ob es eine Leiche geben wird oder eher eine Schwerverletzte (die Bundesrepublik Deutschland), ist immer noch nicht zu beantworten: Dabei wollte das Unesco-Welterbekomitee am heutigen Donnerstagvormittag, 25. Juni, abschließend darüber entscheiden, ob das Dresdner Elbtal seinen Welterbestatus verliert oder nicht oder die Entscheidung auf 2010 verschoben wird.

Doch die Beratungen sind kompliziert, die Lobbyisten feilschen, was das Zeug hält. Kurz vor  kurz vor 14 Uhr jedenfalls hat das Komitee seine Beratungen unterbrochen; Mittagspause. Um 15.30 Uhr ging es weiter, jetzt, auf Antrag der kenianischen Delegation, sollte es eine geheime Abstimmung darüber geben, ob Dresden ein weiteres Jahr auf der Welterbeliste bleibt und die Entscheidung bis zur nächsten Komiteesitzung vertagt wird. Im Sommer 2010 trifft sich das Komitee in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia. Ein Ergebnis war bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erfahren.

Folgt das Komitee der von Ägypten und Brasilien vorgeschlagenen Verschiebung der Entscheidung auf nächstes Jahr nicht, folgen weitere Abstimmungen, möglicherweise auch zum ursprünglichen Beschlussvorschlag des Unesco-Welterbezentrums, das Dresdner Elbtal von der Welterbeliste zu streichen.

Für wie wichtig das Problem Dresden von der Unesco angesehen wird, zeigt die überaus zähe Verhandlung; offenbar möchte man die Bundesrepublik als verantwortliches Gegenüber hier nicht brüskieren, ohne ihr nun wirklich alle Möglichkeiten einer Reaktion eingeräumt zu haben. Bisher wurde erst ein Welterbe von der Liste gestrichen (www.oryxoman.com). Das Komitee änderte gar für Dresden die Tagesordnung und zog die mit Spannung erwartete Entscheidung vor.

Im Vorfeld der Entscheidung wurde seitens deutscher Sitzungsbeobachter erneut die Sturheit der Dresdner Stadtverwaltung kritisiert. In gleicher Weise ohne Verständnis blieb das Ergebnis einer Umfrage, nach welcher gut 50 Prozent der Dresdner den Welterbetitel für verzichtbar hält. Kurze Verkehrsverbindungen werden bevorzugt; was sicherlich sehr kurz gedacht ist.

Dresden, so Unesco-Vertreter, sei sich nicht darüber im Klaren, welchen Schaden es anrichte, trotz eindeutiger Beschlüsse seitens des Komitees weiter an der so genannten Waldschlösschen-Brücke zu bauen, keine tragfähigen Kompromissvorschläge abzugeben und das Risiko in Kauf zu nehmen, von der Welterbeliste gestrichen zu werden.

Sollte es noch zur geheimen Abstimmung kommen, müssen zwei Drittel der 21 Ländervertreter für die Aberkennung stimmen. Tun sie das nicht, muss ein neuer Beschluss formuliert werden. Das Unesco-Welterbezentrum empfiehlt in einer Beschlussvorlage eindeutig die Streichung des Dresdner Elbtals von der Welterbeliste. Man sollte es tun, es wäre ein deutliches Signal an taube Ohren und blinde Herzen. Heinrich Lee

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