Heinrich Lee. Heute: Nach dem Überschwang der Schlossalltag

Das Bundesbauministerium reicht erste Kostenkorrektur an die Ausschüsse ein

"Die scheinbare 'Geistlosigkeit' eines Zerstörungswerks kann nicht die Zerstörung des so entstandenen historischen Dokuments rechtfertigen." Ludger Fischer, Elf Thesen gegen die Zerstörung von Denkmalen durch Kunsthistoriker. 1994

"Sollte die historische Kuppel tatsächlich teurer werden als eine modern gestaltete, würden wir die Differenz übernehmen." Geschäftsführer Wilhelm von Boddien am 17.12.2008. Von den versprochenen 80 Mio. € für die Fassadenrekonstruktion hat W. v. B. bereits 17 Mio. € eingesammelt/versprochen bekommen; zum Teil schon ausgegeben.

Mit den folgenden Surplus, so wird kolportiert, hatte der Gewinner im Humboldt-Schloss-Wettbewerb, Franco Stella, Ende November 2008 die Jury überzeugt: Er setzt, über die Minimalmaximalwünsche unserer parlamentarischen Vertreter hinaus, eine Kuppelrekonstruktion aufs Modell, zeigt die Hoffassaden des Eosanderhofes in ihrem rekonstruieren Zustand, klebt keine Fassade sondern gleich ein ganzes Bauwerk, das von ihm so genannte Bellvedere, an die Schlosskopie im Osten, vergrößert die ohnehin schon viel zu knapp kalkulierte Fläche um 5 Prozent, erhält die historischen Kellerreste und zeigt uns, wegen der größeren Authentizität und um dem Vorwurf zu entgehen, auch er klebe nur historische Tapetenmuster auf Stahlbeton, die drei rekonstruierten Portale als bis in die Höfe hinein wiederhergestellt. Viel zu teuer, so lautete jetzt ein erstes überschlägiges Resumeé durch das beauftragende Ministerium, Stella soll seinen Entwurf abspecken.
 
Wo er das machen soll? Natürlich dort, wo das Schloss noch authentisch, aber eben nicht sonderlich repräsentativ ist (Keller); und die Portale müssten – zumindest in einem ersten Bauabschnitt – auch nicht durch die Seitenflügel hindurch rekonstruiert werden. Natürlich dürfe die Fläche die 40000 m² nicht überschreiten. Der Architekt kann sich vorstellen, am Fußboden zu sparen, auch an der Mächtigkeit des Sandsteinzuckergusses. Sicherlich wäre auch eine Kuppel möglich, die zunächst nur eine Hülle darstelle. Auch könne man …
 
Alle wissen es, und doch. Das Humboldt-Forum wird teurer, viel teurer. Jedenfalls mit dem Stella-Entwurf. Immerhin lässt die ministerielle Formulierung, bestimmte Fassadenrekonstruktionen seien „möglicherweise zurückzustellen“, aufhorchen: Der mit dem hochdotierten Sonderpreis aufgezeichnete Entwurf der Berliner Kuehn Malvezzi hat diesen Work-in-progress Ansatz gekonnt gegen die übrigen Totalkopisten ausgespielt. Noch ist es nicht zu spät, Herr Minister, Ihren Beitrag zur Schlossgeschichte zu einem staatsmännischen Beitrag in der Geschichte werden zu lassen. Schließlich haben Sie hier das letzte Wort! Oder nicht?!

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