Hans Hollein. 80. Geburtstag

Zwei große Ausstellungen zu Leben und Werk eines schillernden Architekten

„Was ist Architektur?“ Diese Frage beschäftigte den Künstler, Architekten, Designer, Ausstellungsmacher und Theoretiker Hans Hollein, der am heutigen 30. März 2014 seinen 80. Geburtstag feiert, von Beginn seiner Tätigkeit an. „Alles ist Architektur“ – so die kurze Antwort des mit dem Pritzker-Preis hochdekorierten Hollein.

Waren es zu Beginn seiner Laufbahn in den späten 1950er- und 1960er-Jahren bis heute aktuelle theoretische Schriften zur Architektur und auf der Höhe der internationalen Avantgarde stehende visionäre Architekturzeichnungen, Modelle und Collagen, in denen Raum, Baukörper, Stadt und Kommunikation neu gedacht wurden, folgten diesen Wettbewerbsentwürfe für Museumsbauten wie das Guggenheim Museum im Salzburger Mönchsberg. Mit richtungsweisenden Bauten wie dem Museum Abteiberg in Mönchengladbach und dem Museum für Moderne Kunst Frankfurt definierte Hollein das Verhältnis von Kunst und Architektur neu. Mit ihnen und dem Haas-Haus in unmittelbarer Nachbarschaft des Wiener Stephansdoms avancierte er in den 1980er-Jahren zum Star der internationalen Architekturszene. In den 1990erund frühen 2000er-Jahren entstanden weitere wichtige Bauten wie die Zentrale der Banco Santander in Madrid, das Europäischen Zentrum für Vulkanismus im französischen Auvergne bei Clermont-Ferrand, die österreichische Botschaft in Berlin, die Centrum Bank in Vaduz, das Headquarter der Interbank in Lima und das Bürogebäude Media Tower (Generali Tower) in Wien. Zu den in den letzten fünf Jahren fertiggestellten Projekten zählen Wohnhochhäuser in Peru, ein Büro- und Fabrikgebäude sowie weitere sechs Wohnhochhäuser in Taiwan. Aktuell in Bau befindet sich das 200 Meter hohe Bürohochhaus SBF Tower im chinesischen Shenzhen.

„Alles ist Architektur“ schließt jedoch auch Holleins Arbeit als Designer und Künstler mit ein: Seine legendär gestalteten Geschäftslokale wie das Kerzengeschäft Retti in Wien von 1964–1965 wurden zu Ikonen des Designs, Hollein entwarf Möbel, Lampen, Geschirr, Schmuck, Skulpturen, Installationen und opulente Ausstellungsinszenierungen. Als Universitätsprofessor in Österreich, Deutschland und den USA, Direktor der Architektur-Biennale Venedig (1996), Österreich-Kommissär der Kunstbiennale Venedig (1978–1990), Vorsitzender des Wiener Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung und Präsident des Österreichischen Kunstsenats hat er weit über das eigene künstlerische Werk hinaus den kulturellen Diskurs geprägt.

Anlässlich seines 80. Geburtstages werden sich zwei Museumsausstellungen seinem umfassenden Werk widmen: „Hans Hollein: Alles ist Architektur“ (12. April bis 28. September 2014) im Städtischen Museum Abteiberg in Mönchengladbach und die Schau „Hollein“ (25. Juni bis 5. Oktober 2014) im MAK Wien – Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst.

Hans Hollein entstammt einer Familie von Bergbauingenieuren. Sein Studium absolvierte er an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Clemens Holzbauer (Diplom 1956). Zu seinen prägenden Erfahrungen wurde eine lange Reise durch die USA, wo er in Chicago am ITT (Illinois Institute of Technology) und an der University of California, Berkeley studierte und dort 1960 mit dem Master of Architecture abschloss. In Amerika beschäftigte sich Hollein mit dem Werk von Ludwig Mies van der Rohe, Frank Lloyd Wright, Richard Buckminster Fuller, die er auch persönlich traf, und anderer Architekten der Moderne.

Um 1960 formierte sich in Wien die Architekturszene neu. Hollein fand nach der Rückkehr in seine Heimatstadt vor allem in Walter Pichler einen engen Mitstreiter gegen den Funktionalismus der Nachkriegsarchitektur. Mit ihm veranstaltete er 1963 in der von Monsignore Otto Mauer geleiteten „Galerie nächst St. Stephan“ die vielbeachtete Ausstellung „Architektur“, in deren Zentrum utopische Entwürfe von Stadtarchitekturen, Zeichnungen und Skulpturen standen. Theoretische Schriften untermauerten die Entwürfe.

Mit Skulpturen und Collagen, die sich heute in Sammlungen internationaler Museen wie dem Museum of Modern Art in New York oder dem Centre George Pompidou in Paris befinden, wurde Hans Hollein zu einem der wichtigsten Vertreter der Avantgarde der 1960er-Jahre. Er entwickelte pneumatische Gebilde, ein aufblasbares mobiles Büro und eine Telefonzelle als Minimalbehausung samt TV und sanitärer Einrichtung und zielte auf eine Erweiterung der Architektur ins Unendliche durch das Medium der Telekommunikation. Seine „Transformationen“, Collagen, in denen Flugzeugträger, ein Kaffeeservice oder ein Kühlergrill zu monumentalen Gebäuden umgedeutet und in Landschaften oder urbane Strukturen gesetzt werden, zählen zu den Ikonen der visionären Architektur.

Für sein reiches Schaffen wurde Hans Hollein mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Reynolds Memorial Award, USA (1966, 1984), dem Preis der Stadt Wien für Architektur (1973), dem Großen Österreichischen Staatspreis (1983), dem Pritzker Architecture Prize, USA (1985), dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1997), dem Arnold W. Brunner Memorial Prize in Architecture der American Academy of Arts and Letters (2004), dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (2009) und dem Preis für Kreativität und Innovation der Spanisch-Österreichischen Unternehmervereinigung (CEHAUS) gemeinsam mit Rafael Moneo (2012).

Aktuelle Ausstellung zum Hollein-Komplex in Mönchengladbach und Wien


12. APRIL – 28. SEPTEMBER 2014
STÄDTISCHES MUSEUM ABTEIBERG, MÖNCHENGLADBACH
HANS HOLLEIN: ALLES IST ARCHITEKTUR.
Ein neuer Blick auf Hans Hollein: Das Museum Abteiberg realisiert eine Ausstellung, die den Entwerfer dieses Museums, den Wiener Architekten, Designer, Künstler, Publizisten und Kurator Hans Hollein in neuen Perspektiven zeigt. Anlässlich seines 80. Geburtstags geht es um eine Neubetrachtung, die das medial und interdisziplinär ausgreifende Denken dieses Architekten, seine anthropologischen Begriffe von Architektur und Design, die Nähe zu Pop Art, Joseph Beuys, der Gegenwartskunst seiner Generation sowie seine wegweisenden Projekte als Museumsarchitekt und Ausstellungskurator vor Augen führt. Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Berliner Architekten und Kurator Wilfried Kuehn entworfen, es integriert neue Forschungsansätze jüngerer Architektur- und Kunsthistoriker und basiert auf vielen Materialien und Dokumenten aus dem Archiv von Hans Hollein, die in dieser Ausstellung erstmalig veröffentlicht werden.
Die Ausstellung „Hans Hollein: Alles ist Architektur.“ wird in Kooperation mit dem MAK WIEN vorbereitet, wo unter dem Titel „HOLLEIN“ eine weitere Neubetrachtung des Werks von Hans Hollein stattfindet.


Konzept: Wilfried Kuehn und Susanne Titz
www.museum-abteiberg.de
 


25. JUNI 2014 – 05. OKTOBER 2014
MAK WIEN – ÖSTERREICHISCHES MUSEUM FÜR ANGEWANDTE KUNST / GEGENWARTSKUNST
HOLLEIN
Die umfangreiche Ausstellung HOLLEIN wirft neue Perspektiven auf das vielfältige Werk des Künstlers, Architekten und Designers Hans Hollein. Anlässlich seines 80. Geburtstags wird insbesondere seine künstlerisch-anthropologische Arbeitsweise, mit der er an die MAK-immanente Verbindung von Kunst und Alltag anknüpft, beleuchtet. Schwerpunkte der Schau sind Holleins Vorreiterrolle in der Museumsarchitektur und die von ihm kuratorisch wie architektonisch gestalteten Ausstellungen und Biennale-Beiträge. Umfassendes Material aus Holleins Archiv wird zum ersten Mal veröffentlicht und macht den Entstehungsprozess seiner Arbeiten sichtbar. Neue Fotografien ausgewählter Räume und Bauten Holleins, die von den zeitgenössischen KünstlerInnen Aglaia Konrad und Armin Linke für die Ausstellung erarbeitet werden, machen das Werk, ergänzend zu den Originalmaterialien, aus neuer Perspektive erlebbar.

Gastkurator: Wilfried Kuehn, Kuehn Malvezzi, Berlin

Kuratorin: Marlies Wirth, MAK-Kuratorin
www.mak.at

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