Fackel im Sturm

Die Dämpfer für das Olympische Feuer von Sotschi kommen aus Deutschland. Von Robert Mehl, Aachen

Am kommenden Freitag werden im russischen Sotschi an der Schwarzmeerküste die mit rd. 50 Mrd. investierten Euro bislang teuersten Olympischen Winterspiele eröffnet. Entfacht wird der Olympische Geist auf einem etwa 50 m hohen Fackelturm. Damit die stürmische Natur der Schwarzmeerküste der flammenden Begeisterung nichts anhaben und den Turm nicht umwerfen oder gar zu Fall bringen kann, wurden speziell dafür Winddämpfer entwickelt.

Ein wenig erinnert der parabelförmige Turm an den aufragenden Stachel eines Skorpions. Entworfen wurde er im Rahmen des Masterplans für den Olympischen Park von dem internationalen Architekturbüro Populous aus Kansas City, das auch für das benachbarte Olympische Fisht Stadion verantwortlich zeichnen. Die eingespannte Tragwerkskonstruktion wird in der Fachterminologie als statisch „mehrfach unbestimmt“ beschrieben. Das bedeutet nichts Kritisches, lediglich, dass die auftretenden Querkraftmomente von der Konzeption her schon größer sind. Die größte Gefahr für dieses Objekt liegt hier in dem dazu kommenden, regionaltypischen Seitenwind, ab einer Geschwindigkeit von mehr als 40 km/h. Da aber starke Fallwinde von den Abhängen des über 4000 m hohen Altai-Gebirges (wo ja die meisten Disziplinen der Winterspiele ausgetragen werden) hin zu der subtropisch warmen Schwarzmeerküste eher die Regel als die Ausnahme sind, waren Vorsichtsmaßnahmen hier dringend geboten. Der dadurch zu erwartende Effekt könnnte ein so genantes „Galloping“ sein. Der Präzedenzfall dafür ist die Tacoma-Narrows-Bridge, die 1940 in solche Schwingungen geriet und nach kurzer Zeit kollabierte.

Die eigentliche Tragstruktur des Fackelturms ist eine im Hinblick auf Seitenwinde völlig unkritische Stahlfachwerkkonstruktion. Ein windanfälliges Moment entsteht erst durch ein Verblenden derselben durch verhältnismäßig leichte und sphärisch gekrümmte Metallkomposit-Paneele. Die Verblendung, für die die deutsche Firma Kalzip den Auftrag hatte, war nun das Problem: Ein russisches Ingenieurinstitut empfahl dringend, auf die Verkleidung zu verzichten, den Turm nur in seiner offenen Konstruktion zu realisieren. Für Kalzip hätte das den Verlust eines Prestigeauftrages bedeutet, die Koblenzer Firma schaltete das Institut für Stahlbau und Leichtmetallbau der RWTH Aachen als Berater ein. Dr.-Ing. Frank Kemper, Experte für Windlasten am Lehrstuhl für Stahlbau und Leichtmetallbau führte die entsprechenden Berechnungen kurzfristig durch und ließ den Turm mit einem 3D-Drucker im Maßstab 1:100 nachbauen.

Das Modell wurde dann ausgiebig in einem Grenzschichtwindkanal getestet, um so die natürlichen Turbulenzen zu simulieren. Mit Nebelschwaden und entsprechenden Laserscans wurden diese Verwirbelungen sichtbar gemacht und präzise dokumentiert. Tatsächlich konnten mit dem Modell beachtliche Sogkräfte nachgewiesen werden, welche das reale Objekt letztendlich in die befürchteten, kritischen Schwingungen versetzt hätte. Zur Abhilfe wurden drei dynamische, jeweils 600 kg schwere, Schwingungsdämpfer entwickelt, die dann in Windeseile nach Russland transportiert und eingebaut wurden. Denn, dass die seitlichen Sogkräfte überhaupt problematisch sind, davon hatten die Verantwortlichen erst im letzten Sommer Wind bekommen.


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