Das Schloss wächst

Tage der offenen Baustelle am Berliner Schloss/Humboldt-Forum am kommenden Wochenende (13. und 14. Juni 2015)

Alles im Plan. Keine größeren Probleme. Im Gegenteil: Das Schloss wächst und seine Fans wünschen sich immer mehr Schloss. Weil es einfach so gut läuft. Die Rekonstruktion der Innenfassaden, der Kuppelverkleidungen, vielleicht gar die von einigen Innenräumen ... wenns ins Budget passt und in den Rohbau, der am kommenden Wochenende Richtfest feiern kann. Und besichtigt werden kann in begrenzt freigegebenem Rahmen. Die Presse durfte schon mal schauen und reiste zahlreich an.

Auf dem Boden des Schlüterhofes stapeln sich Beton- und Natursteinelemente, die vor die Stahlbetonkonstruktion gestellt werden. Fachgerecht termisch getrennt, ziegelhintermauert. 8000 cm Naturstein werden benötigt, um die Fassadenschmuck- und Architekturelemente herzustellen, das ist ein Würfel mit einer Kantenlänge von 20 m. Der Würfel, mit dem man den Beton auf die Waage heben könnte, hätte eine Kantenlänge von knapp 47 m. Er würde die Schlosskuppel um rund 20 m überragen.

Aber was sagen schon Materialtonnage, wenn man nicht drinnen stehen kann! Und wir konnten. Rund 100 Journalisten waren wieder einmal geladen, mit dem Chef der Baustelle, Manfred Rettig, und - gleichsam inkognito, aber natürlich jedem Anwesenden bekannt - der Spiritus Rektor des Wiederaufbaus Wilhelm von Boddien. Und natürlich gefühlt 100 Helfern, die verhindern sollten, dass ein Fotograf oder schreibender Kollege irgendwohin ausbrach, sich zurückfallen ließ oder voraus eilte. Denn, und das wurden die nicht müde freundlich wie nachdrücklich zu wiederholen, wir befinden uns auf einer Baustelle.

Einer, die im Plan liegt und die offenbart, wie gut der rechte Winkel arbeitet: Trotz aller Weitläufigkeit und schieren Größe ist die Orientierung so gut, dass man auf die guten Helfer gerne verzichtet hätte. Der Rohbau ist ein wunderbarer Ort, um über das rationale Bauen zu räsonieren, über Licht und Luft und die Weite der Fensteröffnungen, die demnächst eingezogen wird durch den Einbau von Sandsteinlaibungen. Und Ziegelmauerwerk. Hochlochziegel für den Massenverbrauch und die Aufnahme der Sandsteinelemente später. Die Wände sind noch wie Schleier und schon die Montage der recht flachen Fertigbetonteile für die Binnenfassaden der Passage beispielsweise stören die beeindruckende Wirkung des Betongitterwerks.

Man ahnt schon die dämpfende Wirkung der dicken Schicht Pseudogeschichtlichkeit, die demnächst hier Touristen in die Irre führt, man ahnt schon die gestopft vollen Ausstellungsebenen, die das Erhabene des schieren Raums banalisiert durch museumsdidaktische Vitrinen-Konzepte und glattgeputzte Gipsleichtbauwände, Dreifachverglasung und Flüsterbelüftung.


2019 soll das Schloss seine Räume uns allen öffnen. Es wird. Gespannt kann man jetzt schon sein, wie der Architekt die Nahtstelle der Nord- und Südfassade mit der im Osten löst. Vielleicht wird sie aber auch niemand sehen wollen? Wir bleiben dran! Be. K.

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