Ein Leasing-Modell für das Gebäude

Das Geschäftsmodell Gebäude – Interview mit Jakob Przybylo

Auf dem 17. Anwendertag buildingSMART e.V. traf DBZ Redakteurin, Sarah Centgraf, Jakob Przybylo. Mit ihm sprach sie über BIM, das Geschäftsmodell Gebäude und ob die HOAI nun förderlich für BIM ist oder nicht.

Eine Studie der Architektenkammern ergab 78 % der Befragten Architekten kennen BIM, aber nur 12 % davon arbeiten tatsächlich damit. 6 Jahre nach erarbeiten des BIM-Leitfadens für Deutschland: Wo steht Deutschland zurzeit bei BIM?
Bei 12 %. Oder nicht? Also das ist dahingehend schwierig zu beantworten, weil hier diverse Abstufungen und Reifegrade anzutreffen sind. Wie definiert man den Erfolg von BIM im Unternehmen? So wie ich das wahrnehme, verstehen viele Planer BIM als eine Anwendung von Software. Aber was BIM aus geschäftlicher Sicht für Architekten und Ingenieure bedeutet, was sich ändern muss an Prozessen und auch an Strukturen und Verantwortlichkeiten: Diese strategischen Themen sind ebenso wichtig, werden derzeit aber kaum adressiert. Da würde ich sagen, Deutschland liegt bei 1 bis 3 %. Es gibt noch viel zu tun.

Wo kann man deiner Meinung nach ansetzen, um die 1 bis 3 % zu steigern?
… die unzureichende Ausbildung ist sicherlich Hindernis. Weder Prozessmanagement noch Change-Management werden kaum gelehrt, oder wie betrachte ich BIM als Unternehmer? BIM als Managementaufgabe zu sehen, was es am Ende auch ist, damit tun sich noch viele schwer.

Ist der Umbruch zu BIM nicht ähnlich wie der Umbruch von 2D zu 3D?
Aus meiner Sicht handelt es sich hinsichtlich BIM eher um ein Informationsmanagement. Ziel ist es vor allem, zu wissen was ich tue und wofür ich es tue. Ich kann unterschiedliche Modelle modellieren. Ich kann jeden Türdrücker – jedes Detail – modellieren – also das sogenannte „Puppenhaus-BIM“ planen. Aber wenn die Daten nicht im Modell sind, die ich z.B. Für die Kostenermittlung brauche, die Informationen unsauber oder zu viele Daten drin sind und ich sie nicht extrahieren kann, dann ist das Modell nutzlos. Dabei sind Daten, Informationen fundamental. Der Auftraggeber braucht sie für seine Prozesse und ich, als Architekt, benötige sie ebenso. Und dieses Dantemanagement-Wissen muss da sein – für den Auftraggeber, aber auch die eigenen Prozesse. Sie sind strategisch zu hinterfragen um festlegen zu können, wofür setzte ich BIM ein und wie bauen ich nun meine Datenmodelle dafür?

Reverse Engineering – vom Betreiben aus das Gebäude planen, was hältst du davon?
Grundsätzlich denke ich, dass das Thema Lebenszyklus eine immer größere Rolle spielen wird, integriert die einzelnen Beteiligten zu einem Team im Sinne des Projekterfolgs. Denn BIM impliziert die Vernetzung auf einer Vielzahl an Ebenen. Softwareprodukte verlinken sich, wie z.B. Modelle mit Kostendatenbanken, aber auch die BIM-basierte Teamkoordination verstärkt die Integration im Projekt. Dann suchen Unternehmen zunehmend Synergien, mittels strategischer Kooperationen, was voraussichtlich zunehmen wird. Der Gewinner ist der Bauauftraggeber und zieht daraus zunehmend Vorteile. Er ist immer weniger gezwungen eine Vielzahl an Einzeldokumenten der einzelnen Parteien zu vergleichen und prüfen. Vielmehr erhält er schlicht Feedback, dass alles plangemäß verläuft. Das bedeutet aber, dass das Arbeiten am Lebenszyklus zunehmend fachübergreifendes Wissen verlangt. Kompetenzen über alle Baudisziplinen, über das gesamte Projekt sind von Belang.
Die späten Phasen Betrieb, Abbau – die Effizienten dort werden immer wichtiger und sparen dem betreibenden Bauherrn viel Geld. Dort entstehen Handlungsfelder, die sich auf das gesamte Projekt auswirken. Beispielsweise Aspekte in denen das Thema Haftung eine wichtige Rolle spielt. Ein Bauherr braucht ein gut dokumentiertes Gebäude, um Risiken auszuschließen. Betreiberverantwortung und Schadstoffe, …

Und wie sieht das Geschäftsmodell Gebäude in Zukunft aus?
Am Ende ist es über den Lebenszyklus definiert. Ich denke, dass Bauprodukthersteller eine größere Rolle spielen werden. Und eine Art Leasing-Modell für das Gebäude erbringen, wie es beispielsweise bereits bei vorgefertigten Raumsystemen vorkommt. Sie übernehmen dann auch die Haftungsthemen, die ein Bauherr zukünftig gar nicht mehr im Griff haben kann. Natürlich wird das auf den Gebäudetyp ankommen, aber bereits heute treten wiederholt neue Anforderungen auf, die seine Betreiberverantwortung betreffen und erhöhen, z.B. Flammschutzmittel im Baumaterial, gesetzliche Haftungsverschiebungen... Die Zahl der Gründe, die Gebäudedokumentation digital, richtig und vollständig zu haben, steigt. Und ganz genau darüber Bescheid zu wissen, wer für welchen Einbau verantwortlich ist, welche Maßnahmen wie eingeleitet werden sollen etc. Die BIM-basierte Planung ist bereits die Grundlage dafür.

Macht BIM den Gebäudezyklus nachhaltiger?
Ja. BIM verknüpft alle und verlagert die Leistungen im Lebenszyklus. Das Bauen wird effizienter und damit nachhaltiger.

Macht es nicht auch Unmögliches möglich und minimiert damit auch die Ressourceneffizienz?
Das war vor 20 Jahren so, als Tools wie Rhino aufkamen und neue Formen gebaut wurden, ohne die ganzen Werkzeuge wäre das immer noch Theorie. Das sehe ich jetzt aber nicht.

Wie verändert das dann die Architektur?
Es wird viel über Formen gesprochen, dass man mit BIM-Objekten eine Form von Standardisierung mit einbringt. Für mich ist nicht klar, an welcher Stelle BIM die Gebäudeformen tatsächlich verändert. Aber auch die Frage nach dem zukünftigen Geschäftsmodell Gebäude stellt sich. Wo entsteht der Mehrwert, wo entsteht die wahre Wertschöpfung am Ende und wie partizipiert man daran als Planer?
Da wird es auch interessant zu sehen, wie sich die Kammern dazu positionieren …

Die HOAI wird bei der Anwendung von BIM manchmal als Hemmnis gesehen. Nun steht die HOAI vor dem EuGH zur Debatte. Hindert die HOAI die Einführung bzw. die Verwendung von BIM?
Da finden sich ganz unterschiedliche Meinungen. Es gibt Anwälte, die sagen, ohne Anpassung gibt es kein BIM. Stand heute, losgelöst, HOAI ist eine Leistungsbeschreibung mit Preisschildern und hat aus meiner Sicht keinen Einfluss auf die Methode BIM. Aber wenn ich darüber spreche, wie wir es gerade getan haben, über Zukunftsszenarien, Verlagerungen in der Wertschöpfung und wie Projekte in der Zukunft aussehen können, dann wird man früher oder später nicht drumherum kommen, andere Vergütungsmodelle in Betracht zu ziehen. An der Stelle sehe ich die politische Arbeit der Architektenvertreter als einen wichtigen Faktor – proaktiv solche Perspektiven zu erarbeiten und zu befeuern – mitgestalten. Visionen entwickeln, um es selbst prägen zu können. Aber auch den Leuten sagen: Jede Veränderung hat ihre Vor- und Nachteile. Und schaut mal, es gibt neue Potentiale. Da müssen wir hin.

Wo sieht es denn besonders gut aus mit den Vergütungsmodellen?
Gute Frage. Es finden sich vereinzelte Diskussionen, wie man die Arbeit eines Planers, eines Architekten zukünftig zu bewerten hat. Eine interessante Option ist die, dass die Betriebsphase von Gebäuden im Gebäudepreis mitberücksichtigt wird und so die Qualität des Bauwerks mit Einlass findet. Das können die ersten 5 bis 10 Jahre nach Fertigstellung sein. Das würde schon vieles verändern, hätte Vorteile für den Planer und vielleicht auch positiven Input in Bezug auf die Gebäudequalität.
Bei anderen existierenden Modellen, bin ich nicht sicher, in wie fern sie übertragbar sind. Die USA ist immer ein gern gewähltes Beispiel. Aber lässt sich das übertragen? Deutschland muss seinen eigenen Weg finden! Und das Projekt als Ganzes betrachten – BIM als kompatible Arbeitsmethode, bei der man gemeinschaftlich möglichst langfristig gemeinsam an der Wertschöpfung partizipiert.

Zurück zur Kooperation ...
… genau zurück zur Kooperation. Es gibt den Begriff Baumeister. Den Begriff wiedereinzuführen, soweit würde ich nicht gehen. Vielmehr, dass man sich als Team mit hoher Diversität versteht und gemeinsam den maximalen Projekterfolg zum Ziel hat.

Kann man sich als Architekt und Ingenieur sowie der Bauherr noch leisten, BIM zu ignorieren?
Bauherr noch, aber nicht langfristig. Alle anderen nicht mehr!

Warum nicht?
Es gibt in Deutschland die Pflicht ab 2020 Infrastrukturprojekte mit BIM zu planen. Man merkt aus England, dass die privaten Auftraggeber nach den Öffentlichen viel stärker nachgezogen haben. Das ist in Deutschland bereits ähnlich. Wir haben bereits motivierte, private Bauherren, die Industrie, die Projektentwickler. Das Muss für BIM ist da! Auch die besagten Betreiber, weil sie die Haftungsrisiken zukünftig nicht in den Griff bekommen. Die ganze Bestandshaltung wird sonst unkalkulierbar.
Und dann sind natürlich die Architekten und Ingenieure da. Die wesentliche Frage ist, ob ich warte bis den Markt soweit ist oder die Zeit nutze und den Weg für mich nun selbst gestalte. Falls ich jetzt beginne, ist es ein berechenbarer, angepasster Einstieg, bei dem ich wählen kann: Wie führe ich BIM ein? Wie passt es zu mir und meinen Mitarbeitern? Die Alternative ist, dass plötzlich BIM-Dokumente auf den Tisch kommen, die ich weder lesen noch verstehen, oder bewerten kann. In dem Moment kann ich nicht sagen, was meine Risiken darin sind beziehungsweise was ich davon umsetzen kann, ob es 10 oder 100.000 € kostet. Auf die Art verliere ich meine Auftraggeber oder viel Geld.

Wann ist der beste Zeitpunkt mit BIM anzufangen?

Gestern!

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte DBZ Redakteurin, Sarah Centgraf, am 29. März 2019 in Düsseldorf auf dem 17. Anwendertag des buildingSMART e.V.

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