LBS/BDB-Studentenwettbewerb NRW vergeben

Metamorphose der Martinikirche: Drei Preise und zwei Ankäufe verliehen

Umwidmung von Sakralbauten: Allein in Bochum gibt es 21 aufgegebene Kirchen. Und die Zahl wird aller Voraussicht nach weiter steigen. Zum einen sinkt die Anzahl der Kirchenbesucher, zum anderen können Gemeinde und Stadtteile die Bauwerke nicht mehr finanzieren. Ein ähnliches Schicksal wird die denkmalgeschützte Martinikirche im Stadtteil Bochum Goldhamme ereilen. Weshalb der BDB.NRW gemeinsam mit der LBS West und inhaltlich unterstützt vom Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (MBWSV.NRW) 2012 einen Studentenwettbewerb auslobte. Die Studierenden sollten eine angemessene Umnutzung für den Sakralbau finden.

Eingekeilt zwischen Industrie- und Wohnbauten fordert das Grundstück eine intensive Auseinandersetzung mit dem Stadtteil, dessen Bewohner und deren Bedürfnisse. Neben der Umnutzung der Kirche waren die Wettbewerbsteilnehmer aufgefordert eine maßvolle Verdichtung mit barrierefreien Wohnungen um die Kirche zu planen, als Reaktion auf den demografischen Wandel. Des Weiteren waren die Aspekte des Lärmschutzes sowie des Klimaschutzes zu berücksichtigen.

Diese Aufgabe hat nach Ansicht des Preisgerichts Adrian Fuhrich am Besten gelöst. Aus 30 eingereichten Arbeiten wählte die Jury unter dem Vorsitz von Prof. Ulrich Hahn, FH Aachen, die Arbeit von Fuhrich aus. „Was bei der Fülle der Arbeiten“, wie Hartmut Miksch, Präsident der Architektenkammer NRW (AKNRW) und ebenfalls Jurymitglied, „nicht leicht fiel“.

Multifunktionaler Raum

Fuhrichs Beitrag sieht ein „Haus im Haus“-Konzept vor. Die Kirche soll eine Begegnungsstätte werden, die mit einem Multifunktionsraum verschiedenen Benutzungen Platz bietet – von der Yogastunde bis hin zur türkischen Hochzeit. Anhand eines detaillierten „Stundenplans“ (Belegungsplans) weist Fuhrich die Machbarkeit seines Konzepts nach. Abgeleitet von Stadtteilstudien, die Mängel an Freizeitangeboten aufzeigen, entwickelt Fuhrich sein Konzept und unterstreicht die Legitimation eines neutralen Raums in einem Sakralbau. Der wie er zugibt, „für Investoren oftmals keine reizvolle Idee ist“. Einfacher wäre sicherlich eine einfache Mono-Nutzung gewesen. Dennoch überzeugt seine Arbeit mit städtebaulichen Qualitäten - vor der Kirche entsteht ein großer Platz -, und detaillierter Darstellung. Die Rahmenkonstruktion des Wohnriegels findet sich konstruktiv im Kirchenraum als Multifunktionsraum wieder. Der Entwurf entstand als Bachelorarbeit an der RWTH Aachen, an der Fuhrich ab Oktober seinen Master in Baukonstruktion absolvieren wird.

Die Preisverleihung – Bochumer Stadtgespräche

Zwei weitere Preise und zwei Ankäufe wurden ebenfalls ausgezeichnet, im Rahmen der Bochumer Stadtgespräche der BDB-Studentenwettbewerb. Zum 16. Mal verlieh Hartmut Miksch den Preis. Ins Kunstmuseum Bochum kamen etwa 80 Gäste, um neben der Preisverleihung auch das weitere Abendprogramm zu hören. Denn BDB.NRW und LBS West greifen mit dem alle zwei Jahre ausgelobten Preis aktuelle Themen auf und formulieren sie zu einem Studierendenwettbewerb.

Vor der Preisvergabe hielten Gregor Schneider, Leiter der Vorstandsstäbe LBS West, Sigrid Koeppinghoff, MBWSV.NRW, und Helmut Dockter, Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung NRW, Ansprachen. Alle waren sich einig darin, dass die Umwidmung von Kirchen ein hochsensibles Thema ist. Mehrmals vielen die Worte Demografie und Klimaschutz, die Leitthemen des Entwurfthemas. Wie Dockter zitierte, „Architektur hat die größte gesellschaftliche Wirkung“, denn sie ist nicht wegzudenken, nicht wegzuschließen – immer da, ständig präsent. Das sei dann auch die Herausforderung dieses Wettbewerbs gewesen, einen Quartier prägenden Bau mit unkonventionellen Lösungen umzunutzen.

Identifikationsort

Wie Burkhard Huhn in seinem Vortrag feststellte, ist die Kirche eines der wichtigsten Gebäude der Europäischen Stadt – zumindest ehemals gewesen. Sie sei ein emotionaler Ort. Ein Identifikationsort für Menschen im Quartier, dem augenscheinlich die Menschen und damit auch die Gelder abhanden kommen. Kuhn führte einige gelungene Beispiele in Bochum an – Christuskirche, Friedenskirche –  da hätten die Umwidmungen in Kulturstätte und Stadtteilzentrum funktioniert. Denn es gäbe nur zwei Möglichkeiten für aufgegebene Kirchen – Abriss oder Umnutzung. Und er kritisierte den Denkmalschutz. Zu Recht, denn die Eintragung schützt ebenso wenig vor dem Abriss, wie sie die Umnutzung vereinfacht.

Preisträger

Anschließend stellte Hartmut Miksch, Präsident AKNRW, die Preisträger vor. Der 2. Preis ging an Andreas Richert und Eduard Benke, FH Bielefeld. Sie gaben der Kirche die neue Funktion eines Wissensspeichers. Die Bibliothek dominiert den Kirchenraum mit einem Kubus, der das Kirchendach durchbricht und so von außen sichtbar ist. Ein L-förmiger Wohnriegel flankiert die Martinikirche.

Der 3. Preis vergab die Jury an Melanie Werthenbach, Universtät Siegen. Die Kirche wird zu einem Seniorentreff und Café. Fünf Solitäre sind um die Kirche angeordnet.

Die beiden Ankäufe wurden von zwei Dreiergruppen bearbeitet: Anja Breil, Birga de Graaff, Franziska Sprengel von der Hochschule Bochum. Deren Entwurf sieht den Kirchenraum als Treffpunkt für das Quartier. Abgeleitet von Mönchsgärten, erstreckt sich das Gebiet nach Süden. Dort finden sich die Wohnbauten.

Und Dennis Gebhard, Marie Quast und Rebecca Verch ebenfalls Hochschule Bochum. Die drei Studierenden ergänzen mit ihrem Entwurf das Quartier mit einer Jugendherberge. Sie soll für Reisende ein Ort des Austausches sein.

Zum Schluss ist noch zu sagen, dass alle Preisträger Architekturstudierende waren. Der 4. Preis, ein Sonderpreis für Konstruktion, konnte nicht verliehen werden, da keine Arbeiten vorlagen. Angehende Bauingenieure traut euch! Im nächsten Jahr wird der 17. BDB/LBS-Studentenwettbewerb ausgelobt. S.C.

Alle prämierten Arbeiten sind noch bis zum 10. Oktober 2013 im Kunstmuseum Bochum zu sehen. Weitere Informationen zu den Texten des Preisgerichts finden Sie hier.

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