Andreas Schlüter. Bildhauer

„Schlossbaumeister Andreas Schlüter", Ausstellung und Aneignung in Berlin

Wir wissen eigentlich fast nichts von Andreas Schlüter. Das Meiste, das wir heute noch von ihm besitzen sind einige Skulpturen, zahlreicher Wandschmuck und ein paar Bronze(ab)güsse. Dann gibt es noch eine Handvoll Zeichnungen, deren Provinienz bis heute aber eher nachvollziehbar behauptet denn eindeutig belegbar ist.

Ganz schön wenig – wenn auch im Ganzen ganz schön – von einem Mann, der in den letzten Jahren seinen Kopf für so manches hinhalten musste, insbesondere aber für den Titel „Schlossbaumeister“. Den er zu Lebzeiten niemals innehatte, „Schlossbaudirektor“ war sein Titel, was eher auf eine leitenden Position in der Baukammer verweist denn auf einen Architekten. Und er war ja auch "Hofbildhauer", als solchen hatte ihn Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg absichtsvoll nach Berlin geholt.

Aber Häuser hat er dennoch gebaut, der Mann, dessen Todestag in diesem Jahr seine 300ste Wiederkehr hat, vermutlich. So kann man davon ausgehen, dass das Zeughaus (nach Plänen Arnold Nerings) von ihm ist, wie auch die Alte Post und das Haus Kameke. Sein wohl größter Auftrag war dann die Überarbeitung und Erweiterung des Schlosses, dass er – auf das Volumen geschaut – bis zur Hälfte dessen fertigstellte, was heute in Berlin als Stahlbetonskelettbau mit Steinvorhang rekonstruiert wird. Vor ihm und vor allem nach ihm haben größere und weniger bedeutende Baumeister am Schloss gearbeitet, in der Summe so viele, dass sogar der die Wiedererrichtung betreibende Schlossverein auf seiner Website von einer „Kopie“ spricht, die nach einem Beschluss des III. Parteitags der SED gesprengt wurde (kopiert wurde allerdings, so der Verein, das Schlüter-Original). Eosander, Stühler, sie und weitere hätten Anspruch auf den Titel, vielleicht gar am Ende Franco Stella, der der Schlossgeschichte das aktuell letzte Kapitel hinzufügt, die Kopie der Kopie einer Kopie?!

Diese komplizierte Gemengelage der Quellen ist dabei nicht das, was eine Kommunikationsmaschine gerne hat für die Erfindung und Verbreitung von Bildern. Außenwerbung, die treffen soll, muss sehr einfach sein. Beispielsweise: „Schlossbaumeister Andreas Schlüter". Das liest man zur Zeit massenhaft im Großraum Schlosswiederaufbau/Museumsinsel. Aber auch so verwirrende Sätze wie „Schloss aus Ende“ oder „Schloss für Heute“ (Schluss für Heute?). Die Plakate weisen auf eine große Ausstellung, die zur Zeit im Bode-Museum aufgebaut ist und sich – man hätte es nicht gedacht – eher auf die Unterzeile der Außenwerbesprüche bezieht denn auf den großen Titel: „Andreas Schlüter und das barocke Berlin“ lautet dieser und hier entfaltet die sich über viele Räume erstreckende Schau eine Großartigkeit, die selbst in Berlin nicht alltäglich ist.

Den Künstler Schlüter (den Künstler!) wolle er bekannter machen, seinen Verdienst um die Entwicklung Berlins zur Metropole. Dr. Hans-Ulrich Kessler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bode-Museum SMB und Kurator der Ausstellung ist es ein großes Anliegen, den Bildhauer Schlüter so bekannt zu machen, wie er es verdient habe. Denn wenn er auch nicht über ein breites bildhauerisches Werk verfüge, so sind Einzelarbeiten aber von einer Qualität, die der eines Michelangelos in nichts nachstehen. Schlüter, der Michelangelo Deutschlands?

Das wäre vielleicht die bessere Kommunikationsstrategie gewesen, denn wo der Name des italienischen Großmeisters daraufsteht, sind volle Säle garantiert. Ein „Schlossbaumeister“ erfüllt hier offenbar einen anderen Zweck. Und wirklich erweckt der Rundgang durch die Schau den Eindruck, hier hätten sich die Wiederaufbaulobbyisten aufs Trittbrett einer ansonsten nüchtern wie noblen Ausstellungskonzeption gestellt und würden ihren Schlossbaumeister vom Können des großen alter ego Bildhauers zehren lassen. Die Köpfe, die Bronzestatuen und ganz besonders beiden überlebensgroße Skulpturen aus der Schlossfassade, beide bis zur Beinaheunkenntlichkeit von der Zeit zerfressen und geschwärzt, geben dem Künstler Schlüter das Über der Zeit stehen, das einen großen Künstler ausmacht. Das Schloss damals ist von solcher Qualität sehr weit entfernt, von der Kopie der Kopie der Kopie ganz zu schweigen. Be. K.


„SCHLOSS BAUMEISTER. Andreas Schlüter und das barocke Berlin“, noch bis 13.07.2014 im Bode Museum, Museumsinsel, Berlin. Katalog (Hirmer) und Stadtführer

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