"Altdeutsch zu entwerfen ... will ich nicht mehr“

Eine Ausstellung zu Leben und Werk von Walter Papst bei Wilkhahn

Als Walter Papst (1924-2008) mit fünfzig Jahren sein Designstudio in Köln schließt, hat er deutsche, auch internationale Möbelgeschichte geschrieben. Viele seiner Stühle, Tische oder weitere Objekte des täglichen Gebrauchs haben Einzug gehalten in öffentliche wie private Häuser und in die Standardwerke zum Design des 20. Jahrhunderts sowieso. Manches davon hat die nachfolgenden Entwerfergenerationen in ihrer Formenentwicklung beeinflusst. Dass Papst so früh schon, gleichsam noch auf dem Höhepunkt seiner Kreativität, die Finger vom Industrieprodukt und seiner Entwicklung ließ, muss man bedauern, doch Papst wäre nicht eben der Papst gewesen, wenn er gemacht hätte, was man von ihm erwartete. Im Gegenteil hochsensibel, war sein Rückzug aus dem Geschäft der neuen Designauffassung zu verdanken, die mit Memphis und Postmoderne seinen an der Ulmer Tradition geschulten Formvorstellungen diametral entgegen liefen; so jedenfalls glaubte er: „Altdeutsch zu entwerfen, wie es jetzt Mode ist, will ich nicht mehr.“
 
Er begann zu schreiben, das heisst, er nutzte die Jahre, um in leidenschaftlicher Sammlertätigkeit Beweise zusammen zu tragen, Beweise für eine außerirdische Schöpferkraft, die nicht monotheistischen Glaubensverfassungen entsprungen war. 1994 erschien sein erstes Werk (Der Weltenbaum, Ullstein), eine antiwissenschaftliche Wissenschaft von der Entstehung allen Lebens im All. Dass man diese und weitere Schriften in der damaligen Zeit nicht wahrnahm, muss an der Däniken-Hysterie gelegen haben, heute ist dieser wie jener von allenfalls literaturhistorischer Bedeutung.
 
Wilkhahn, Möbelhersteller in Bad Münder, dem Walter Papst sein besten Entwürfe für die Serieproduktion entwickelte, hat nun den Nachlass des im vergangenen Jahr verstorbenen Designers vor dem Verschwinden bewahrt. Und eine Ausstellung am Werksgelände aufgebaut (mit dem Büro Dirk Meyhöfer, Hamburg). Hier werden einige seiner Arbeiten gezeigt; Prototypen, erste Serienfertigungen und Weiterentwicklungen (hier insbesondere der Dreibeiner, den Wilkhahn – wie schon die Schaukelplastik zum Firmenjubiläum – neu auflegte, in technisch aber auch optisch verbesserter Form). Schaukästen stehen, vollgestopft mit Skizzen, persönlichen wie offiziellen Briefen und allerlei unidentifizierbarem Kram zwischen den großen, in den Raum gehängten Schautafeln, welche die Übersicht über den „Kosmos Papst“ in Themenkapitel gliedern. Zeit sollte man mitbringen und vielleicht die zur Ausstellung gemachte Broschüre „montags beim papst“ lesen, am besten in einem der ausgestellten Strandkörbe („verstellbare Sitz- und Liegeeinrichtung mit einer Wetterschutzhaube“) aus wetterfestem Polyester; hier liegen Kopfhörer bereit, über welche der Besucher in teils fiktiven Gesprächen mit echten Partnern den ganzen Papst um eine weitere, sehr lebendige Facette ergänzen kann (die Audio Collage von Meyhöfer liegt der Ausstellungsbroschüre bei). „Die Leute wollen nur, was sie kennen“, so Walter Papst angesichts der gescheiterten Markteinführung des genial Vielzweckmöbels. Wäre er dieser Erkenntnis schon eher gefolgt, wäre die Dingewelt ärmer, die der SF-Literatur auch. Be. K.

Ausstellung „montags beim papst“, Mo bis Fr, 9-17 Uhr, Wilkhahn, Fritz-Hahne-Straße 8, 31848 Bad Münder (Eimbeckhausen), Tel.: +49 (5042) 999-0, www.wilkhahn.de . Die Ausstellung läuft bis zum Juni 2009, eine vorherige Anmeldung sollte über Frau Gisela Hahne unter gisela.hahne@wilkhahn.de erfolgen.

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