Guggenheim probierts mobil

Neues Ausstellungskonzept involviert große Architektennamen ... ohne jedoch große Architektur auf Dauer herzustellen

Die „Guggenheimer“, wie man die weltweit agierende Guggenheim Foundation, Sitz in New York City, necken möchte, sind schon wieder unterwegs, die Welt mit ihrer Kunst zu beehren, zu konfrontieren, zu überraschen oder auch: zu nerven. Dass, was Thomas Krens zwischen 1988 und 2008 angestoßen hatte und was der Stiftung den Vorwurf einbrachte, er kultiviere ein „Mc-Guggenheim"-Prinzip, wird jetzt nach der weltweiten Krise auch auf dem Kunstmarkt in subtilerer, fast möchte man schreiben geläuterter Weise fortgeführt.

Die stürmische Expansionsbewegung der Guggenheimer, die mit dem Bau des Museums in Bilbao ihren Höhepunkt hatte (Arch.: Frank O. Gehry), ist in den letzten Jahren und sicherlich mit dem erzwungenen Rücktritt Krenz aus der ersten Reihe beruhigt worden; viele Projekte, die der ehemalige Guggenheim-Chef sich selbst zum Andenken – so schien es manchmal – setzen wollte, wurde nach großem Medientamtam abgeblasen.

Prominentestes Beispiel hierfür das wiederum von Gehry geplante Guggenheim Museum am East River, NYC, das 2002 wegen zu hoher Baukosten (etwa 700 Mio. €) aufgegeben wurde; nicht, weil Thomas Krens es nicht doch am liebsten gebaut hätte, schlicht, weil die Finanzgremien der Stiftung die Ampel längst auf Rot geschaltet hatten, die Stiftung Personal abbaute und Kunstankäufe nur noch in geringem Umfang tätigte. Etwas weniger kipplig aber eben noch immer nicht begonnen wartet Krens ambitioniertetes Projekt, das Guggenheim Abu Dhabi, auf sein In die Welt gesetzt werden. Sein Architekt? Frank Gehry, wer hätte es nicht gedacht. Ganz sicher dagegen: Die Museumsableger in Salzburg und Wien, in Rio de Janeiro, Bahia und Curitiba, in Korea, Singapur, Hongkong, in Tokio und Osaka, in Taichung auf Taiwan sind alle gescheitert. In Venedig, wo der ehemalige Direktor die Sammlung über den Palazzo von Peggy Guggenheim hinaus auf die Dogana ausdehnen wollte, hatte er gegenüber dem französischen Milliardär Pinault das Nachsehen. Offenbar hatte Krenz wirklich die ganze Welt im Auge, der Welthandelsvertreter in Sachen Kunst sah einen Markt, den es tatsächlich nicht gab (den Investitionen für die Neubauten standen immer auch Rechnungen gegenüber, die Krenz für die Namensnutzung „Guggenheim“ ausstellte. Bilbao zahlte läppische 13, 4 Mio. Euro, die Scheichs in Abu Dhabi müssen für vierzig Jahre währende Namensrechte des benachbarten Louvreablegers (Arch.: Jean Nouvell) eine knappe Milliarde Euro auf den Tisch des Pariser Hauses legen! Das Guggenheim wird sich da nicht lumpen lassen).

Doch jetzt diese Meldung: Der deutsche Automobilhersteller BMW sponsort für zunächst sechs Jahre mobile Museumscontainer, die in drei Regionen der Welt die Kunst der Guggenheimer unters Volk bringen sollen. 450 m² große „Guggenheim-Labs“ sollen in Europa, Asien und Nordamerika unterwegs sein, jeweils rund drei Monate in einer Stadt aufgebaut stehen um von hier aus die Guggenheim-Tournee in weitere Städte fortzusetzen. Die Architekten des vielleicht im Spätsommer 2011 in den USA startenden „Architect-Designed Lab“ sind schon ausgewählt. Atelier Bow-Wow, Tokyo (Grafikdesign: Sulki & Min (Seoul)) ernannt., liefert das erste mobile Kunst-Labor, von welchem Yoshiharu Tsukamoto, Partner bei Atelier Bow-Wow, lediglich anmerkte, das Museum auf Rädern werde zerlegbar sein und „wahrscheinlich aus irgendeinem Metall“ gefertigt. Diese Metallkonstruktion wird die ersten zwei Jahre auf Reisen sein.

Klarer ist immerhin schon das Thema der ersten Ausstellung: „Confronting Comfort: The City and You“ soll über vorab geführte Interviews mit Passanten auf der Straße klären, was sie an der Stadt lieben, was sie hassen; bisher scheint die Antwort: die Menschen! die häufigste gewesen zu sein.

Richard Armstrong, der Krens-Nachfolger möchte damit die Kunst näher an die Menschen bringen und zugleich Werbung für Guggenheim machen. Er hofft, dass die Labs der Stiftung neue Kunden bringen und freut sich darauf, dass Guggenheim wieder einmal mit großen Architekten zusammenarbeitet, „ohne dabei neue Bauten zu sammeln.“ Scheinbar haben die Stifter aus der Vergangenheit gelernt. Be. K.

Atelier Bow-Wow, Architekt des ersten BMW Guggenheim Lab, wurde 1992 von dem Ehepaar Yoshiharu Tsukamoto und Momoyo Kaijima in Tokio gegründet. Die Agentur hat sich vor allem für überraschende, eigenwillige, jedoch hochfunktionale Wohnprojekte in Ballungsräumen einen Namen gemacht, wobei die praktische Arbeit auf einer eingehenden, unvoreingenommenen Untersuchung der bestehenden kulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen beruht. Diese Untersuchungen haben das Atelier zur Prägung des Begriffs "Pet Architecture" für die Vielzahl von skurrilen, kleinen, jedoch funktionalen Gebäuden veranlasst, mit denen in Tokio auch kleinste Flächen bebaut werden. Eine begeisterte Fangemeinde eroberte sich Atelier Bow-Wow auch mit innovativen Projekten bei Ausstellungen wie der Biennale 2010 in Venedig (als offizieller Vertreter Japans) und der Biennale in São Paulo und an Veranstaltungsorten wie der Hayward Gallery in London, der Neuen Nationalgalerie in Berlin, der Gallery im REDCAT in Los Angeles, der Japan Society in New York und dem OK Offenes Kulturhaus Oberösterreich in Linz, Österreich.

Weitere Informationen zum Atelier Bow-Wow finden Sie unter www.bow-wow.jp

Informationen zum Guggenheim Lab auf der Guggenheim-Seite.

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