„Onomatopoeia Architecture. Kengo Kuma“, in Bonn

Als ich den japanischen Architekten Kengo Kuma in der Bonner Bundeskunsthalle fragte, ob er mir sagen könnte, wieso wir Deutschen die japanische Architektur so sehr bewunderten, war er überrascht. Und sei es, weil Japaner prinzipiell höchst höfliche Menschen sind, sei es, weil er tatsächlich keine Antwort wusste. Er erzählte von Bruno Taut, dem deutschen Architekten, den die Japaner  wiederum schätzen und der in den 1930er-Jahren in Japan lebte und arbeitete. Neben einem Haus entwarf und baute Taut dort einige Möbel und kleine, meist kunstvoll von japanischen Handwerkern gefertigte Gebrauchsgegenstände. Das habe ihn, so Kengo Kuma im Gespräch (hier auf S.  4f.), stark beeinflusst, die Entwicklung seines Werks angetrieben; anders als die von ihm zwar bewunderten, aber eben nicht als Vorbild erkannten Walter Gropius und Mies van der Rohe.

Das Handwerkliche, das eher Intuitive, das Suchen nach einer Seele statt eines errechneten Dreh- oder Kipppunkts: Kengo Kuma war früh schon im Dialog mit dem Material. Und zwar unbeirrt bis 2011, als die Stadt Fukushima auf der Weltkarte zu leuchten begann. Bis dahin war alles, was Architektur realisiert, erlaubt, auch Beton. Doch mit der Erkenntnis, dass die Natur mit dem scheinbar solide Gebaute en passant sehr kurzen Prozess machte, ist ihm dieser Baustoff nur noch da erlaubt, wo er unumgänglich ist.

Was sich möglicherweise auch veränderte, ist, dass der immer schon gesuchte Dialog mit dem Material nun auch eine Sprache gefunden hat, die Onomatopoesie, die Lautmalerei. Für den Architekten besteht zwischen dem (Bau-)Material und dem menschlichen Körper eine dialogische Verbindung. Schwingungen ersetzen die „Logik der Sprache“, die er nicht mehr verwenden möchte, da die reguläre Grammatik den Menschen von sich selbst entfremde, so der Architekt.

Das mag Manchem esotherisch anmuten; wer allerdings in Bonn durch die Ausstellung geht, die dreizehn wichtige Arbeiten über ein Modell und Fotos zeigt, die jeweils dreizehn verschiedenen Lautgruppen zugeordnet sind, kann das Konzept, wenn nicht nachvollziehen, so doch erahnen: „tsun tsun“ steht für Druck/Explosion, „pata pata“ für Licht/Verflechtung, „fuwa fuwa“ für Elastizität /Membran und so fort. Damit, so der Reyner-­Banham-Professor an der Bartlett School of Architecture, UCL London, Mario Campo, verfolge Kengo Kuma einen „digital-diskreten/parametrischen“ Ansatz, der entgegen aller Vermutung hochtechnische Werkzeuge zeitgemäß in Entwurf und Fertigung implementiere, sich dabei aber stets an der hochwertigsten japanischen Handwerkskunst orientiere.

Fast ist man versucht zu sagen: typisch Japan, wird in dieser Denkweise Hightec mit hunderte Jahre alter Tradition verschmolzen. Dazu kommt Kengo Kumas starker Bezug zur (kultivierten) Natur und sein Bewusstsein dafür, dass die „Big Boxes“, wie er sie nennt, also die Betonvolumina in der internationalen Architekturproduktion, diese Verbindung kappen. Kleinmaßstäblicher, aber auch weniger laut sollte Architektur sein, so der Japaner, der offenbar Jun‘ichiro Tanizakis „Lob des Schattens“ gelesen und verinnerlicht hat.

Das hat in der Ausstellung in Venedig, im Palazzo Franchetti hervorragend funktioniert. Die Ausstellung, die im Rahmen der Architekturbiennale im vergangenen Jahr in der Lagunenstadt aufgebaut war, mäanderte durch die eher dämmerigen Räume, separierte die Arbeiten, konfrontierte mit dem „moja moja“, dem Glänzen der kleinen Wellen auf dem Kanal draußen. In Bonn ganz anders: Alle Modelle stehen in einem langen Raum, dessen Fenster erstmals wieder geöffnet wurden. Nun stehen die Modelle im weichen Seitenlicht, aber so angeordnet, dass das Kontinuum spürbar, aber visuell nicht erfassbar ist: Tief gehängte Tafeln über den Modellen versperren den Überblick.

Wie nun die Lautmalerei nutzen, um erstens ein Werk zu verstehen und zweitens selbst lautmalerisch im eigenen Entwerfen geleitet zu werden? Die Onomatopoesie ist tatsächlich ein Modell, das – so Kengo Kuma – uns dazu anleiten kann, Architektur und den Menschen/Nutzer auf die gleiche Stufe zu stellen. Er sieht die Lautmalerei als „eine Art tierähnliche Stimme, die sich auf körperlicher und der Erfahrungsebene äußert“. Wer das erleben will, muss idelalerweise die Bauten Kengo Kumas vor Ort erleben, in sie eintreten, ihren Klang spüren in tiefer Verbundenheit.

Das wird in Bonn kaum gelingen, schon, weil die Ausstellung dafür zu gut besucht ist. Aber tatsächlich muss man ja auch gar nicht so weit reisen: In Frankfurt a. M. und in Krün bei Garmisch-Partenkirchen sind zwei Arbeiten in der Nähe, wer sich hier anmeldet, kann es erleben, das „suke suke“ oder „sara sara“. Be. K.

www.bundeskunsthalle.de

Onomatopoeia Architecture. Kengo Kuma. Eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle, Bonn. Noch bis zum 1. September 2024. Katalog bei Dario Cimorelli Editore, Mailand 2023 und in der Ausstellung (dort auf dt./engl.)

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