Modulares Bauen in Schweden

Das schwedische Architekturbüro White Arkitekter stellte 2021 das Sara Kulturhaus in Skellefteå, Schweden, fertig: ein multifunktionales Gebäude, zu dem ein Hotelturm in Holzmodulbauweise gehört. Der Architekt Robert Schmitz, der bei White Arkitekter für das Projekt verantwortlich war, erzählt im Interview von den Besonderheiten und dem Fortschritt der Holzmodulbauweise in Schweden. 

Interview: Ina Lülfsmann / DBZ


Foto: Robert Schmitz

Foto: Robert Schmitz

War das Sara Kulturhaus das erste Projekt für Sie in dieser Bauweise?

Robert Schmitz: In diesem Maßstab ja. Schweden hat zwar eine lange Tradition der Vorfabrikation im Bauen, zum Beispiel in der Betonindustrie oder der Holzindustrie mit der Holzrahmenbauweise. Dreidimensionale Raummodule sind meines Wissens jedoch noch nicht weit verbreitet. Für unser Büro, White Arkitekter, war das Sara Kulturhaus das erste Projekt in dieser Bauweise.

Warum haben Sie sich für die Modulbauweise entschieden?

Im Wettbewerb schlugen wir einen eher rationalen Entwurf für das Hochhaus vor, zudem stellten wir uns das Gebäude als Holzkonstruktion vor. Die Konstruktion sollte nicht einfach durch Beton ersetzt werden können. Von Anfang an planten wir zwei Aufzugschächte an beiden Enden des Hochhauses als Aussteifung, die waren sogar schon im Wettbewerbsentwurf vorgesehen. Anstatt über Geschossdecken mit Wänden dazwischen nachzudenken, betrachteten wir jedes Hotelzimmer als ein dreidimensionales Volumen. Der Trick war, die Modulbauweise ins Design und die Konstruktion zu integrieren. Die Idee, mit Raummodulen zu arbeiten, kam also sehr früh im Prozess, als Teil der Architektur.


Nutzten Sie die Idee auch, um Zeit zu sparen?

Definitiv. Wir hatten mehrere Herausforderungen zu meistern. Die Zeit war eine davon, aber auch die Akustik und die Raumhöhen. Mit der Modulbauweise konnten wir alle Probleme lösen. Wir haben ein ganzes Jahr Bauzeit eingespart.

Sie haben die Module selbst entworfen, anstatt auf standardisierte Module eines Herstellers zurückzugreifen. Warum?

2015, als wir am offenen Wettbewerb für das Sara Kulturhaus teilnahmen, war die Holzmodulbauweise in Schweden noch nicht weit verbreitet. Es war eine beeindruckende Erfahrung, die Holzmodule vorzuschlagen und die Vision des Hochhauses zu realisieren. Das war nur möglich, weil alle am Projekt beteiligten Akteure sich mit ihrer Expertise einbrachten und gegenseitig vertrauten. Um mit Holz zu arbeiten, braucht man eine andere Einstellung als zum Beispiel im Betonbau. Da hätte jeder nur an seinen Teil gedacht. Aber hier mussten wir zusammenarbeiten, damit es funktionierte. Es gab nämlich keinen lokalen Hersteller für Brettschichtholz-Module und wir mussten uns eine andere Lösung ausdenken. Wir entwarfen die Module also selbst und arbeiteten mit einem Holzlieferanten und einer Firma, die Fertighäuser herstellt, zusammen. Die hat ihre reguläre Produktion ausgesetzt und stattdessen unsere Module in ihrer Fabrik gebaut. 

Die 41 cm starken Wände der beiden Aufzugsschächte setzen sich aus drei Lagen (CLT/BSH/CLT) zusammen und sind von innen mit einem Feuerschutzanstrich zusätzlich geschützt. Zwischen den Erschließungstürmen werden die Raummodule montiert
Foto: Jonas Westling

Die 41 cm starken Wände der beiden Aufzugsschächte setzen sich aus drei Lagen (CLT/BSH/CLT) zusammen und sind von innen mit einem Feuerschutzanstrich zusätzlich geschützt. Zwischen den Erschließungstürmen werden die Raummodule montiert
Foto: Jonas Westling

Produziert das Unternehmen weiterhin Ihre Holzmodule?

Nein, das war ein einmaliges Projekt nur für das Sara Kulturhaus. Insgesamt wurden 205 Module fertiggestellt. Die Produktion startete zur gleichen Zeit wie die Gründung des Gebäudes. Danach ging alles sehr schnell, der Turm stand innerhalb von wenigen Wochen.  

Sind Module aus anderen Materialien in Schweden weiterverbreitet?

Unser Konzept ist ziemlich einzigartig im Land. Wie gesagt, in Schweden gibt es viel Vorfertigung von Holzrahmenbauelementen oder Leichtbauwänden, aber nicht in diesem Maßstab. Wir hoffen natürlich, dass unser Projekt eine Referenz im Holzmodulbau wird.

Werden Sie weitere Projekte mit Modulen umsetzen?

Auf jeden Fall! Wir sind gespannt auf neue Projekte. Vor allem im Wohnungsbau sehen wir große Potenziale. Es ist etwas teurer, mit Brettschichtholz zu arbeiten, deswegen muss man an anderer Stelle, zum Beispiel bei der Bauzeit sparen, damit es sich rechnet gegenüber Leichtbaumodulen. Für ein- oder zweigeschossige Gebäude kann man andere Materialien nutzen, aber um ein Hochhaus zu errichten, braucht man die Stabilität der Holzmodule. Das Sara Kulturhaus hat insgesamt 20 Geschosse. Die Raummodule starten ab dem 5. Obergeschoss. Darunter tragen große Stützen aus Holz die Lasten ab.

Bestimmt das Angebot von Modulbau-Herstellern die Architektur?

In gewisser Weise schon, ja. Aber es wäre sehr einschränkend für die Architektur, wenn wir nur vorhandene Produkte nutzen würden. Klar, es war damals riskant, etwas vorzuschlagen, das so bisher noch nicht umgesetzt wurde, wofür wir kein Vorbild hatten. Wir mussten, wie gesagt, die gesamte Produktionskette selbst aufbauen, um das Konzept umzusetzen.

Wenn Sie die Module selbst entwerfen, ist dann jede Art von Architektur möglich?

Da jedes Modul ein Raum ist, wäre es schwierig, die Struktur in einen offenen Grundriss umzuwandeln. Es gibt also Einschränkungen. Aber Module können auf viele verschiedene Weisen genutzt werden, durchaus auch flexibler, als wir es beim Sara Kulturhaus gemacht haben. Damit es sich rechnet, eigene Module zu entwickeln, muss das Projekt natürlich eine gewisse Größe haben.

Das Sara Kulturhaus in Skellefteå ist ein 30 000m² ­großer Komplex, der fast ausschließlich aus Holz ­gebaut wurde. Der 75 m hohe Hotelturm besteht aus Brettschichtholz-Modulen
Foto: Jonas Westling

Das Sara Kulturhaus in Skellefteå ist ein 30 000m² ­großer Komplex, der fast ausschließlich aus Holz ­gebaut wurde. Der 75 m hohe Hotelturm besteht aus Brettschichtholz-Modulen
Foto: Jonas Westling

Würden Sie sagen, dass Brettschichtholz für solche Projekte das beste Material ist?

Unter der Voraussetzung, dass das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft kommt und neue Bäume gepflanzt werden, würde ich das so sagen, ja. Holz ist heute das einzige nachwachsende Baumaterial, das auch noch CO₂ speichert, wenn die oben genannten Kriterien erfüllt sind. Auch die hohe Festigkeit und das geringe Gewicht, das fünfmal niedriger ist als beispielsweise das von Beton, sind Vorteile. Das entlastet auch die Transportemissionen. Beim Sara Kulturhaus konnten wir den Transport um 80 % reduzieren, weil wir mit lokal gerodetem Holz gearbeitet haben.

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