Keine Gesamtschuldnerschaft zwischen objektbetreuendem Architekt und Bauunternehmer!

Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.12.2022 — VII ZR 90/22

Im folgenden Fall ging es im Wesentlichen um Regressansprüche des Architekten aus einem vermeintlichen Gesamtschuldverhältnis gegenüber dem ausführenden Bauunternehmen. Der Architekt wurde vom Bauherrn für eine mangelhafte Ausführung des Bauunternehmers erfolgreich in Anspruch genommen. Diese wiederum begründete eine Pflichtverletzung des Architekten im Rahmen der Objektbetreuung (Leistungsphase 9 HOAI).

Die Pflichtverletzung des Architekten wurde darauf gestützt, dass er es unterlassen hatte, Feuchtigkeitserscheinungen die nach der Abnahme der Bauleistungen aufgetreten sind sachverständig untersuchen zu lassen. Die Folge war, dass der Bauherr gegen die am Bau Beteiligten - auch gegen den Architekten selbst - keine Ansprüche aufgrund der Anspruchsverjährung mehr geltend machen konnte.

 

Der Architekt ersetzte dem Bauherrn den Schaden und forderte nun im Folgeprozess vom mangelhaft ausführenden Bauunternehmen entsprechend Regress, da der Architekt insoweit eine Gesamtschuld zwischen ihm und dem Bauunternehmen vermutete. Soweit ist das Vorgehen üblich, wenn denn eine Gesamtschuld vorliegt.

 

Die erste sowie auch zweite Instanz lehnten einen Anspruch des Architekten auf Gesamtschuldnerausgleich ab. Ein Gesamtschuldverhältnis zwischen dem objektbetreuenden Architekten in der Leistungsphase 9 der HOAI sowie dem mangelhaft ausführendem Unternehmen bestehe nicht.

 

Dies hat der Bundesgerichtshof auf die Revision des Architekten hin bestätigt. Grund hierfür war, dass es an der für ein Gesamtschuldverhälnis notwendige Gleichstufigkeit der Verpflichtungen der Schuldner (z.B. Architekt und ausführendes Unternehmen) fehle. Der Leistungszweck des einen Schuldners war hier gegenüber der Verpflichtung des anderen Schuldners nachrangig. Im vorliegenden Fall ist nämlich der Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Architekten erst dann entstanden, als die Ansprüche gegen den ausführenden Unternehmen verjährt sind. Andersherum würde ein Schadensersatzanspruch gegen den Architekten nicht entstehen wenn der ausführende Unternehmer die Mängel innerhalb der Gewährleistungszeit beseitigt hätte. Dann kann kein Mangel des Architekten im Rahmen der Objektbetreuung bestehen. Anmerkung: eine Gleichstufigkeit wäre bei dem objektüberwachenden Bauunternehmen und dem mangelhaft ausführenden Architekten gegeben, da von beiden eine Pflichtverletzung während des Baus (mangelhafte Ausführung und mangelhafte Überwachung der Ausführung) zu einem Schaden des Bauherrn führt.

 

Der BGH wies damit endgültig die Klage des Architekten ab und zieht mit diesem Urteil die Grenze für die Gleichstufigkeit der Verpflichtungen der Gesamtschuldner bei der Leistungsphase 9. Wäre der Architekt wegen einer Pflichtverletzung im Rahmen der Leistungsphasen 1-8 HOAI verurteilt worden, hätte sich der mangelhaft ausführende Unternehmer nicht auf die fehlende Gleichstufigkeit im Regressprozess gegen ihn berufen können.

 

Autor:

Jochen Mittenzwey, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Gesellschafter bei MO45LEGAL Rechtsanwälte und Notare

www.mo45.de

mittenzwey@mo45.de


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