Just in time auf die Baustelle

Ein großer Vorteil beim Modulbau ist die serielle Vorfertigung im Werk. Damit der bei der Lieferung nicht verloren geht, kommt es wesentlich darauf an, dass auch bei der Logistik alles wie am Schnürchen läuft.

Text: Jan Ahrenberg / DBZ

Huckepack: Lkws transportieren ­­die ­fertigen Rohbau-Module auf das ­Baufeld
Foto: Cadolto Modulbau

Huckepack: Lkws transportieren ­­die ­fertigen Rohbau-Module auf das ­Baufeld
Foto: Cadolto Modulbau


Baugrube ausheben, Fundament gießen, Mauerwerk errichten, Dach drauf – dann beginnt der Innenausbau. Konventionelle Baustellen wachsen Schicht für Schicht, seit Jahrhunderten nach dem immer gleichen Muster und in vergleichsweise gemächlichem Tempo. Denn die Witterung hat traditionell einen großen Einfluss auf den Baufort­schritt. Stillstand gibt es aber auch aus anderen Gründen: Lieferengpässe, Fehlplanungen, Konfusion unter den Gewerken oder auch schlicht Trocknungszeiten, die es einzuhalten gilt. Gebaut wird eben unter freiem Himmel und, zumindest in den Städten, inmitten des Alltagstrubels mit all seinen Unwägbarkeiten.

Wie gut haben es da die Autobauer und andere Fabrikanten, die in warmen Werkstuben unter den immer gleichen Bedingungen schnell und effizient produzieren können. Dachten sich auch die Modulbauer, die hierzulande ab etwa den 1970er-Jahren begannen, Teile der Gebäudeproduktion in Montagehallen nach dem Vorbild der Automobilindustrie zu verlegen. Inzwischen sind sie an einen Punkt angekommen, bei dem die Baustelle mehr oder weniger nur noch der Ort der Montage vorgefertigter Module ist.

„In unserem Werk erstellen wir fast den kompletten Rohbau“, sagt Jan Ackerstaff, der beim Unternehmen KLEUSBERG für das Marketing verantwortlich ist. „So können wir nicht nur einen zuverlässigen Output garantieren, sondern entlasten die Baustelle vor Ort auch um bis zu 90 % der sonst üblichen Emissionen.“ Darüber hinaus sei die Fertigung aber vor allem ein logistischer Vorteil: Da die Montage eines Modulgebäudes je nach Größe lediglich einige Tage bis maximal drei Wochen dauert, seien die diesbezüglichen Emissionen und vor allem auch die Kranstandzeiten sowie der Flächenbedarf auf ein Minimum begrenzt.


Geleitschutz: Schwertransporte mit Überlänge oder -breite müssen mit den Behörden und der Polizei ­abgestimmt werden: ein oft langwieriger Prozess
Foto: Cadolto Modulbau

Geleitschutz: Schwertransporte mit Überlänge oder -breite müssen mit den Behörden und der Polizei ­abgestimmt werden: ein oft langwieriger Prozess
Foto: Cadolto Modulbau


Ganz ähnlich sieht es Peter Scheifele, der beim Anbieter Cadolto das gleiche Amt innehat. Er ergänzt: „Durch die insgesamt deutlich kürzere Projektlaufzeit sind Störungen im Betriebsablauf allerdings nicht zu unterschätzen, da sie schwerer aufzuholen sind.“ Tatsächlich träten Verzögerungen wie Lieferengpässe aber zu einem deutlich früheren Zeitpunkt auf. „Mit kleinen Puffern und jahrzehntelanger Erfahrung im Modulbau können wir das Kundenversprechen „fixer Termin, fixer Preis“ halten“. Die Puffer seien stets abhängig von den Produktionsslots, also den Folge- und Vorgängerprojekten, deren Ablauf frühzeitig nach dem Lean Construction Prinzip visualisiert würden. Das erlaube es auch, Prozesse parallel zu entwickeln.

Das berichtet auch Jan Ackerstaff: „Während wir im Werk die Module montieren, können am Bauort zeitgleich die Arbeiten an der Gründung und Fundamentierung sowie an der Medienzuführung erfolgen.“ Bei Hybridgebäuden könne man zudem mit den konventionellen Bauten aus Stahlbeton wie Aufzugsschächten, Unterkellerung oder Tiefgarage schon beginnen, während die Wände und Geschoss­decken im Werk noch vorgefertigt werden.

Das bringt einen enormen Zeitvorteil: Die Bauzeit für einen 6 000 m² großen, mehrgeschossigen Schulbau beträgt bei einem solchen Vorgehen laut KLEUSBERG bis Schlüsselübergabe nur sechs bis acht Monate ab Auftragserteilung. Die Baustelleneinrichtung liefert das Unternehmen aus dem eigenen Mietcontainerpark. Dadurch ist es extrem flexibel, was die Anforderungen hinsichtlich Aufenthalts-, Büro-, oder Sanitärräumen angeht. Bereits während der fortschreitenden Montage von Modulen in den oberen Geschossen beginnen die Trockenbau- und Installationsarbeiten im EG sowie fortlaufend dann in den jeweils darüber fertig montierten Geschossen.


Nachtschicht: Gerade bei übergroßen Modulen
erfolgt die Anlieferung an das Baufeld oft in den
Tagesrandzeiten – und manchmal auch per Schiff
Foto: Cadolto Modulbau

Nachtschicht: Gerade bei übergroßen Modulen
erfolgt die Anlieferung an das Baufeld oft in den
Tagesrandzeiten – und manchmal auch per Schiff
Foto: Cadolto Modulbau


Eng getaktet und digital gesteuert läuft ein Gewerkezug (TGA, Trockenbau, Maler, Fliesenleger usw.) durch das gesamte Gebäude. Bei jeder Abweichung von der Planung zeigt die Projektsteuerung Verzögerungen automatisch anhand eines Ampelsystems an, denen dann umgehend mit der Anpassungen der Ressourcen und Arbeitskräfte begegnet werden kann. Diese stringente Form der Projektsteuerung sichert neben Qualität und Kosten vor allem einen reibungslosen Zeitplan und schlussendlich den von Anfang an festgelegten Fertigstellungstermin.

„Dazu ist es für uns essenziell, von Planungsbeginn, Ausführungsplanung über die Modul-Vorfertigung im Werk bis auf die Baustelle alle Gebäudeparameter jederzeit in Form eines digitalen Gebäudezwillings oder BIM-Modells mit allen Beteiligten transparent teilen zu können“, sagt Jan Ackerstaff. „So lassen sich von Anfang an Gewerkekollisionen verhindern und damit auch Verzögerungen auf der Baustelle minimieren.“ Je nach Zuwegung und Baufeldsituation könne es allerdings zu temporären Sperrungen der Verkehrswege unmittelbar am Bauort kommen. Jedoch sei dies selten und wenn überhaupt ausschließlich während der Montage-Tage der Fall. Das halte auch die Belastung für die unmittelbare Nachbarschaft gering.


Im laufenden Betrieb: Bei der Erweiterung der Universitätsmedizin Halle erfolgten die Montagearbeiten bei voller Bettenbelegung
Foto: Cadolto Modulbau

Im laufenden Betrieb: Bei der Erweiterung der Universitätsmedizin Halle erfolgten die Montagearbeiten bei voller Bettenbelegung
Foto: Cadolto Modulbau


Peter Scheifele weist auf einen weiteren Vorteil hin: „Durch die schnelle Errichtung des Gebäudes vor Ort wird nicht nur die Nachbarschaft kaum gestört, bis auf die Errichtung des Fundaments. Auch der umliegende Betrieb kann – zum Beispiel im Fall einer kritischen Infrastruktur wie einer Klinik – nahezu ungestört weiter stattfinden.“  Wie wichtig es ist, dass eine volle Bettenauslastung weiter möglich ist, während gleichzeitig neue Kapazitäten entstehen, hat nicht zuletzt die Corona-Krise gezeigt. Aber auch beim Schulbau ist es von Vorteil, wenn Schüler:innen ihre Klassenräume auch während der Bauarbeiten weiter nutzen können.

„Allerdings ist der Zeitfaktor im Modulbau nicht nur ein Vorteil, sondern auch besonders kritisch“, sagt Angel Bercedo aus der Geschäftsleitung von ZECH Logistics, welche die Transporte für Cadolto organisiert. „Daher sind eine exakte Planung und Einhaltung der Anliefertermine und Anlieferreihenfolge notwendig. Logistikkoordinatoren begleiten die Be- und Entladevorgänge, um einen störungsfreien Ablauf zu gewährleisten.“ Die Koordinierung der verschiedenen Gewerke auf der Baustelle wird durch die Bauleitung organisiert und überwacht.

Und hier ist das Nadelöhr, dessen termingerechte Passage über das Wohl und Wehe des Modulbaus entscheidet. „Der limitierende Faktor im Modulbau ist immer die Transportfähigkeit“, sagt Peter Scheifele. „Abmessungen von bis zu 18 m Länge, 5 m Breite oder 4,05 m Höhe sind die Regel. Im Extremfall können die Module aber auch bis zu 22 m lang, bis zu 6,25 m breit oder bis zu 4,15 m hoch sein.“ Meist können diese Module nur nachts transportiert werden, zudem muss die Strecke jedes Mal auf die jeweilige Höhe und Breite des Transports angepasst werden.

„Das Genehmigungsverfahren für den Transport ist daher sehr aufwendig und oftmals viel zu langsam und umständlich. Wege für die Transporte zu finden, wird immer problematischer“, erzählt Logistiker Angel Bercedo aus der Praxis. „Genehmigte Strecken sind immer wieder mal wegen kurzfristiger Baustellen doch nicht befahrbar. Zum Teil fahren wir das Zwei- bis Dreifache der normalen Strecke, um überhaupt das Ziel erreichen zu können.“ Deshalb sind die Logistiker:innen bei Cadolto wie auch bei KLEUSBERG während des Planungsprozesses von Beginn an involviert, um mögliche Engpässe zu identifizieren: „Das versetzt sie in die Lage, frühzeitig, in Abstimmung mit den zuständigen Behörden, den genauen Transportweg sowie die örtlichen Gegebenheiten zur Verkranung und Montage der Module festzulegen“, sagt Jan Ackerstaff.


Ab auf‘s Wasser: Ist der Transport auf der Straße nicht möglich, kommen auch Schiffe zum Einsatz

Ab auf‘s Wasser: Ist der Transport auf der Straße nicht möglich, kommen auch Schiffe zum Einsatz


Der schwierige Weg über Autobahn und Landstraße führt jedoch nicht dazu, dass Modulbauten quasi nur im direkten Umfeld des Werks umsetzbar wären. Im Gegenteil: „Je nachdem, wie die Verkehrssituation ist und wie weit das Baufeld vom Werk entfernt, prüfen wir auch, ob eine Verschiffung der Module infrage kommt“, sagt Peter Scheifele. „Beim Transport auf Schiffen entfallen die üblichen Beeinträchtigungen auf der Straße, allerdings ist am Be- und Entladepunkt die Umladung auf Lkws vonnöten.“ Die Betrachtung, ob ein Transport per Schiff sinnvoll und wirtschaftlich ist, ist immer projektspezifisch zu prüfen. Allerdings gibt es einen interessanten Effekt: Ist das Modul erst einmal an Bord, macht es wirtschaftlich nur einen geringen Unterschied, wie weit es transportiert wird – so sind auch Märkte in Übersee durch den Modulbau in erreichbare Nähe gerückt.

Wenn das, was hinten rauskommt, so zuverlässig vom Werk abtransportiert wird, bleibt nur die Frage, wie es sich mit den Baumaterialien und Rohstoffen verhält, welche die Werke unablässig benötigen? „Um schwankenden Verfügbarkeiten und Preisen bei Bau, Materialien und Baustoffen entgegenzuwirken hat KLEUSBERG bereits vor Jahren entschieden, den Lagerbestand an Stahlprofilen, Trockenbaustoffen, Dachfolien etc. maßgeblich zu erhöhen“, sagt Jan Ackerstaff.  Die umfangreichen Lagerkapazitäten an den sechs Produktionsstandorten in Deutschland machen dies zum Glück möglich. „So können wir selbst für unsere Nachunternehmer entsprechend Materialien vorhalten, damit es weder in unserer Fertigung, noch auf den Baustellen zu Verzögerungen kommt.“

„Da wir für unsere Konstruktion primär Stahl, Gipsfaserplatten und Mineralwolle benötigen, haben wir derzeit wahrscheinlich deutlich weniger Probleme als der konventionelle Bau bei der Errichtung unserer Rohbauten“, sagt auch Peter Scheifele. Dank eigener Planung und Lagerhaltung aller wichtigen Grundmaterialen werden zudem Materialverschwendung und potenzielle Engpässe vermieden. Derart vorbereitet ist die Lieferung auf das Baufeld just in time genau der richtige Weg, um Umweltbelastungen zu vermeiden, Kosten zu senken und deutlich schneller Ergebnisse zu erzielen als die konventionelle Konkurrenz.

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