Im Zweifel für den Neubau. Maria-Ward-Schulen, Nürnberg

Deutschland sei gebaut. Das stimmt in dieser gewollten Verkürzung/Überspitzung wahrscheinlich sogar, schaut man auf Volumina und Nutzflächen, auf Infrastrukturen und – ja, auch darauf – auf das Sinnstiftende, Orientierung gebende etc.

Warum dann noch neu bauen?

Verkürzt und überspitzt: Weil es nicht reicht, das, was da ist. In der Fläche, Höhe und Belastungskapazität (Nutzungsneutralität), in der Verfügbarkeit an Orten, wo die Immobilie nicht vorhanden ist und nicht zuletzt in der Logik unseres Wirtschaftens, das immer noch auf ständigen Zuwachs setzt, den wir ironischerweise auch im Kreislaufwirtschaften brauchen in kommenden Zeiten.

Dass Deutschland also gebaut sei, stimmt und stimmt nicht. Es kommt auf den Blickwinkel, die Ansprüche und am Ende immer auch auf die Moral von der Geschichte an. Planer:innenverbände fordern Neubaumoratorien, die Politik lädt zu Baugipfeln, auch die Industrie geht neue Wege und Investor:innen folgen den Meßlatten der Zertifizierer:innen, die mittlerweile auch das Graue im Energieeinsatz bewerten und damit direkt die Rendite des Invests. Da schmerzt es, wenn man sie noch sieht, die Abrisse landauf, landab, die meist ihre Gründe haben (von Übernacht­abrissen von Denkmalen abgesehen). Diese Gründe lesen sich in den lokalen Medien dann so: „Das Dach ist teilweise undicht, an den Wänden gibt es Schimmel, die Fenster sind zugig: Die Nürnberger Maria-Ward-Schule wird daher in den Sommerferien abgerissen.“ Und weiter: „An ihrer Stelle lässt die Erzdiözese Bamberg ein neues, modernes Lernzentrum für die 1 300 Schülerinnen und 110 Lehrer errichten.“ Ein undichtes Dach und Schadstoffe in einem als insgesamt unzureichend  beurteilen Bestands im Tausch gegen ein modernes Lernzentrum. „Schule“ wäre vielleicht zu wenig gewesen. Und was schreibt die Bayerische Staatszeitung im Juli 2022 anlässlich der Eröffnung der Schule: „Nach einer intensiven Planungs-, Machbarkeits- und Abstimmungsphase zur Weiterentwicklung des Wettbewerbs entschieden sich alle Planungs- und Baubeteiligten, unter anderem aufgrund erheblicher Schadstoffbelastungen und der damit verbundenen erheblichen Sanierungskosten, im Dezember 2014 für den Abriss der bestehenden Schule. Ein wesentlicher Vorteil der Neukonzeption war die Möglichkeit, das gemeinsam entwickelte innovative, zukunftsgerichtete und offene Lernkonzept räumlich perfekt im Neubau umsetzen zu können.“

Ich rief bei H2M Architekten Kulmbach/München an, die nicht nur für Entwurf und Gesamtplanungsleistung (Lph 1–8) verantwortlich zeichnen. Sie waren, so am Telefon Stephan Häublein, Partner und Geschäftsführer und seit 2012 mit einer Professur für Nachhaltiges Bauen, Baukonstruktion und Bauökonomie an der FHWS Würzburg, auch aktiv an der Entwicklung des Lernkonzepts beteiligt gewesen. Und das sei einfach in der „langwegigen, sehr zerklüfteten Bestandsstruktur […] mit erheblichen Schadstoffbelastungen in den Fassaden und Ausbauteilen, sowie erheblicher Stahlkorrosion in den vorhandenen Stahlbetonbauteilen, weder im Hinblick auf Gesamtressourcenverbrauch in der wirtschaftlichen wie funktio­nalen Betrachtung sinnvoll sanierbar, noch für die spezifische geplante Nutzung einer Maria-Ward-Schule mit differenziertem und offenem Lehr- und Lernkonzept geeignet“ gewesen.

Wir haben ein Treffen im Süden der Republik vereinbart und werden über Zwänge und Notwendigkeiten, die Rolle der Planer:innen und Bauherr:innen und sicher auch über die Verantwortung der Gesellschaft für ein neues Bauen sprechen. Was Sie dann in der September-Ausgabe unter „Im Gespräch mit …“ nachlesen können. Be. K.

www.h2m-architekten.de

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