Wasser als Inspiration
Roca London Gallery, London/GB

Fließendes Wasser, das sich seinen Weg bahnt, brachte das Team von Zaha Hadid auf die Idee zur Gestaltung des neuen Flagshipstores in London. Dreidimensionale Fertigteile aus Beton machen die ungewöhnlichen Formen möglich.

Vom städtischen Umfeld ist nicht viel zu spüren in der Präsentation des neuen Londoner Flagshipstores von Roca. Weil der spanische Badausstatter gerne mit namhaften Architekten zusammenarbeitet, hat er sich für seine englische Dependance im Londoner Stadtteil Chelsea mit Zaha Hadid zusammengetan. Die Architektin sollte im Erdgeschoss eines bereits existierenden Gebäudes für das Unternehmen einen passenden Ort für Produktpräsentationen, Schulungen und Meetings schaffen. Man hat sich für diesen Standort entschieden, da er gegenüber dem Chelsea Harbour Design Centre liegt. Das De­signzentrum ist zur Zeit eine der größten „Shoppingmalls“ für Interior Design in Europa mit Showrooms von namhaften internationalen Herstellern.


Fließende Architektur

Für den neuen Showroom ließ sich Hadids Team vom Wasser inspirieren – Wasser im Fluss, in Bewegung, Wasser als raumbildendes Element. Wasser, das sich seinen Weg durch Felsgestein bahnt und Raum schafft, indem es ihn aushöhlt. Das beginnt bei der Fassade im Erdgeschoss. Zaha Hadids Eingangsfront gewährt Einblicke ins Innere durch markante, organische Öffnungen und weckt mit ihren fließenden Formen Neugierde auf mehr. Im Inneren gehen die Räume nahtlos ineinander über. Es gibt keine Ecken und Kanten, alles ist im Fluss. Die Raumfolgen beginnen mit Ausstellungsflächen, werden zu Besprechungs- und Aufenthaltszonen und führen in intimere Bereiche mit individuellen Arbeitsplätzen. Auf 1?100 m² Galeriefläche sollen nicht nur die Badprodukte des spanischen Unternehmens präsentiert werden sondern auch Events und (Schulungs-)Vorträge stattfinden. Interaktive Medieninstallationen und ausgeklügelte Soundsysteme runden den futuristischen Unternehmensauftritt in London ab.


MaterialDesign und Farbwahl

Bei der Material- und Farbwahl standen die Planer vor der Frage, wie sie die anspruchsvollen Raumfolgen konstruieren konnten. Die glatten Oberflächen der zentralen Galeriezone sollten schneeweiß werden als Kontrast zu den dunkleren, glatten, grauen Beton-Oberflächen der Nebenzonen. Daher schuf man den zentralen Galeriebereich in Trockenbauweise aus weißen, dreidimensional gekrümmten, glasfaserverstärkten Gipsflächen in Kombination mit tropfenförmigen Möbeln und Leuchten aus weißem, glasfaser­verstärktem Kunststoff (GFK). Der schwarze Galerieboden besteht aus Keramikfliesen, die die Architekten speziell für Roca entworfen haben. Dazu wurden 1?200 Fliesen, die alle eine individuelle Form aufweisen, computergesteuert zugeschnitten und wie in einem großen Puzzle am Boden zusammengefügt. Dabei soll das Verlegemuster an einen strömenden Fluss erinnern.


3-D Beton

Eine besondere Herausforderung war die Betonkonstruktion für die dunkleren Bereiche mit den Produktpräsentationen und die Fassade. Hier entwickelte man ein System aus vorgefertigten Sichtbetonelementen, die in mehreren Achsen gekrümmt sind. Alle Schalelemente und -formen haben die Planer digital in 3-D entworfen. Die Architekten bestanden darauf, dass das von Ihnen vorgegebene Fugenbild genau eingehalten werden musste. Da der Innenausbau in einem bereits existierenden Gebäude erfolgte, durfte die Statik des Bestandsbaus nicht überlastet werden. Deshalb mussten die Wandelemente im Inneren möglichst leicht sein. Sie bestehen im Kern aus einer Aluminiumwabe und sind textilbewehrte Faserverbundbauteile auf Betonbasis, für die man eine neue Betonrezeptur kreiert hat. Sie haftet als Frischbeton gut an Aluminium und weist im ausgehärteten Zustand eine hohe Druckfestigkeit sowie einen sehr guten Biegezugwert auf. Die Wandstärke der Innenwandelemente beträgt nur 6 cm. Für das Wechselspiel aus weißen und grauen Sichtbetonbauteilen, mischte man jeweils weißen oder grauen Zement bei. Auch bei den Fassadenelementen handelt es sich um Betonfertigteile. Sie messen im Durchschnitt 2 m x 4 m und wiegen 800 kg pro Element. Die Fassade besteht aus 36 Fertigteilen, und der Innenraum des Showrooms setzt sich aus 236 Fertigteilen zusammen. Die Innenwände mussten statisch so gestaltet und konstruiert werden, dass Sie Platz und Hänge­möglichkeiten für die schweren Badobjekte bieten. Nicht nur um die Produkte ins rechte Licht zu rücken, wird das Showroom-Design durch ein ausgeklügeltes Lichtkonzept abgerundet: Einerseits vervollständigen die tropfenförmigen Lichtelemente aus GFK die organische Formensprache. Andererseits taucht eine indirekte Beleuchtung, in der Fachsprache „Wall-Washing“, die Betonwände unbemerkt in sanftes Licht und betont auf diese Weise auch die freien Formen.

Für die Projektarchitektin Margarita Yorda­nova Valova war es etwas Besonderes, das erste Mal durch die neue Galerie zu gehen. Immerhin hat sie die Planung von der ersten Skizze an begleitet. „Durch den Raum zu

gehen und die Geschichten zu kennen, die hinter jeder Fuge, hinter jedem Detail, hinter jedem Türknauf stecken, ist ein sehr schönes Gefühl. Vor allem den Raum als Ganzes zu erleben mit seinen Überraschungsmomenten, mit den unerwarteten Öffnungen oder Biegungen, die sich auftun, wenn man ihn durch­schreitet. Das ist der Lohn für alle Mühen und Anstrengungen während der Planung, die diesen Traum haben wahr werden lassen.“

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