Umbau als Maßanzug
Verwaltungs- und Betriebsgebäude aus den 60er Jahren, Remscheid

Dass Nachhaltigkeit als Konzept gerade bei der Sanierung von Gebäuden mit großem Erfolg und vor allem wirtschaftlich umzusetzen ist, zeigt die Modernisierung des Verwaltungs- und Betriebsgebäudes der Remscheider Entsorgungsbetriebe durch das Architektur Contor Müller Schlüter (acms) aus Wuppertal.

Das Betriebsgebäude des Remscheider Stadtbetriebes wies erhebliche bautechnische Mängel auf. Durch eine Machbarkeitsstudie konnte nachgewiesen werden, dass eine Sanierung gegenüber Abriss und Neubau nicht nur ökologische Vorteile versprach, sondern sogar mit 40 % geringeren Investitionskosten zu rechnen war. Neben der funktionalen und wirtschaftlichen Optimierung erhofften sich die REB eine Umsetzung der Firmenphilosophie in architektonische Leitbilder. Begriffe wie Offenheit, technische Perfektion und Kompetenz sollten gestalterischen Ausdruck im Erscheinungsbild des Gebäudes finden. Durch die Verwendung des Fassadenmaterials und eine den Funktionsbereichen entsprechende Schichtung der Bauteile entwickelten die Architekten ein neues einheitliches Gestaltungsbild. Ein neuer Haupteingang und eine Zone für den Publikumsverkehr unterstützen den neuen Auftritt der REB-Zentrale. Ein neuer, lichtdurchfluteter Treppenhausturm mit Aufzug macht die Haupt­erschließung repräsentativ und barrierefrei. Die Neugliederung der Bürogeschosse gelang durch eine mittig angeordnete Servicezone und die Ausleuchtung des Mittelgangs mit Tageslicht. Lichtlenksysteme gewährleisten auch in den Büros maximale Arbeitsplatzqualität bei minimalem Energieverbrauch. Für die Fassade wurden mit Fördermitteln der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) verschiedene Fassadenkonstruktionen verglichen und auf ihre Ökobilanz hin untersucht: aufgrund dieser Nachhaltigkeitsprüfung wurden Kunststoffmehrstegplatten gewählt, die als neue wärmedämmende Hülle in vorfabrizierten Elementen vor die Tragstruktur gestellt wurden. Eine Besonderheit ist die Integration von haustechnischen Bauteilen in die Fertigteile, die werkseitig in die vorgefertigten Elemente eingebaut wurden.

Im Bereich von Lüftung und Kühlung wurde für dieses Gebäude ein komplex vernetztes Low-Tec-System entwickelt. Belüftet wird der Verwaltungsbereich über eine Abluftanlage, die Nachströmung der Frischluft erfolgt über die passiven Fassadenlüfter. Die Grundlüftung während des Tages mit 80m³/h je Büro wird im Sommer als Nachtlüftung auf 160 m³/h erhöht, um die gespeicherte Wärme wieder aus dem Gebäude zu transportieren. Im Obergeschoss wurden PCM-Materialien eingebaut, mit denen die für das Leichtbaugeschoss notwendigen Speicherkapazitäten vorgehalten werden. Eine Trockenbauplatte mit d=2cm hat dabei die gleiche Speicherkapazität wie eine 24 cm dicke Betonwand. So konnte in dem Stahlbeton­skelettbau mit ausgereizter Statik ein modernes Klimakonzept völlig ohne aktive Kühlung umgesetzt werden.

Für die Fenster wurde Sonnenschutzverglasung (60/40), auf der Südseite zusätzlich außen liegender Sonnenschutz vorgesehen. Die Treppenhausbereiche grenzten ACMS Architekten klimatisch und konstruktiv aus der thermischen Gebäudehülle aus. Die Wagenhalle im Erdgeschoss wird im Winter über die warme Abluft aus den Bürotrakten frostfrei gehalten. Der Primärenergiebedarf konnte um 75 % gesenkt werden und unterbietet die EnEV-Anforderungswerte für Neubau und modernisierten Altbau.

Beteiligte

Architekt:
Architektur Contor Müller Schlüter, Wuppertal
www.acms-architekten.de
Bauherren:
Stadt Remscheid, REB Remscheider Entsorgungsbetriebe
Energiekonzept:
Haustechnik: Ifl Ingenieurbüro F. Lucas & Partner, ifl-tga.de Forschung/Evaluierung: b+tga, Bergische Universität Wuppertal,
Ingenieurbüro Morhenne & Partner GbR, Wuppertal

Energiekonzept

Gebäudehülle:
Neue Holzleichtbaufassade mit Dämmung zwischen 16 und 24mm und Kunststoff-Mehrfachstegplatten als Außenhaut; 2-fach Wärmeschutzglas/Sonnenschutzglas mit wärmegedämmten Abstandshaltern und Holzrahmen, zusätzliche Dämmung von Flachdach und Decke zur Wagenhalle
Gebäudehülle:
U-Wert Außenwand = 0,22W/(m²K),
U-Wert Fassadenpaneel = 1,20 W/(m²K),
U-Wert Bodenplatte = 0,40 W/(m²K), U-Wert Dach = 0,22 W/(m²K), Uw-Wert Fenster = 1,3 W/(m²K),
Ug-Wert Verglasung = 1,1 W/(m²K), g-Wert zwischen 58 % und 43 %
Haustechnik:
Lüftung mit Wärmerückgewinnung für den Sozialtrakt
Abwärmenutzung für die Frostfreihaltung der Wagenhallen (Abluft aus den Büros)
Ventilatorunterstützte Nachtlüftung durch Außendurchlasselemente in der Fassade Solarunterstützte Trinkwassererwärmung durch 30m² Flachkollektoranlage
Nacherwärmung und Raumheizung über Gasbrennwertkessel
Optimierte Tageslichtnutzung über lichtumlenkende Lamellenjalousie
Leuchtenintegrierte Kunstlichtregelung in den Büros
Zentrale Gebäudeleittechnik
Auszeichnungen:
Landespreis Architektur, Wohnungs- und Städtebau NRW 2008
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