Rechtsprechung

Regressanspruch gegen den Bauunternehmer aus einer Gesamtschuldnerschaft. Wann verjährt er?

(Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 08.07.2020 - 12 U 74/19)

Eine Gesamtschuldnerschaft zwischen dem Architekten und der ausführenden Baufirma ist ‑ kurz gesagt - immer dann gegeben, wenn für einen Mangel oder Schaden sowohl der Architekt als auch die bauausführende Baufirma verantwortlich sind. Der Bauherr nimmt häufig allein den Architekten voll in die Haftung. Dieser muss dann schnell sein und im Innenverhältnis der Gesamtschuld mit dem Bauunternehmen Regress bei diesem nehmen. Macht der Architekt dies zu spät, ist der Anspruch auf den sog. „Gesamtschuldnerausgleich“ möglicherweise verjährt. Wann dieser genau verjährt, ist umstritten und Stoff vieler Gerichtsverfahren. Eines davon hatte das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden.

Das Oberlandesgericht führte zu der Problematik des Fristbeginns Folgendes aus:
 
„Der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich entsteht zunächst in dem Augenblick, in dem die Beteiligten dem Bauherrn gegenüber ersatzpflichtig werden.“
 
Dieses Ereignis sah das Gericht mit der erfolgten Abnahme der Bauleistungen als gegeben an. Doch auf diesen Zeitpunkt allein kann nicht abgestellt werden. Die Verjährungsfrist beginnt nämlich erst, wenn der Ausgleichsberechtigte (hier der Architekt) Kenntnis davon bekommt, dass es neben ihm noch einen Verantwortlichen (hier den Bauunternehmer) gibt.
 
Hierfür reiche es dem Oberlandesgericht nach nicht aus, dass dem Architekten generell Mängel im Bauwerk bekannt geworden sind (dies wäre hier spätestens im Zeitpunkt der Abnahme der Bauleistungen gewesen). Erst wenn feststehe oder erkannt werden musste, dass die bei der Abnahme vorgefundenen Baumängel (Verantwortung Bauunternehmer) identisch mit den Planungs- und/oder Bauüberwachungsmängeln sind, soll die Verjährungsfrist zu laufen beginnen. Erst dann wisse der Architekt, dass für seine Mängel auch der Bauunternehmer haftet.
 
Dies wurde in dem hier entschiedenen Fall erst später in einem selbständigen Beweisverfahren festgestellt, welches die Verjährungsfrist zudem gehemmt hatte. Der in Vorleistung getretene Architekt konnte somit Regress beim Bauunternehmer mit Erfolg geltend machen.
 
Aus eigenem Interesse sollten mögliche Gesamtschuldner frühzeitig erkannt und der Lauf der Verjährungsfristen für den Gesamtschuldnerausgleich gehemmt werden (z.B. durch eine zulässige Streitverkündung). Anderenfalls läuft der Architekt Gefahr, die Zeche - für die ggf. auch weit überwiegend der Bauunternehmer verantwortlich ist - allein zu zahlen. Außerdem hat der Regressberechtigte aus einer Gesamtschuldnerschaft sowieso immer das Risiko einer Insolvenz des Regresspflichtigen zu tragen. Es heißt also schnell sein!

x

Thematisch passende Artikel:

Keine Gesamtschuldnerschaft zwischen objektbetreuendem Architekt und Bauunternehmer!

Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.12.2022 — VII ZR 90/22

Die Pflichtverletzung des Architekten wurde darauf gestützt, dass er es unterlassen hatte, Feuchtigkeitserscheinungen die nach der Abnahme der Bauleistungen aufgetreten sind sachverständig...

mehr
Rechtsprechung

Wer haftet bei Planungsmängeln: Architekt oder Bauunternehmer?

Ein Bauträger hatte für die Errichtung von Reihenhäusern einen Architekten mit der vollständigen Planung sowie einen Bauunternehmer für die Außenputz- und Stuckateurarbeiten beauftragt. An den...

mehr
Ausgabe 12/2019

Kein Deal für den Architekten

(OLG Brandenburg, Urteil vom 24.10.2019 12 U 47/19)
Rechtsanw?lte-Wunschel-Mittenzwey

Der Vergleich mit der ausführenden Firma hindert den Bauherrn grundsätzlich nicht an der Inanspruchnahme des Architekten. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde: Für die...

mehr
Ausgabe 7/8/2022

Gesamtschuldnerische Haftung

Um die überproportionale Belastung des mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten (A) zu reduzieren, hat der Gesetzgeber unter Beibehaltung der gesamtschuldnerischen Haftung des A mit dem...

mehr
Rechtsprechung

Schwarzgeldabrede – haftet der Architekt?

Der Entscheid des Landgerichts Bonn (Urteil vom 8. März 2018, Az. 18 O 250/13) will auch die Schwarzarbeit unattraktiver machen

In einer jüngst zu Schwarzgeldabreden zwischen Bauherrn und Bauunternehmer ergangenen Entscheidung, hat das Landgericht Bonn eine weitere Fallgruppe ergänzt. Bisher versagt die Rechtsprechung des...

mehr