Pritzkerpreis 2017 an RCR Arquitectes, Olot/ES

Alle Jahre sind wir gespannt. Nun ja, alle die, die gerne die Zukunft voraussagen wollen, die Prognosen formulieren, die sie auf zu Fakten gebündelten Vermutungen aufbauen. Die anderen schauen zu. Und wundern sich wie die ersten, wen am 1. März 2017 die Hyatt Foundation als Gewinner des diesjährigen Pritzker Preises nannte. Diejenigen,
die gerne beim jährlichen Ratespiel dabei sind, vermuteten wieder eine Überraschung. Glenn Murcutt war 2002 eine erste Überraschung, Paulo Mendes da Rocha 2006 ein weiterer, international wenig bekannter
Architekt. Nachdem dann mit Jean Nouvel, Peter Zumthor und Richard Rogers wieder Normalität eingetreten war, überraschte die Jury 2012 mit Wang Shu wieder mit einem Außenseiter. Es folgten 2013 Toyo Ito und 2014 Shigeru Ban, dann – posthum – die Ehrung Frei Ottos 2015. Im letzten Jahr kam mit Alejandro Aravena wieder ein junger Wilder, der kurz zuvor noch zum Kurator der Architekturbiennale in Venedig ernannt worden war. Mit seinem Büro Elemental steht Aravena für eine dezidiert politische und sozialengagierte Haltung im zeitgenössichen Architekturdis­kurs. Und: Er steht für einen Kontinent, der extreme soziale, ökologische und ökonomische Probleme hat.

Und nun RCR Arquitectes aus dem katalanischen Olot, einer 30 000-Seelen-Gemeinde ganz im Nordosten Spaniens, die sehr idyllisch in einer Landschaft erloschender Vulkane liegt. Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramon Vilalta – die Initialen ihrer Vornamen ergeben das Bürokürzel – arbeiten dort seit 1988 als RCR Arquitectes zusammen. Studiert – und teils auch gelehrt – haben alle drei an der Escola Tècnica Superior d‘Arquitectura del Vallès (ETSAV) bei Barcelona. Ihre Arbeiten demonstrieren, so die Pritzker Stiftung, eine unbestechliche Hingabe an den Ort und seine Möglichkeiten. Sie wollen dort eine
Architektur realisieren, die im Gespräch mit dem Kontext ist und Dichte mit Durchsichtigkeit vereint. Aranda, Pigem und Vilalta streben danach, das Äußere mit dem Inneren in Bezug zu setzen in einer sehr emotionalen und experimentellen Architektur.

Tom Pritzker führt aus, dass „die Jury drei Architekten ausgewählt hat, die über mehr als drei Jahrzehnte partnerschaftlich zusammen gearbeitet haben. Mr. Aranda, Ms. Pigem und Mr. Vilalta haben einen großen Einfluss auf die Disziplin, der weit über ihr direktes Umfeld hinausweist. Ihre Arbeit reicht von öffentlichen zu privaten Bauten, von kulturellen Orten zu Bauten der Lehre. Ihre Fähigkeit, die jeweilige spezifische Umgebung in aller Tiefe in ihre Projekte einzubinden ist ein Zeugnis für ihre ausgefeilte Methode und für höchste Integrität.”

Die Jury ist in diesem Jahr auch die, die im letzten Jahr Aravena den Preis verlieh: Richard Rogers, Benedetta Tagliabue, Kristin Feireiss, Ratan N. Tata, Stephen Breyer, Martha Thorne, Glenn Murcutt, Yung Ho Chang und (immer dabei) Peter Palumbo. Sie begründete ihre Entscheidung für RCR damit, dass
in einer zunehmend globalisierten Welt die Menschen mehr und mehr Sorge haben,
den Bezug zum lokalen Umfeld zu verlieren. Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramon Vilalta, so die Jury, „sagen uns aber, dass wir beides haben können: die ganze Welt und die kleine Heimat. Sie helfen uns – in einer sehr schönen und poetischen Weise, dass die Antwort auf die Frage nach dem Dazwischen nicht entweder oder ist und das wir – gerade auch in der Architektur – beides haben können, Welt und lokale Heimat.“

Mit RCR Arquitectes wurden zum ersten Mal in der Pritzkerpreis-Geschichte drei
Architekten gemeinsam ausgezeichnet. Der in diesem Jahr zum 39. Mal verliehene und mit 100 000 US Dollar dotierte Preis geht zum zweiten Mal nach Spanien. Hier erhielt ihn 1996 Rafael Moneo als erster. Als wichtigste Projekte von RCR wären zu nennen das „De Krook“ in Zusammenarbeit mit Coussée & Goris Architecten (Gent, Belgien, Eröffnung im März 2017), das „La Cuisine Art Center“ (Nègrepelisse, Frankreich, 2014), das „Soulages Museum“ in Zusammenarbeit mit G. Trégouët (Rodez, Frankreich, 2014), das „La Lira Theater Public Open Space“ in Zusammenarbeit mit J. Puigcorbé (Ripoll, Girona, Spanien, 2011), das „Les Cols restaurant marquee“ (Olot, Girona, 2011), der „El Petit Comte Kindergarten“ in Zusammenarbeit mit J. Puigcorbé (Besal, Girona, 2010), die „Bell-Lloc Winery“ (Palamós, Girona, 2007), die „Sant Antoni – Joan Oliver Library“, Senior Citizen’s Center und Cándida Pérez Gardens“ (Barcelona, 2007), oder der „Tossol-Basil Athletics Track“ (Olot, Girona, 2000).

Ihre wichtigsten Auszeichnungen waren bisher die Médaille d’Or de l’Académie d’Architecture Française 2015, der Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres de la République Française 2008 – 14, das International Fellows by the RIBA 2012, das Honorary
Fellows by the American Institute of Architecture (AIA) 2010 und der Premi Nacional de Cultura en Arquitectura de la Generalitat de Catalunya 2005. Viele ihrer Arbeiten kann man heute in Katalonien anschauen, aber auch in ganz Spanien und Europa.

2013 gründeten die drei Architekten die RCR BUNKA Stiftung, die tatsächlich eine Öffnung des Büros darstellt und die jeden einlädt, auf den Arbeitsfeldern Architektur, Landschaftsgestaltung, Kunst und Kultur allgemein mit den Architekten aktiv zu werden. Im Kontext der Stiftungsselbstdarstellung kann man die folgenden Dinge lesen, die exakt den Anspruch der Architekten umschreiben, wie sie die Wahrnehmung und das Machen von Architektur sehen: „The phenomena of nature and their experience teach us more than what we can get of this time of ‚knowledge‘. Observing and being attentive can give us more understanding about ourselves and about the true meaning of our relationship and harmony with the world that surrounds us.” Aufmerksam sollen wir sein und uns Zeit nehmen, die Dinge genau zu beobachten.

Persönlich übergeben wird der Preis im State Guest House, Akasaka Palace in Tokyo/Japan am 20. Mai 2017. Wir senden Glückwünsche! Be. K.

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