Oase mit Grün
Haus Polygreen in
Northcote/Australien

In einem Melbourner Vorort plante das Architekten- und Künstlerpaar Bellemo & Cat sein eigenes Domizil – ungewöhnlich in der Farb- und Materialwahl, auf ziemlich engem Raum und dennoch großzügig, mit viel Platz für die Kinder.

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Fremdkörper – das Wohnhaus „Polygreen“ von Michael Bellemo und Cat MacLeod in Northcote, einem Vorort 7 km nördlich von Melbourne. Northcote wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet und war lange geprägt von Schlachthöfen und Ziegeleien. Im Augenblick befindet sich das Gebiet im Umbruch. In leerstehenden ehemaligen Gewerbe- und Lagerbauten siedeln sich Cafés, Bars und Galerien an. Das Architekten- und Künstlerpaar mit zwei kleinen Kindern entschied sich für eine kleine Parzelle mittendrin. Weil das ehemalige Industriegebiet mit vielen Ziegelbauten sehr wenig Grün aufweist und das Budget der Bauherrn auch nicht für ein üppiges Grundstück mit Garten ausreichte, schufen sie sich ein kleines grünes Reich auf ihre Weise.

Eine Hülle aus Fieberglas

Den klaren Kubus, der das Eckgrundstück an der Eastment Street komplett ausfüllt, umgibt eine Haut aus durchscheinendem Fiberglas. Diese Hülle ließen Cat Macleod und Michael Bellemo mit einem großformatigen Motiv bedrucken, das an überdimensionale Gräser erinnert. Tatsächlich handelt es sich dabei um das Foto der Skulptur Polywarp, die die beiden 2005 als Public Design für den öffentlichen Raum entwickelten. Nicht nur nach außen erhellt die transluzente Hülle die triste Nachbarschaft, im Inneren taucht sie das Haus in ein freundliches Licht, das einem stets das Gefühl vermittelt, mitten im Grünen zu leben.

Geschickt miteinander verknüpft: Wohnen, Arbeiten, Familienleben

Auch der schlichte Kubus entpuppt sich im Inneren als interessantes Raumgefüge. Geschickt organisierte das Paar sein Konzept vom „Woh­nen und Arbeiten“ und fürs Familienleben. Michael Bellemo hat sein Architekturbüro im Erdgeschoss mit einem eigenem Eingang von der Eastment Street an der Westseite des Hauses. Daneben befindet sich die Garage, die das Büro vom Familientrakt trennt. Die Wohnung betritt man über einen zweiten Eingang im Süden. Hier beginnt der private Bereich. Versetzte Ebenen bieten vielfältige Sicht- und Raumbezüge und für die Kinder viel Platz zum Spielen. Sitzstufen direkt neben den Treppen schaffen den fließenden Übergang zwischen dem Wohnbereich im Obergeschoss und dem Spielbereich unten. Auf ihnen können die Kinder toben oder Theater spielen.

Verflechtungen

Auf der obersten Ebene schlafen die Eltern auf einer Galerie nur abgeschirmt durch eine geflochtene Wand. Der Sichtschutz - ein Flechtwerk aus weißem Industriefilz – ist ein Entwurf Cat Macleods, die sich in ihren künstlerischen Arbeiten immer wieder mit dem Thema „Verflechtungen und Verwebungen“ auseinandersetzt.

Der Clou ist ein künstlicher „Garten“. Parallel zur Wohnebene im Obergeschoss verläuft ein langgestrecktes Deck, das mit grünem Kunstrasen belegt ist und von der bedruckten Fiberglasfassade nach außen abgeschirmt wird . Hier gibt es sogar eine Rutsche für die Kinder, die das obere Gartendeck mit dem unteren verbindet und direkt auf die Spielebene führt. Das Schlafzimmer der Kinder befindet sich ganz unten in der Eingangsebene unter dem Gartendeck.

Im ganzen Haus dominieren Wände und Einbauten in Grün- und Gelbtönen kombiniert mit einem stark gemaserten Sperrholzboden und den skulpturalen Treppenblöcken aus Holz. Ein Mix aus Möbelklassikern unterstützt das „natürliche“ Farb- und Materialkonzept. So wird „Polygreen“ zur privaten Oase im ehemaligen Gewerbegebiet und gibt gleichzeitig neue Impulse für einen Stadtteil im Umbruch.

Susanne Kreykenbohm, Hannover

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