Nicht nur davon reden … machen!

Dipl.-Ing. (FH) Architekt
Martin Lutz

zum Thema „Energie-Fassaden“

Man spürt bei einem Gebäude, wenn ein schlüssiges Gesamtkonzept fehlt. Das gilt nicht nur für die Ästhetik, sondern auch für die
fassaden- und gebäudetechnische Planung und der energetischen
Effizienz. Es gibt leider sehr viele eher schlecht funktionierende Gebäude, weitere werden laufend am wichtigsten Thema vorbeigeplant, der Nachhaltigkeit; eine bittere Erkenntnis aus dem Tagesgeschäft.

Es wird immer viel geredet, clevere Architekten und Fachingenieure springen sofort auf jeden neuen Zug auf, beispielsweise derzeit auf Green Building, integrale Planung … allerdings leider oft ohne sich die entsprechende fachliche gewerkeübergreifende Planungskompetenz anzueignen. Und die gilt es wirklich zu erlernen; und wenn es sein muss, auch die Dinge nachzuholen, die man in den Zeiten des everything goes natürlich nicht studiert hat. Oder man ist so souverän – oder zumindest so klug – und kauft sich dieses Wissen aus einem hierfür spezialisierten Büro zu.

Eigentlich ist es nichts Neues mit den nicht funktionierenden
Gebäuden beziehungsweise der Erkenntnis, warum ein Gebäude funktioniert und warum nicht. Es funktioniert dann, wenn die Fassade, die Gebäudetechnik und die Bauphysik perfekt gewerkeübergreifend geplant und aufeinander abgestimmt sind. Für die Funktion eines Gebäudes hat die Tragwerksplanung keine entscheidende Bedeutung. Die Statik ist innovativ oder nicht, dasselbe gilt sinngemäß für die Wirtschaftlichkeit. Das Zusammenspiel von Fassade, Raumkonditionierung und Bauphysik ist hauptverantwortlich für niedrige, oder, zum entscheidenden Nachteil des Bauherrn, wesentlich zu hohe Lebenszykluskosten, und den Raumkomfort. Man muss sich gewerkeübergreifendes Denken ständig vor Augen halten. Die Nutzungskosten eines Gebäudes erreichen durchschnittlich schon nach sieben (!) Jahren die Gebäudeherstellkosten. Hieraus wird eindrucksvoll deutlich, dass bei einer „Einzelingenieurplanung“, bei welcher jeder Ingenieur „sein eigenes Süppchen kocht“ und vom jeweils anderen mitentscheidenden Ingenieurgewerk wenig versteht, der Bauherr und der Nutzer die eigentlichen Verlierer sind. Dies auch deshalb, da das für die Nutzungskosten wichtige Facility Management meist wenig bis überhaupt nicht interessiert, geschweige denn in die gewerke-übergreifende Planung integriert wird.

Für den Bauherrn muss sich das Gebäude auch auf lange Sicht wirtschaftlich rechnen. Gleichzeitig müssen sich die Nutzer von Anfang an darin richtig wohl führen. So verstehe ich Nachhaltigkeit.
Relativ neu ist sicherlich, dass die Gebäude mit ihren Nutzeranforderungen wirklich wesentlich komplexer geworden sind. Die Architekten sind daher als Dreh- und Angelpunkt inmitten von zig Gewerken mit der Schnittstellenkoordination von nebeneinander „wurschtelnden“ entscheidenden Ingenieurdisziplinen oft überfordert. Was sollen die Architekten eigentlich noch alles bis zur Perfektion können? Ein gewerkeübergreifend planender Fachingenieur kann dabei inhaltlich unterstützen und die Schnittstellenthemen lösen. Reden alleine hilft jedoch nicht. Das Erlernen des gewerkeübergreifenden Wissens ist die Voraussetzung, der eine mögliche Umstrukturierung des Büros folgen kann; das heißt, Einstellung und Integration von verschiedenen Gewerkespezialisten. Das müsste die Perspektive sein, die ganz sicher in die richtige Richtung, in die planungstechnisch nachhaltige Zukunft weist.

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