Ist das planen mit Stahl für ein Einfamilienhaus rentabel?

Im Gespräch mit dem Architekten Wolfram Popp und dem Statiker

Johann Schneider

www.popp-planungen.de

„Stahlbau ist für ein Einfamilienhaus möglich. Die Schnittstellen zwischen Rohbau und Ausbau sind zwar im Stahlbau völlig andere als im Massivbau, aber es ergeben sich große Potentiale.“ Wolfram Popp

DBZ: Herr Popp, die Entscheidung Ihr Einfamilienhaus als Stahlbau zu realisieren, ist für Mitteleuropa sehr ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

Popp: Ich arbeite grundsätzlich konzeptionell und orientiere mich an Funktionen und Gebrauch. Deshalb war in der Projektfindungsphase mit der Familie völlig offen, in welcher Bauweise das Haus gebaut werden würde. Da zeichnete sich erst allmählich ab, dass es nur in Stahl oder Stahlbeton zu realisieren wäre. Der Bauherr zeigte mir zum Beispiel Innenaufnahmen der Villa Tugendhat von Mies. Er war eher für Stahl, sie hingegen für Stahlbeton. Mit Stahl verband er mehr Glas und damit quasi Offenheit, während sie etwas Warm-Wohnlicheres wünschte. Das war keine einfache Situation, da mich die Bau­herrin als Architekten ihres Hauses angesprochen hatte. Beide waren aber auf der Suche nach etwas Neuem jenseits der gewöhnlichen Villa.

DBZ: Wie gingen Sie mit dieser Situation um?

Popp: Ich habe mit einem fast gleichen Grundriss zwei Entwürfe gemacht - einen in Stahlbeton und einen als Stahlskelett. Und ich sagte, ich mache nur das eine oder das andere, doch in keinem Fall eine
Mischung von beidem, wobei meine Bauherren zu einem Kompromiss neigten. Dabei spielte die alte Mauer um das Grundstück auch eine große Rolle, da sie dem Haus schon genug Schutz gibt und so die Vorbehalte gegenüber einer Lösung in Stahl verringerte. Zumal damit auch ein leichteres und damit kostengünstigeres Haus auf dem relativ kleinen Grundstück gebaut werden konnte.

DBZ: War der Ingenieur schon in dieser Phase ins Projekt integriert?

Popp: Die Grundrissklärung in den ersten drei Monaten erfolgte ganz ohne Fachingenieur. Danach kam aber recht früh die Frage, wie können wir die zwei Konzepte realisieren – einmal eher offen, einmal eher geschlossen. Deshalb kam Johann hinzu, um zu klären, welche Achsabstände und Aussteifungen wir brauchen, wenn wir keine Wände haben.

DBZ: Herr Schneider, wie stellte sich die Situation für Sie als Ingen­ieur dar?

Schneider: Das Stichwort des Architekten war: Keine tragenden Wände. Als Statiker musste ich mir vor allem überlegen, wie erreiche ich trotzdem die erforderliche Steifigkeit. Das führte zu der Lösung auf jeder Seite jeweils eine Aussteifung mit Kreuzen zu konzipieren, die ich als Klaviersaiten bezeichnete und erst auch mit Stahlseilen zu lösen versuchte, da die Bauherren große Vorbehalte gegen die Kreuze hatten. Besonders die Bauherrin wünschte keine technisch ausse­hende Lösung.

DBZ: Warum wurden dann aber aus den Klaviersaiten wieder Kreuze?

Schneider: Von der Tragfähigkeit wären 10 mm dicke Stahlseile kein Problem gewesen, aber ein Seil ist weich. Trotz Vorspannung war das Problem der Verformung nicht zu lösen, zumal die Sache noch durch das gewünschte Glasschiebesystem einer 20 mm Filigranverglasung verschärft wurde. Da gab es keinen Platz für große Toleranzen, zumal hier die Windlasten direkt in der Wand aufgenommen und dann über die Deckenscheiben und Kreuze als aussteifende Elemente verteilt werden. Letztlich sind aber die Rundstäbe der Kreuze mit ihren 20 mm Durchmesser schlanker als Besenstiele.

DBZ: Ja, sie fallen einem im Haus kaum ins Auge. Ungemein leicht, ja fast schwerelos wirkt alles. Und Sie betonen ja wiederkehrend, dass das Haus „40% leichter als ein konventionelles Wohnhaus“ sei? Doch welche Bedeutung hat das Gewicht für´s Wohnen?

Popp: Leichtigkeit macht Sinn. Man spart Ressourcen. Man ist ökonomischer. Eine Stahlbetonkonstruktion bzw. die Kräfte auch über Betonkerne abzuführen, hätte deutlich mehr gekostet. Eine leichtere Konstruktion eröffnet auch mehr Möglichkeiten für Veränderungen. So haben wir versucht weiter zu denken, was es bedeutet, wenn später einmal die Kinder aus dem Haus ausziehen.

Schneider: Die Materialersparnis ist nicht primär ökonomisch zu sehen, sondern vor allem als nachhaltig. Ich habe an einer solchen Reduzierung einer Konstruktion noch nicht gearbeitet, bei der man das Tragwerk alle 3,10 m auf eine 120 mm Stütze reduziert. Das ist schon sehr minimalistisch. Doch beim Einfamilienhaus wird sich wohl der Stahlbau nicht durchsetzen können. Der Planungsaufwand ist einfach zu hoch.

DBZ: War der Planungsaufwand höher? Welche Erfahrungen haben Sie mit der Umsetzung ihres Konzepts auf der Baustelle gemacht, zumal Stahlbau nur geringe Toleranzen erlaubt?

Popp: Stahlbau fordert a priori Genauigkeit, weshalb mit den Stahlbauern vereinbart wurde, dass alle Werkstattzeichnungen von uns abgesegnet werden mussten. Bis zu sechs Varianten sind uns von den Firmen geschickt worden, gebaut haben sie die vierte, trotz der Schablonen, die wir ihnen von vielen Punkten angefertigt hatten.

Schneider: Die Handwerker haben nicht umgesetzt, was wir gezeichnet haben. Viele Anschlüsse und Nähte wurden nicht nach den Vorgaben gesetzt und mussten nachgebessert werden. Stahlbau erfordert deutlich mehr Planungsaufwand und Kontrolle der Schnittstellen.

Popp: Doch Stahlbau ist für ein Einfamilienhaus möglich. Die Schnittstellen zwischen Rohbau und Ausbau sind zwar im Stahlbau völlig andere als im Massivbau, aber es sind große Potentiale darin. Und am Ende ist es ein tektonisches Gefüge und nicht ein gebautes Modell, was daraus hervorgeht.  Man kann filigraner und leichter bauen. Man kann zeigen, dass ein Haus wirklich aus Elementen besteht, die gefügt sind und dennoch voneinander abgesetzt sind und so eine sichtbare architektonische Raumbildung eröffnen.

Das Gespräch führte für die DBZ: Claus Käpplinger, Berlin

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