Kinder- und Jugendzentrum, Melbourne/AUS

Großes Blechspielzeug
Recycling in außergewöhnlicher Form

Phooey Architects haben sich der ökologischen und nachhaltigen Architektur verschrieben. Damit allerdings nicht genug. Zusätzliche Auflagen für den Bau des Kinder- und Jugendzentrums: Es musste kostengünstig sein und es sollte kein Abfall entstehen.

Dieses Projekt ist Recycling pur: Über 90 % der Materialien, die verwendet wurden, sind wiederverwertet, umgenutzt, gebraucht, vor der Verschrottung gerettet – kurz, sie hatten ein anderes Leben vor ihrem Einsatz auf dem Spielgelände Skinners Playground in Melbourne.

Tatsächlich haben Phooey Architects für den Bau des Activity Centers vier ausgediente Schiffscontainer ineinander verschachtelt und zu einer Gesamtform verschmolzen. Nur damit nicht genug, auch bei der Innenausstattung, wie dem Bodenbelag, den Fenstern, den Teppichfliesen an Wand und Decke sowie den Holzarbeiten wurde kein Halt in Bezug auf Recycling gemacht. Und das radikale Konzept setzt sich noch weiter fort: Es durfte kein Abfall durch das Bauvorhaben entstehen. Das bedeutet, dass alle Reste, die anfielen, eine neue Verwendung finden mussten. Beispielsweise bilden die Türen der Container die konstruktiven Stützen der Balkone. Die für Türen und Fenster ausgeschnittenen Metallstücke wurden zu Balkonbrüstungen, Sonnendächern oder dienen nun als Dekoration. Die Teppichfliesen, die in den Innenräumen Wände und Decken vollständig verkleiden, wurden nicht beschnitten. Das hat im Bereich der Leuchtstoffröhren zur Folge, dass die nicht abgeschnittenen Ecken lose von der Decke baumeln – sehr dekorativ sogar.

Überraschend ist, die Architekten haben sich die Messlatte selbst so hoch gelegt. Natürlich sollte es ein günstiges Projekt werden – die finanziellen Ressourcen für Jugendarbeit scheinen auf der ganzen Welt eng bemessen zu sein – die „Null-Müll“-Auflage ist jedoch selbst auferlegt. Phooeys Idee war es, aus Lagerraum Wohnraum zu generieren und in spielerischer Form ausgedienten Materialien einen neuen Wert zu verleihen. Die gewellten und zerkratzten Fassaden erzählen Geschichten von ihrer Vergangenheit und es werden jetzt immer neue dazu kommen – Kratzer und Geschichten. Die technischen Details gestalten sich genau wie bei einem herkömmlichen Gebäude, das Dach wurde ganz traditionell abgedichtet. Das Regenwasser wird in einen bestehenden Teich geleitet.  

Die Entwurfsaufgabe definierte sich nicht einfach. Das Gebäude sollte „cheaper than chips“, was sich wohl so übersetzen lässt, dass es eigentlich gar nichts kosten darf, und zwar nicht nur in der Erstellung, sondern auch wäh-
rend der Nutzung. Vorgabe war zudem, dass sich der Neubau in die vorhandene, vielfarbige Ausstattung des Spielgeländes einfügt. Während der Bauphase blieb das Gelände für spielende Kinder zugänglich, so dass sichergestellt werden musste, dass keinerlei Verletzungsrisiko von der Baustelle ausgeht.

Fertig gestellt bietet das Containerensemble einen flexiblen, multifunktionalen Treffpunkt für Tanz und Malkurse, Hausaufgaben, Unterhaltung, Computerspiele etc. Peter Ho berichtet, dass jetzt, da das Gebäude genutzt wird, überall Chaos und Durcheinander herrscht: Bunte Malereien und Pappskulpturen sind wild verstreut über Boden und Wände. Aber es klingt eher nach ein bisschen Stolz. Die Kinder haben ihr Spielhaus angenommen und gebrauchen es genauso wie sie es sollen.

Es erinnert an die Zeit, in der man selbst noch Buden gebaut hat. Roh, unbehandelt, selbstbestimmt, ein Ort, an dem die Kinder die Macht übernommen haben und die Phantasie die Hauptrolle spielen kann. Da möchte man noch einmal Kind sein. S.G.

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