Giant: ja!

Andy Warhol, der schüchterne, hoch­intelligen­te schwule Selbstdarsteller, Katalysator, Glamourfeuerwerker und -absorber, ein Künstler wohl auch, aber viel mehr Herr über eine Factory, die etwas produzierte; Künstlichkeit vor allem. Andy Warhol wird geliebt, auch von der Kunstszene, von den Kritikern, und ganz besonders von der Industrie (Factory eben). Die jedenfalls setzt mittlerweile jährlich zig Millionen mit dem Label Warhol um, der Kunstmarkt hinkt da noch immer hinterher; wenngleich seine Siebdrucke inzwischen mehrtellige Millionenbeträge erzielen.

Und natürlich der Buchmarkt, auch eine Factory. Der produziert seit den sechziger Jahren bis heute unentwegt Warhol-Material: Bücher, die Warhol selbst verfasste/verlegte, Bücher über ihn, Bücher von denen, die ihn gerne besser gekannt hätten sowie von denen, die ihn gerne kennenlernen wollten. Zu letzteren gehört ganz sicher auch der Phaidon Verlag, der 2006 das jetzt übersetzte Buch „Giant“ auf den Markt wuchtete; die „Catalogue Raisonné Vol. 1 und 2“ aus gleichem Hause hätten, denkt man, hier schon das Meiste dazu geleistet. Aber eben nicht, „Giant“ ist eine eigenständige Publikation, mit welcher die Verleger insbesondere auf visuelle Wirkung setzen.

Chronologisch geordnet durchschreitet man das Leben und Werk dieses schwierig zu entschlüsselnden, hochintelligenten Men-schens, und die Art und Weise, wie hier Arbeit und privates Leben vermengt werden, ergibt zum einen den Eindruck, man hätte ein Familienalbum vor sich liegen. Zum anderen entspricht dieses Konzept der Vermengung dem Leben des Porträtierten, der, gemäß den Gesetzen des Pop, auch das Alltäglichste mit Bedeutung aufzuladen wusste.

Viele der Bilder, die hier gezeigt werden, sind uns von Kaffeebecherbildern bekannt oder von den Plakaten in den bunten Kunststoffrahmen, die wir selbst nie aufhingen. Doch überall dazwischen tauchen, wie seltene Fundstücke, Porträts aus der Bilderflut auf, die in ihrer Unverbrauchtheit anrühren, die den Andy zeigen, der hinter allem Mimikry auch war: ein unsicherer, trauriger und ziemlich einsamer Mann.

So wird die großformatige wie großartig gemachte Bildersammlung tatsächlich zu einem Familienalbum, mehr nicht. Der Blick ins Register am Schluss unterstreicht es, schon das Stichwort „Time capsules“ sucht man vergeblich, eines der grandiosesten Pro­jekte Warhols überhaupt, das den New Yorker viel eher in den Kontext der Avantgarde der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts rückt als alle 100 und so fort Marilyns oder 32 Campbells Suppendosen. „Giant“? Ja, mehr aber auch nicht.

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