Facelifting für einen Bungalow
Wohnhausumbau in Solingen

Bei dem Umbau eines Winkelbungalows zu einer Stadtvilla gelang archequipe Architekten der Spagat zwischen Erhaltung und Nutzung der vorhandenen Bausubstanz und einer modernen Grundrissplanung.

Statt des vorhandenen Bungalows aus den 1970er-Jahren wünschten sich die Bauherren auf ihrem Grundstück in Solingen ein modernes Haus, mehr Wohnfläche und einen offenen Grundriss. Der alte Winkelbungalow war vor mehr als 40 Jahren als Massiv-Fertighaus aus Betonfertigteilen erstellt worden und entsprach weder vom Grundriss noch von der Gestaltung her den Ansprüchen der Hauseigentümer, die sich für ihr künftiges Domizil eher eine bauhausähnliche Stadtvilla mit klaren Formen und Flachdach erträumt hatten. Energetisch war das Gebäude in den vergangenen Jahrzehnten nicht weiterentwickelt worden, also bestand auch in Sachen Energieeffizienz akuter Handlungsbedarf. Aus diesem Grund lag der Gedanke an Abriss nahe. Mit ihrem sinnreichen Umbaukonzept konnten Sebastian Filla, Bartosz Czempiel und Jutta Klare von archequipe Architekten die Bauherren jedoch davon überzeugen, den Bestand zum großen Teil zu erhalten und für die Erweiterung zu nutzen. Das dadurch entstandene neue Gefüge überrascht mit unerwarteten gestalterischen und räumlichen Qualitäten.

Klare Formensprache

Durch das ursprüngliche Satteldach, das der Winkelform des alten Grundrisses folgte, war ein formloser Baukörper entstanden. Die horizontale Ausrichtung tat ihr Übriges und gab dem unscheinbaren Anwesen einen gedrungenen Charakter, der der Maßstäblichkeit des Ortes nicht entgegenkam. Als Gegenentwurf dazu sollte das neue Haus eine Dachlandschaft erhalten, die der Modernität seiner Bewohner entspricht. Zudem wollten die Bauherren keinesfalls die für das Quartier außergewöhnliche Größe des Einfamilienhauses betont wissen. Da der Bebauungsplan für das Baufenster ein Satteldach vorsah, konnte der Wunsch nach einem Kubus mit Flachdach nicht verwirklicht werden. Die Architekten schlugen stattdessen eine Lösung vor, bei der zwei langgestreckte Volumina mit flach geneigten Satteldächern ein Wohnhaus mit zwei Giebeln formen. Mit den maßstäblich an die ortsübliche Dachlandschaft angepassten Dachformen fügt sich das neue „Ensemble“ nun harmonisch in die Umgebung ein, ohne sich aufzudrängen.

Aus dem einst horizontal geprägten Baukörper entstand durch die vertikale Aufstockung eine völlig neue Architektur. Die klare Formensprache unterstützt diesen Ansatz. Die neuen, aufrecht stehenden Giebelfronten zeigen ein klares, strukturiertes Bild, mit dem sich das Gebäude selbstbewusst zur Straßenseite hin präsentiert. Die neue Vertikale wird auch betont von den bodentiefen Fensteröffnungen und der vorgeschalteten Veranda mit ihren Stützenreihen, die nicht nur für Privatheit sorgen, sondern im Sommer den dahinterliegenden Wohnraum vor unerwünschter Aufheizung schützen. Gleichzeitig lassen die großzügigen, raumhohen Fenster viel Tageslicht in die Wohnräume.

Die monochrome Farbgebung des Gebäudes bezieht sich auf die Schieferfassaden und Dachdeckungen der regionalen Bautradition. Diesem Farbtongeber entsprechend erhielten die Putzfassaden einen dunklen, anthrazitfarbenen Anstrich mit einer Spezialfarbe, mit der auch dunkle Farbtöne auf WDVS schadensfrei aufgetragen werden können. Auch die Dachsteine wurden in einem ähnlichen Anthrazit-Farbton ausgewählt. Durch Infrarotlicht reflektierende Pigmente in ihrer Oberfläche heizen sich die Dachsteine selbst weniger auf und reduzieren die Erwärmung der Umgebungsluft. Auch auf der Unterseite der Dachsteine ist die Temperatur bei Sonneneinstrahlung durch die Reflektionswirkung um bis zu 10 °C geringer. Für die Ortgang- und Entwässerungsbleche wurde Titanzink verwendet, das eine natürliche schiefergraue Patina entwickelt.

Umbau in drei Schritten

Zunächst wurde das alte Satteldach des Bungalows für den Umbau komplett abgetragen. Vor die Südseite stellten die Architekten dann ein neues Bauteil, eine Veranda, die mit einem Säulengang den Übergang vom Wohnhaus zum Garten vermittelt. Die 50 cm breiten Viereck-Stützen bilden zusammen mit den etwa doppelt so breiten Öffnungen ein klar formuliertes Raster, das die Gestaltung der Fassade dominiert und auf der Südseite von durchgehenden Fensterbändern ergänzt wird. Das Pfeilermotiv wird auf den beiden Seitenflanken des Gebäudes fortgeführt. Dafür wurden an der West- und Ostseite große Öffnungen in die Fertigteilaußenwände geschnitten und neue Stützen aufgemauert, zwischen denen die boden-

tiefen Fenster mit 3-fach-Verglasung eingestellt sind. In dem letzten, dritten Schritt bekam der westliche Hausflügel eine zweite Geschossebene aufgesattelt, die Platz bietet für eine Gästewohnung mit eigenem Zugang und einer Dachterrasse.

Der Innenraum des Hauses wurde entkernt und mit Innenwänden in Leichtbauweise völlig neu gegliedert. Dabei entstand im Erdgeschoss ein großzügiger Wohnraum, der nur durch eine freistehende Wandscheibe vom Esszimmer getrennt ist. Der Wohnbereich selbst zentriert sich um eine mit Edelholz verkleidete Box, die Garderobe, Einbauschränke und den Kamin aufnimmt. Sie umhüllt auch eine Bestandstreppe, die zum Schwimmbad und den Kellerräumen ins Untergeschoss hinabführt.

Energiekonzept

Die Außenwände wurden mit 20 cm WDVS gedämmt und verputzt. Die beiden Satteldächer erhielten eine Dämmung mit 22 cm Mineralwolle, der Flachdachaufbau wurde mit einer Gefälledämmung aus PU-Hartschauplatte PUR 025, d = 220 mm erstellt. Die Wohnfläche von 270 m² und das beheizte Schwimmbad aus dem Jahr 1979 machten den Einsatz eines Mikro-Kraftwerks mit Kraft-/Wärmekopplung rentabel. Das Mikro-KWK-Gerät mit Stirling-Motor ist sozusagen eine Strom erzeugende Heizung, deren Leistung auf den Energiebedarf von Ein- bis Zweifamilienhäusern abgestimmt ist. Während ein Gas-Heizkessel Wärme produziert, werden mit dem Mikro-KWK gleichzeitig Wärme und Strom erzeugt. Ein 750 l-Pufferspeicher und das integrierte Puffermanagement ermöglichen lange Laufzeiten und damit die Abdeckung von ca. 80 % des eigenen Strombedarfs. Vom Verbraucher nicht genutzter Strom wird in das Energieversorger-Netz eingespeist und vergütet. IS

Planer und Fachplaner
Architekt: archequipe — Freie Architekten Berlin-Köln, www.archequipe.net
Bauphysik:
Ingenieurbüro für Bauwesen Dipl.-Ing. Heinz Dziallas, Köln-Riehl,
Haustechnik: Schmalen Versorgungstechnik, Köln-Mülheim, www.schmalen-koeln.de
Energiekonzept
Fenster: Aluminiumkonstruktion, 3-fach-Verglasung, U-Wert 1,1 W/(m²K)
Außenwand: Stb-Wand; WDVS aus PS-Hartschaumplatte WLG 035, d = 200 mm
Schrägdach: Zwischensparrendämmung aus Mineralwolle MW 035, d = 220 mm
Flachdach:
Stb-Decke; Flachdachaufbau mit Gefälledämmung aus PU-Hartschaumplatte PUR 025, d = 220 mm
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand = 0,16 W/(m²K),
U-Wert Schrägdach = 0,19 W/(m²K),
U-Wert Flachdach = 0,11 W/(m²K),
Uw-Wert Fenster = 1,10 W/(m²K),
Ug-Wert Verglasung = 0,60 W/(m²K),
Luftwechselrate n50 = 0,70/h
Haustechnik
Austausch der alten ölbefeuerten Heizungsanlage durch ein Mikro-Kraftwärmekopplung-Gerät auf Stirlingbasis mit integriertem Gas-Brennwertgerät (elektrische Leistung 1 kW). Für die neue Heizung wurde ein Gasanschluss auf das Grundstück geführt.
Herstellernachweis
Dachbleche: Rheinzink Patina-Line, Datteln, www.rheinzink.de
Dachsteine: Braas Tegalit, www.braas.de
Drainagerinnen: Richard Brink Fultura, www.richard-brink.de
Fassade: WDVS StoTherm Classic, StoColor X-black, www.sto.de
Fenster: heroal ProfilSerie 110 ES, www2.heroal.de
Glaswände: Lindner Life 620, www.lindner-group.com
Heizkamin: Brunner Architekturkamin 45/101, www.brunner.de
Heizung: Viessmann Vitotwin 300-W Mikro-KWK-Gerät, www.viessmann.de
Energiebedarf
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