Eine Frage der Überzeugungskraft?

Im Gespräch mit Architekturpsychologe Riklef Rambow

Riklef Rambow ist promovierter Psychologe und setzt sich in Forschung und Lehre mit der Wahrnehmung, Nutzung und Vermittlung von Architektur und Stadt auseinander. Seit 2009 ist er Professor für Architekturkommunikation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

DER ENTWURF: Herr Rambow, warum sollte Architekturkommunikation zum festen Bestandteil der Ausbildung von Architekt*innen werden?

Riklef Rambow: Weil Vermittlung und Kommunikation einen wesentlichen Teil der Architektur ausmachen. Und zwar nicht nur im Büroalltag – Befragungen der Kammern zeigen regelmäßig, dass der Anteil kommunikativer Tätigkeiten am Gesamtzeitbudget von Architekt*innen bei 60 - 80 % liegt – sondern auch in der Architekturgeschichte. Leitfiguren wie Le Corbusier oder Rem Koolhaas waren bzw. sind sicherlich gute Architekten, aber sie hätten ihre Innovationen niemals verwirklichen können, wenn sie nicht auch geniale Vermittler ihrer Konzepte und Ideen gewesen wären. Im Falle von Walter Gropius würde ich sogar sagen, er war ein eher mittelmäßiger Entwerfer, aber ein herausragender Kommunikator. Aus meiner Sicht sind Entwurf und Kommunikation zwei Seiten einer Medaille und es ist wichtig, dass die Studierenden das sehr früh verstehen. Nur dann können sie die notwendigen Fähigkeiten entwickeln, die es braucht, um auch schwierige Konzepte und eigenständige Lösungen zur Realisierung zu bringen. Es geht mir überhaupt nicht darum, oberflächliche Marketingskills zu vermitteln, also durchschnittliche Ideen mittels blumiger Begriffe und weichgezeichneter Renderings interessanter erscheinen zu lassen, um sie zu verkaufen. Wichtig ist vielmehr, schon während des Entwurfs präzise zu argumentieren und eine stringente Geschichte zu konstruieren. Nur so kann es gelingen, die vielen verschiedenen Menschen, die auf dem Weg zur Realisierung etwas mitzureden haben, zu überzeugen und zu Verbündeten des eigenen Projekts zu machen.

 

Wie lässt sich an den Hochschulen eine Experten-Laien-Kommunika­tion erlernen?

Tatsächlich ist genau das eine der wesentlichen Herausforderungen: Die Personen, die von architektonischen Konzepten überzeugt werden müssen, sind selbst in der Regel keine Architekt*innen. Um mit ihnen erfolgreich zu kommunizieren, gilt es zunächst zu erkennen, was die eigene Expertise ausmacht. Worin besteht das Wissen der Architektur? Inwiefern nehmen Architekt*innen die Welt anders wahr als alle anderen Menschen? Auf dieser Basis können dann konkrete Kommunikationsstrategien entwickelt werden: Was muss ich erklären, was kann ich voraussetzen? Welche Bildformate und Darstellungsoptionen benötigen welches Vorwissen? Hier braucht es ein möglichst variantenreiches und flexibles Repertoire an kommunikativen Werkzeugen und Ausdrucksformen, um die unterschiedlichen Gruppen, von den betroffenen Bürger*innen bis zu den Fachingenieur*innen, von den Fliesenleger*innen bis zu den Investor*innen, jeweils auf Augenhöhe ansprechen zu können.

 

Braucht es einen stärkeren Austausch von Studierenden unterschiedlicher Fachdisziplinen?

Aus Sicht der Architekturkommunikation wäre es ideal, wenn die Studierenden schon während des Studiums mit Kommiliton*innen anderer Fächer in Kontakt kommen könnten und z.B. mit Bauingeneur*innen oder Landschaftsplaner*innen gemeinsame Projektarbeit von Anfang an erleben würden. Auch Projekte, bei denen es persönlichen Austausch mit Nutzer*innen oder eine abschließende Präsentation vor Beteiligten gibt, bieten die Möglichkeit eines „reality checks“, zumindest, wenn sie gut geplant und moderiert werden. Aber man muss realistisch bleiben: Tatsächlich bilden solche Projekte eher die Ausnahme im Rahmen des Studiums. Das Architekturstudium ist zwar projektorientiert und im Grunde sehr breit im Sinne von multidisziplinär ausgelegt, aber es ist aufgrund der Intensität und des enormen Zeitaufwands, den die Entwurfsausbildung als Kern des Studiums verlangt, auch sehr eingeschränkt hinsichtlich echter Interdisziplinarität. Ich würde das auch nicht ändern wollen. Das Erlernen der Architektur erfordert zunächst einmal ein extremes Maß an Hingabe, Fokussierung und Übung, wie es nur die Studioarbeit bieten kann. Dadurch ist die Zeit für all die anderen Fächer und den Erwerb zusätzlicher Kompetenzen naturgemäß knapp. Umso wichtiger ist es, dass ein Fach wie die Architekturkommunikation nicht vergessen wird, sondern in kompakten Lehrveranstaltungen und in direkter Kooperation mit den Entwurfsfächern dazu beiträgt, dass die eigene Entwurfskompetenz systematisch reflektiert und mit anderen Perspektiven auf Architektur in Beziehung gesetzt wird.

 

Kennen Sie erfolgreiche, interdisziplinäre Lehrmodelle an Hochschulen?

An der BTU Cottbus, an der ich zehn Jahre tätig war, war die Architektur in einer Fakultät mit Stadtplanung und Bauingenieurwesen vereint. Das sogenannte „Cottbusser Modell“ sah vor, dass Studierende aller drei Fächer im Grundstudium systematisch gemeinsame Lernerfahrungen machen sollten. Nach meiner Einschätzung funktionierte das für Architektur und Stadtplanung recht gut, mit dem Bauingenieurwesen hingegen bes­tenfalls punktuell. Ähnliche Ansätze gab es auch früher schon andernorts- z.B. in Dortmund. Am KIT haben wir aus historischen Gründen eine gemeinsame Fakultät für Architektur und Kunstgeschichte. Auch das ist ein interessanter Ansatz, der spannende Möglichkeiten eröffnet, aber beileibe kein Selbstläufer ist. Es fordert großes Engagement und starken Willen, eine solche Nähe zwischen zwei Fächern im Alltag dauerhaft mit Leben zu füllen. Deshalb klingt es hoffentlich nicht eingebildet, wenn ich sage, dass ich den Weg, den die Fakultät des KIT seit zehn Jahren mit meiner Professur geht, für den richtigen halte: das Thema Kommunikation explizit in wenigen, aber gezielt gesetzten Veranstaltungen in das Curriculum zu integrieren und dadurch vom Bachelor bis zur Master Thesis attraktive, abgestufte Lerngelegenheiten zu schaffen.

www.akomm.ekut.kit.eduwww.psyplan.de

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