Eine Fassade, die sich nicht kompromisslos
öffnet
Heinrich-Fries-Haus, Heilbronn

Im September 2007 fertig gestellt und benannt nach dem 1988 verstorbenen Theologen Heinrich Fries, der als der größte katholische Ökumeniker des vergangenen 20. Jahrhunderts gilt, führt der Neubau erstmals die katholischen kirchlichen Dienste und Einrichtungen unter einem Dach zusammen. Bis dahin lagen sie über das gesamte Stadtgebiet von Heilbronn zerstreut.

In seiner Kubatur fügt sich das auf einem Brachgrundstück errichtete Heinrich-Fries-Haus – auch Haus der Kirche genannt – in die Häuserreihen der Bahnhofstraße und der Olgastraße ein; in seiner Höhenentwicklung berücksichtigt es die Fassaden der Nachbarhäuser. Zugleich differenziert es sich durch seine äußere Erscheinung deutlich von der Umgebungsbebauung aus 80er Jahre-Architektur auf der einen und Villen-Architektur der Jahrhundertwende auf der anderen Seite.

Auch wenn es sich in erster Linie um ein Verwaltungsgebäude handelt, das vorrangig funktionieren und der Ökonomie Rechnung tragen muss, so ist das Haus der Kirche ebenso ein Statement für
die katholische Kirche, die Art und Weise, wie sie sich darstellt in einer Zeit, in der Kirchen aus dem Stadtraum verschwinden, während Moscheen gebaut werden.

Als Einrichtung für die Kirche trägt das Haus eine Art Talar, der sich nach außen als Fassade aus dunklen Naturschieferplatten präsentiert, während er im Inneren in strahlendem Weiß erscheint. Weinrote Sonnenschutz-Markisen stehen in wirkungsvollem Kontrast zum handwerklich anmutenden dunklen Schiefer und verstärken den Auftritt des Hauses in der Stadt. Ebenso das als Baukörper dominant ausgebildete Treppenhaus mit seinen signifikanten Bullaugen. Es
akzentuiert das Gebäude und verleiht ihm Wiedererkennbarkeit.

Gut sichtbar öffnen sich an der Bahnhofstraße der Eingang zum Gebäude und der Zugang zum Garten. Die Vorliebe der Architekten für natürliche Materialien mit haptischen Qualitäten und die Liebe zum Detail stechen sofort ins Auge – seien es die von Jo Schöpfer kreierten Türgriffe aus Bronze, die handgefertigte Briefkasten- und Klingelanlage aus Holz und nicht zuletzt die einladende Treppenaufgangssituation im Empfang mit abgerundeten Stufen aus Naturstein. Während das Erdgeschoss eine zum Garten hin großzügig verglaste Raumgruppe von Foyer, Bistro und Mehrzwecksaal sowie einen Andachtsraum beinhaltet, befinden sich auf den oberen vier Etagen überwiegend Büroräume, die zweibündig organisiert sind. Das Staffeldachgeschoss bietet nicht nur weiteren Raum für Veranstaltungen, sondern auch eine großzügige Dachterrasse mit Blick über Heilbronn.

Die Fassadengestaltung und -ausführung nimmt bei Lederer + Ragnarsdóttir + Oei einen besonderen Stellenwert ein, sind sie doch konsequenter Verfechter einer möglichst massiven Bauweise. Und dies nicht nur aus ökologischen Erwägungen. „Wenn man das Thema verfolge, Fassaden weitgehend zu schließen“, so Arno Lederer, „bedeute dies auch, einen Unterschied zwischen innen und außen herauszuarbeiten: Dann ist die Verbindung zwischen innen und außen sehr viel stärker als man vermutet, weil ich ja dann ganz präzise die Löcher in die Fassade so setzen muss, dass der Innenraum nicht darunter leidet. Im Gegenteil: Dass er eigentlich besser wird.“ 

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